Bei den “Tagen der Industriekultur“ zum Thema Wasser lässt sich die Metropolregion Hamburg historisch entdecken

Hightech ist heute selbstverständlich. Unsere Zeiten sind rasant. Wir schießen in Metallgefährten über künstliche Beläge durch unnatürliche Landschaften aus Glas und Stahl und überall raucht und knattert es, fliegt und fiept und werkt es, trägt und treibt an - pausenlos - wie eine Maschine.

Die am Wasser liegende Metropole Hamburg ist Teil einer der interessantesten Industrieregionen der Welt, die durch den berühmten Hafen und die maritime Struktur geprägt ist. Dennoch wird Hamburg vor allem als Handelsstadt wahrgenommen. Am Ufer der Elbe, ihren Nebenflüssen und Kanälen reihen sich jedoch Industriedenkmale aneinander, die Hamburgs wirtschaftliche Dimension erst offenbaren und die Stadt mit der regionalen Umgebung zusammenführen. Zwischen Wedel und Lauenburg, Cuxhaven, Ratzeburg, Stade und Scheeßel steht eine Industriegeschichte in die Landschaft geschrieben, die es zu erzählen lohnt.

Erstmals laden vom 19. bis 21. August die "Tage der Industriekultur" mit dem Schwerpunkt "Wasser" dazu ein, den besonderen Charakter der Industrielandschaft an der Elbe, ihren Zuflüssen und vernetzenden Wasserstraßen zu entdecken. Viele der 81 teilnehmenden Denkmale öffnen zum ersten Mal ihre Türen einem breiten Publikum. Leuchttürme und Brücken, Schleusen und Schiffe, Wassermühlen, Kraftwerke, Werften und ganze Hafenanlagen mit all ihren Millionen Tonnen bewegter Geschichte lassen sich besichtigen. Die Entwicklung der regionalen Industrie spiegelt die Arbeitsweisen der jeweiligen Zeit. So unverformbar der Stahl in den Maschinen wirkt, so sehr hat er sich über die Jahrhunderte verändert.

Ein gutes Beispiel dafür ist das Wasser- und Dieselmotorenkraftwerk in Lauenburg von 1921, das bis 1974 - dem Beginn der Atomkraft - in Betrieb war: ein rotes Backsteingebäude im Stil der neuen Sachlichkeit der 20er-Jahre. Das Interieur ist klar strukturiert. Jeder Motor steht unbeweglich auf seinem Platz. Die Zähler und Zeiger der Messgeräte sind akkurat in die Kacheln der Wände eingelassen. Symmetrisch arrangiert wie kunstreiche Ornamente - eine Ästhetik, die den Besucher auf Anhieb fasziniert.

Mit dem Wasser des Elbe-Lübeck-Kanals trieb das Kraftwerk eine Tribüne zur Stromerzeugung an. Die Leistung betrug knapp 70 Kilowatt - das ist heute nicht viel - "Ihr Auto hat mehr PS", sagt Werner Büker, technischer Leiter der Hitzler-Werft in Lauenburg, die an den "Tagen der Industriekultur" auch besichtigt werden kann. Kurz nach der Kraftwerkeröffnung stieg der Energiebedarf in der Region so stark an, dass es 1926 um vier Maschinensätze von der Stadt erweitert wurde. Schwarze Ungetüme mit unzähligen Rädern und Leitungen - diese Motoren sind so groß wie ein Kleintransporter. Ein zeitgenössisches Motorenäquivalent dieser Leistungskraft findet sich heute in jedem Sportflitzer. "Wir versuchen, einen alten Motor wieder ans Laufen zu bringen", so Büker. "Denn wer kennt so etwas heute noch von innen und weiß, wie ein Kolben aussieht?"

Die "Tage der Industriekultur" vermitteln anschaulich, wie die Industrien aussehen, die zu unserem heute so hoch technisierten Leben geführt haben. Auch wenn uns heute die Technik als selbstverständlich erscheint, hat die Industrie über Jahrzehnte eine Entwicklung durchlaufen. Und dazu gehören die Vorstufen heutiger Errungenschaften: die Maschinen, die heute etwa unsere Autos transportieren, die Kräne, die unsere Häuser errichten, die Werften, die mit dem Bau der Schiffe die Welt zusammenrücken ließen.

Nicht ohne Grund wird die Hansestadt Hamburg als "Tor zur Welt" bezeichnet. Davon erzählt insbesondere das Hafenmuseum. Mitten im Hamburger Hafen unterhält es ein Ensemble für den klassischen Stückgutumschlag mit Schiffen und Eisenbahn, Van Carrier, Schuppen und Kränen, das die traditionelle Hafenarbeit erklärt, bevor die Einführung des Containers Ende der 60er-Jahre die Arbeit veränderte. Die Schiffe und Schuppen (Lagerhallen) waren auf einmal zu klein und so wurde die Hafenlandschaft in ihren Grundfesten erneuert. Im Hafenmuseum werden Vergangenheit und Gegenwart in Relation zueinander gesetzt, die Veränderungen sind an den Exponaten ablesbar.

Etwa am dampfbetriebenen, Schlick pumpenden "Sauger IV" von 1909 oder dem hölzernen Frachtewer "Hermann", der einer sehr frühen Generation von Frachtschiffen entspringt. Auch das begehbare Frachtschiff "Bleichen" ist im Vergleich zu den riesigen Containerschiffen, denen man vom Elbstrand in die Ferne nachschauen kann, ein Winzling; ein stummer Zeitzeuge, den interessierte Besucher von oben bis unten besichtigen können. Den ölig riechenden Maschinenraum, die Ingenieursmesse (Aufenthaltsraum), in deren Innern sich ehemalige Seefahrer noch heute zum Erinnerungsaustausch treffen, oder den künstlerisch bespielten Stauraum mit seiner besonderen Akustik.

Im Schuppen am Hafen befinden sich rund 10 000 Exponate, die die Entwicklung der Hamburger Schifffahrt und Hafenarbeit anhand der Themen "Umschlag", "Revierschifffahrt" und "Schiffbau" erzählen. Vor allem Letzterer wird bei den "Tagen der Industriekultur" im Mittelpunkt stehen. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gehörten die unzähligen Hamburger Werften zu den innovativsten der Welt und der Schiffsbau zum wichtigsten Industriezweig der Stadt.

Heute ist davon nichts mehr zu spüren, denn der Öffnung des Marktes in internationale Gewässer fiel der deutsche Schiffsbau zum Opfer. Gebaut wird jetzt woanders. Die Geschichte der Industrie ist eben auch eingebettet in das Weltgeschehen. Der Stahl vergangener Zeiten wiegt nicht nur schwer und dient der Freude spezialisierter Historiker und Technikfreaks: Die "Tage der Industriekultur" bieten kleinen und großen Besuchern eine attraktive Möglichkeit, die Mannigfaltigkeit der Metropolregion Hamburg im Rahmen eines Familienausflugs zu entdecken.

Auf dem Deck der "Bleichen" beim Freiluftkino zum Beispiel. Oder bei einer Fahrradtour zwischen Flussufer und Rapsfeldern. Entlang der Radrouten steht eine Vielzahl Denkmäler, die sich an der Elbe oder der Nordseeküste entlangziehen. Auf diese Weise erhalten die Maschinen, die sich unter dem Prinzip der Effizienz und Geschwindigkeit ja stetig weiterentwickelt haben, auf einmal einen ganz neuen Erlebniswert: den der Entschleunigung.