Trotz der guten Wirtschaftslage gibt es im Kreis Stade überdurchschnittlich viele Menschen, die lange Zeit Hartz IV beziehen.

Stade/Buxtehude. Trotz besonders guter Arbeitsmarktdaten bleiben Hartz IV-Empfänger im Landkreis Stade überdurchschnittlich häufig langzeitarbeitslos. Das geht aus einem aktuellen, bundesweiten Vergleich der Jobcenter hervor, die das Bundesarbeitsministerium jetzt veröffentlicht hat.

Der Vergleich ist auf einer eigens eingerichteten Informationsplattform im Internet einsehbar. "Transparenz und eine Messbarkeit der Erfolge" solle das neue System schaffen, sagt dazu Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen.

Auf der Internetplattform wird die Arbeit der Jobcenter in drei Bereichen verglichen: "Verringerung der Hilfebedürftigkeit", "Verbesserung der Integration in Erwerbstätigkeit" und "Vermeidung von Langzeitarbeitslosigkeit". Dabei werden die Leistungen zwischen Januar 2010 und Januar 2011 bewertet.

Damit der Vergleich fair ist und sich nicht etwa ein Jobcenter in der Uckermark mit einem in München messen muss, haben die Statistiker die Bereiche der Jobcenter in zwölf Kategorien eingeteilt. Das Stader Jobcenter befindet sich in der Kategorie 6, die für "ländliche Gebiete in Westdeutschland mit durchschnittlichen Rahmenbedingungen" steht. In dieser Kategorie befinden sich auch die Landkreise Harburg und Lüneburg.

Der Vergleich in Kategorie 6 ergibt, dass das Stader Jobcenter in einigen Bereichen über bessere Zahlen als der Durchschnitt verfügt. So ist etwa die "Zahl der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen" in dem Vergleichsjahr stärker gesunken als anderswo. Gleichzeitig liegt das Stader Jobcenter aber bei der Vermeidung von Langzeitarbeitslosigkeit durchgehend hinter dem Durchschnitt - sowohl in der Kategorie 6, als auch im Vergleich mit ganz Niedersachsen und der ganzen Bundesrepublik. Die "Integrationsquote der Alleinerziehenden" ist deutlich schlechter als etwa im Landkreis Harburg. Es gibt bei den Langzeitarbeitslosen im Stader Bereich kaum Zugänge, aber auch sehr wenige Abgänge. Als Langzeitarbeitsloser gilt, wer in den vergangenen zwei Jahren mindestens 21 Monate lang Hilfe bezogen hat. Die Daten sprechen dafür, dass sich in dieser Gruppe im Landkreis Stade besonders wenig tut.

"Das Bild spricht für eine verfestigte Langzeitarbeitslosigkeit", sagt auch Ilona Mirtschin, Sprecherin der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. Eine weitere Zahl belegt diese Einschätzung. Laut Ilona Mirtschin sind im Landkreis Stade 68 Prozent der Hartz IV-Bezieher langzeitarbeitslos. Niedersachsenweit liegt die Quote bei 65 Prozent, im Landkreis Harburg sogar nur bei 61 Prozent.

Friedhelm Keiser, Geschäftsführer des Stader Jobcenters, bestätigt Ilona Mirtschins Einschätzung. "Eine Tendenz zur Verfestigung kann man nicht verneinen", sagt er.

Warum aber ist das Problem im Landkreis Stade größer als anderswo - wo der Landkreis doch überdurchschnittlich gute Arbeitsmarktdaten hat? Bei 6,2 Prozent liegt die aktuelle Arbeitslosenquote, niedersachsenweit liegt sie bei 6,8 Prozent. In Deutschland liegt sie bei 7 Prozent. "Der Arbeitsmarkt saugt zuerst die Fachkräfte auf. Da fehlen bei unseren Leuten ganz häufig die Qualifikationen", sagt Friedhelm Keiser.

Eine Erklärung dafür, warum das Problem im Landkreis so ausgeprägt ist, hat er aber nicht. Er verweist darauf, dass das Kennzahlensystem, das auf der Internet-Plattform eingesetzt wird, ganz neu ist. Das Jobcenter müsse sich noch einarbeiten.

Die Hauptprobleme, die zu Langzeitarbeitslosigkeit führen, sind indes bekannt. "Es handelt sich in ganz vielen Fällen um Leute ohne Berufsausbildung, ohne Schulabschluss. Manche haben auch andere Hemmnisse, wie Drogenabhängigkeit oder Überschuldung", sagt Friedhelm Keiser. "Kunden mit Unterstützungsprofil" heißt die interne Bezeichnung für diese Klientel. Rund 15 Prozent der Jobcenter-Kunden seinen solche Fälle, niedersachsenweit liege die Quote genauso hoch. Hauptaufgabe sei es bei diesen Kunden, erst einmal die Hemmnisse zu beseitigen.

In handwerklichen Berufen sind viele Stellen offen

Die andere Seite des regionalen Arbeitsmarktes ist der Fachkräftemangel. Der Wirtschaft im Landkreis Stade geht es gut - so gut, dass Unternehmen Probleme haben, offene Stellen zu besetzen. "Wir spüren den Fachkräftebedarf", bestätigt Jens Mathias, operativer Geschäftsführer der Stader Arbeitsagentur. Besonders gefragt seien Mechaniker, Schlosser und Elektriker. Weiterhin gebe es offene Stellen im Hotel- und Gaststättengewerbe, sowie im Verkauf. Nicht zuletzt würden auch Maurer und Berufskraftfahrer gesucht werden.

Auf der einen Seite der Mangel - auf der anderen Seite Menschen, die oft schon seit Jahren arbeitslos sind. Lassen sich diese beiden Welten nicht zusammenführen?

Jens Mathias sagt dazu, dass es sich bei Langzeitarbeitslosen häufig um Menschen handele, die "deutlich vom Arbeitsmarkt entfernt sind", etwa was Zuverlässigkeit anbetreffe. Branchen wie das Hotel- und Gaststättengewerbe würden aber absolut zuverlässige, gut qualifizierte Leute benötigen. Zudem sei auch für Berufe wie Kraftfahrer eine zweieinhalbjährige Ausbildung nötig. Die würde aber bestimmte Langzeitarbeitslose überfordern.

Versuche, auch schwierigere Fälle wieder in Arbeit zu bringen, gibt es dennoch. Friedhelm Keiser nennt ein Programm für Langzeitarbeitslose im Bereich der Offshore-Windenergie. Um in einem Windpark bei Cuxhaven arbeiten zu können, werden die Jobcenter-Kunden zu Betonbauern und Schweißern ausgebildet.

Ein neuer Weg, Langzeitarbeitslosen eine Berufsausbildung zu ermöglichen, ist die "Modularisierung". Damit ist die Zerlegung herkömmlicher Ausbildungsgänge in kürzere Abschnitte gemeint. Langzeitarbeitslose werden einige Wochen an einen Job herangeführt, bei Erfolg geht es weiter. Das Modell gibt es bereits für Lager- und Logistikfachkräfte, seit neuestem wird es auch für Berufskraftfahrer angeboten.

Wenige Angebote zur Kinderbetreuung als Hemmnis für Neueinstellungen

Auch dem Problem, dass Alleinerziehende nur sehr schwer neue Jobs finden, will man beikommen. Laut Friedhelm Keiser wird im Jobcenter jetzt darüber nachgedacht, auch "an die Betriebe heran zu gehen."

Womöglich liegen die entscheidenden Faktoren aber woanders. Laut Ilona Mirtschin könnte der Vergleich mit dem Landkreis Harburg bedeuten, dass dieser bessere Möglichkeiten der Kinderbetreuung bietet.

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