Nach dem Dioxinskandal ist der Ruf der Landwirtschaft stark angekratzt. Zu unrecht, findet der Verbandspräsident.

Hammah. Der Skandal um mit Dioxin belastetes Futtermittel, der die Bundesrepublik zu Beginn des Jahres erschütterte, ist nicht ohne Auswirkungen auf die Landwirtschaft geblieben. Das Image der Landwirte hat unter der Krise deutlich gelitten, die Sorgenfalten der Landwirte, sie sind größer geworden. Und das schmeckt dem Präsidenten des Deutschen Bauernverbands, Gerd Sonnleitner, gar nicht. Für die Landwirte stellt sich nun die Frage, wie sie ihr angeschlagenes Image wieder verbessern können. Das werde, so glaubt Sonnleitner, nicht leicht. Und das, obgleich die Landwirte am Dioxinskandal gar nicht schuld seien.

"Der Auslöser des Skandals war der kriminelle Betrug, an dem die Medien zu Recht Interesse zeigten. Wir müssen akzeptieren, dass in unserer heutigen Medienwelt unsere Themen rund um Lebensmittel, Umwelt- und Tierschutz auf besonderes Interesse bei unseren Mitbürgern stoßen. Vor allem, wenn etwas schief gelaufen ist", sagt Sonnleitner. Die etwa 300 Landwirte, die sich in Hammah zur Sitzung des Kreisbauernverbands versammelt haben, nicken zustimmend mit dem Kopf.

Das Veterinäramt im Kreis Stade gab nach kurzer Zeit Entwarnung

Sie waren in der Öffentlichkeit unter Verdacht geraten, mit Dioxin belastetes Futtermittel an ihre Tiere verfüttert zu haben. Kurze Zeit später gab das Veterinäramt die Entwarnung: Alles ist sauber, die Landwirte im Kreis Stade haben keine Fehler begangen, die Sicherheitskette hat funktioniert.

Die Frage, ob die Landwirte überhaupt wussten, dass mechanische Fette für das Tierfutter, das an Hühner und Schweine verabreicht wurde, verwendet wurde, das interessierte viele Bürger nicht. In Talk-Shows wurde nach Schuldigen gesucht, Politiker forderten sofort strengere Kontrollmechanismen für die Landwirtschaft. Es war die wilde, unkontrollierte Agitation, die im Januar losbrach.

"Es ist klar, dass Skandale jeden berühren und schnell emotionalisieren, vor allem wenn es um die Ernährung geht", sagt Sonnleitner. Zunächst seien die Bauern in den Medien als Opfer, nicht als Täter dargestellt worden. Und das sei richtig gewesen. "Als jedoch bekannt wurde, dass innerhalb der Kette zwei weitere Empfänger dioxinhaltigen Futtermittels vertuscht hatten und damit auch gegen Grundsätze erfolgreichen Krisenmanagements verstoßen hatten, drehte sich die öffentliche Meinung". Viele Umweltverbände hätten den Skandal dann für ihre politischen Ziele genutzt, so der Bauernpräsident.

Rückendeckung erhält Sonnleitner von Stades Landrat Michael Roesberg. "Die Diskussionen über die Landwirtschaft sind nicht zu verharmlosen, es darf aber nicht alles über einen Kamm geschert werden", sagt Roesberg. Und das sei im Januar geschehen. Es werde immer schwarze Schafe unter den Landwirten geben. Das wissen sowohl der Landrat als auch der Bauernverbandspräsident. "Aber dennoch darf der Landwirtschaft nicht einfach so die Verantwortung über Tiere und Futterpflanzen abgesprochen werden", sagt der Landrat. Die Worte sind Balsam auf die angeschlagene Seele der Landwirte im Saal. Es gibt spontan Beifall - auch von Sonnleitner.

Wie gut ist aber die Landwirtschaft? Sonnenleitner verweist auf die immer neuen Verordnungen bei der EU. Die würden oft verabschiedet werden, um die Standards in den Ländern der EU auf das deutsche Niveau zu bringen. "Aber das vermitteln wir nicht", sagt Sonnleitner. "Und dann denken die Leute, die Landwirtschaft in Deutschland hat Defizite in der Tierhaltung." Dass die Käfighaltung bei den Legehennen abgeschafft wurde, sei vor allem ein Verdienst der Landwirte. "Aber was nützt uns das, wenn, jedes zweite Ei in Deutschland aus dem Ausland aus der Käfighaltung stammt? Gar nichts", sagt Sonnleitner. Er spricht sich für harte Gesetze, auch zum Tierschutz, in der Landwirtschaft aus. Aber diese Gesetze dürften nicht an den Landes- oder EU-Grenzen enden.

Und dann gebe es da noch die Nackenschläge der Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU). Auf die ist der Bauernpräsident nicht gut zu sprechen. "Es ärgert mich ungemein, wenn einige Politiker, wie zuletzt Frau Aigner, wieder einmal in der hochsensiblen Tierschutzdebatte populistisch Salto schlagen müssen", so Sonnleitner. Die Landwirte hätten ein ureigenes Interesse, ihre Tiere gut zu behandeln, denn ein wirtschaftliches Überleben sei nicht möglich, wenn es den Tieren nicht gut gehe. "Deshalb haben wird für Legenhennen, Mastgeflügel, Mastschweine, Milchkühe und Rinder unsere Haltungsverfahren immer weiterentwickelt. Und ich glaube, nicht zum Nachteil der uns anvertrauten Nutztiere."

Bauern müssten Chance zum wirtschaftlichen Wachstum haben

Das gelte auch bei Massentierhaltungen, wie aktuell in Hedendorf, wo Bürger gegen die Erweiterung der Hähnchenmastställe protestieren. Doch viele Bürger und Verbände hätten schlichtweg falsche Vorstellungen davon, was in den Ställen vor sich gehe. Und den Bauern dürfe, so der Präsident und auch Roesberg, nicht die Chance zum wirtschaftlichen Wachstum untersagt werden. Es gebe, so Roesberg, keinen triftigen Grund, allen Wirtschaftszweigen Wachstumsmöglichkeiten zu bieten, der Landwirtschaft aber nicht.

Haben sich die Bürger von der Landwirtschaft entfremdet? Zumindest, so Sonnleitner, hätten viele noch ein romantisches Bild des kleinen Bauernhofes mit zwei Kühen, zehn Hühnern und drei Schweinen vor Augen. Ein klischeehaftes Bild, von dem die moderne Landwirtschaft weit entfernt ist. Es sei ein hartes Geschäft. Doch das, so Sonnleitner, hätten die Landwirte den Bürgern bisher nicht überzeugend vermitteln können. "Und das müssen wir dringend ändern, wenn wir nicht ständig angegriffen werden wollen."