Musik, technische Vorführungen und vieles mehr: Die “Tage der Industriekultur“ werden erstmals in der gesamten Metropolregion gefeiert.

Stade/Hamburg. Erstmals wird in diesem Jahr ein Kulturprojekt gestartet, das die gesamte Metropolregion Hamburg einschließt. Im August gehen die "Tage der Industriekultur" am Wasser an den Start. Sie stellen Denkmale der Industriegeschichte zwischen Elbe und Oste vor, die vielen Menschen bisher weitgehend unbekannt sind. In einem Netz von Veranstaltungen werden vom 19. bis 21. August die Tore zu 68 geschichtlich bedeutsamen Industrieanlagen geöffnet.

Ein Zugang und Einblick wird etwa zum Museumsschiff Cap San Diego, der Schwebefähre bei Osten oder dem Dampfeisbrecher Elbe ermöglicht, aber auch zu überregional weniger bekannten Zeitzeugnissen, wie den Torfabbauanlagen bei Gnarrenburg, der Pramfähre bei Gräpel, der Windschöpfmühle Honigfleth, der Gierseilfähre Eickeloh oder der Palmschleuse bei Lauenburg.

Geplant sind laut dem Museumsdienst Hamburg, der Stiftung historische Museen Hamburg und der "Metropolregion Hamburg" technische Vorführungen, Musikveranstaltungen, Mitfahrten, Führungen und Filmpräsentationen. Insgesamt mehr als 100 Events sind für das dreitätige Kulturfestival der anderen Art geplant. Die Hamburger Behörde für Kultur und Medien in Hamburg, die das Programm federführend leitet, will mit dem Programm auch die ehrenamtliche Arbeit in der Region hervorheben und stärken - denn ohne das freiwillige Engagement vieler Bürger würden zahlreiche Exponaten heute nicht mehr bestehen.

Neben Hamburg beteiligen sich Kreise und Kommunen zwischen Cuxhaven, Stade und Vietze an der Elbe, zwischen Gnarrenburg und Ratzeburg und zwischen Lüneburg und Wilster an den Kulturtagen. Sie alle hoffen, dass das Programm den Besuchern auch die Sinne für die geschichtliche Besonderheit der Region öffnet.

Was beim Betrachten der Geschichte der Industrialisierung sofort ins Auge sticht, ist, dass die Region an der Elbe ein echter Spätstarter war. Während an Ruhr und Rhein sowie in Schlesien und am Main die Schlote dampften, Kohle gefördert wurde und erste Fabriken entstanden, herrschte an der Elbe eine erstaunliche Ruhe. Im Hamburger Großraum gab es nur wenige Fabriken. Und das, obwohl mit den weitverzweigten Wasserwegen die mit Abstand günstigste Transportart für Güter bereits zur Verfügung stand. Nur allmählich entstanden ab dem 19. Jahrhundert Bahnlinien von und nach Hamburg sowie größere Chausseen, die für einen ausgiebigen Warentransport geeignet waren.

Nach den politischen Unruhen des Jahres 1848 und dem Aufstieg des Bürgertums gab es einen ersten großen Entwicklungsschub. Kleine Fabriken entstanden, die meisten von ihnen in unmittelbarer Nähe der schiffbaren Flüsse und Kanäle. Der Ursprung der Fabriken waren nicht selten florierende Handwerksbetriebe oder Wassermühlen, die die Kraft des Wassers für die Produktion direkt einsetzten - in Ermangelung von modernen Dampfmaschinen. Wassermühlen wurden zu Sägewerken, Ölmühlen und Papierfabriken umfunktioniert.

Ein Beispiel hierfür war in Altkloster die Wassermühle an der Este. Seit 1622 war sie als Papiermühle in Betrieb, 1845 wurde diese Mühle, da die Lumpen als Rohstoff für das Papier knapp wurden, zu einem Industriebetrieb umgewandelt. Der Besitzer baute gleich nebenan eine Strohzellstofffabrik. Heute existiert der Betrieb nicht mehr. Er musste infolge der Wirtschaftskrise der frühen 1920er Jahren im Jahr 1925 endgültig Konkurs anmelden.

Dass die Wirtschaft in der Region nicht sofort brummte, ist kein Wunder, denn anders als an der Ruhr oder in Schlesien gab es an der Elbe keine Kohle und kein Eisenerz. Beide Rohstoffe gelten als von fundamentaler Bedeutung für den Prozess der Industrialisierung. An der Elbe waren die vorhandenen Rohstoffe Getreide, Rüben, Obst, Gemüse, Fleisch, Milch und Salz sowie Wolle und Felle. Erst ab dem späten 19. Jahrhundert wurden die für die Industrialisierung wichtigen Rohstoffe über das Wasser über die Unterelbe bis nach Hamburg transportiert. Die Folge: Hamburg wurde als zentraler Hafen für Norddeutschland immer wichtiger und wuchs beständig weiter. Die Motorisierung der Flüsse nahm ihren Lauf, Brücken aus Stahl wurden ab 1872 über die Elbe nach Süden gebaut und damit das Schienennetz erweitert. Stau- und Hebewerke wurden entlang der Elbe gebaut und Eisbrecher kamen zum Einsatz, um den Handel das ganze Jahr über zu ermöglichen.

Die erste elbvertiefungsähnliche Aktion startete übrigens 1832 - dank der Dampfschifffahrt. In jenem Jahr wurde der erste Dampfbagger in Betrieb genommen, um das Elbfahrwasser von den bis dahin gefürchteten Untiefen zu befreien. Diese Aktion machte wiederum den Weg für die vielen Ewer, Jollen und Küstenmotorschiffe, wie die "Greundiek" oder die "Iris-Jörg" frei, die Stade, Wischhafen und Hamburg ansteuerten und lange Zeit eine günstige Konkurrenz zur Eisenbahn für den Massengütertransport darstellten. Mit den Schiffen wurden unter anderem Kalksteine nach Buxtehude oder Kohle und Öl nach Stade geliefert. Und damit die Güter ihr Ziel auch sicher erreichten, wurde ein Netz von Leuchttürmen installiert, das noch heute weithin sichtbar ist und die Landschaft prägt. Und was es sonst noch alles zwischen Elbe und Oste zu entdecken gibt, wird im Juni in einem Katalog präsentiert.