Bauern leiden unter Absatzminus. In Hamburg bisher keine Dioxin-Belastung festgestellt. Staatsanwaltschaft sucht Schuldige des Futtermittelskandals

Hamburg. Bei den Eiern ist der Wurm drin, wenn auch nur im übertragenen Sinn. Sie türmen sich bei Heiko Soll noch auf dem Tresen, als die anderen Händler des Altonaer Wochenmarkts schon längst ihre Stände abbauen. Auch ein Stapel grüner Eierkartons wartet im Regal - allzu viele hat Soll davon nicht gebraucht. "Die Leute kaufen nur sehr wenig, viele sind besorgt", sagt der Hamburger. An normalen Markttagen setze er etwa 1500 Eier ab - gestern, nachdem öffentlich vor der Dioxin-Gefahr in Eiern, Schweine- und Putenfleisch gewarnt wurde, war es nur ein Drittel. "Dabei kaufe ich bei Bauernhöfen im Landkreis Lüchow-Dannenberg ein, die vom Verkaufsverbot nicht betroffen sind und zum Teil ihr Futter sogar selbst anbauen", klagt Soll.

Die Verunsicherung der Verbraucher ist offenbar größer als die Lust aufs Frühstücksei. Kein Wunder: Der Futtermittelskandal weitet sich auf immer mehr Bundesländer aus. Zu 1000 vom Verkaufsverbot betroffenen Höfen im Agrarland Niedersachsen kamen gestern 51 Schweinemäster in Schleswig-Holstein, 139 Betriebe in Nordrhein-Westfalen, 27 in Sachsen-Anhalt und sechs in Mecklenburg-Vorpommern.

Hamburger Bauern haben kein belastetes Futter erhalten

Die Hamburger Landwirte können nach Angaben des regionalen Bauernverbands vorerst aufatmen. "Nach meinem momentanen Kenntnisstand hat kein Hamburger Betrieb belastetes Futter bezogen", sagte Bauernpräsident Heinz Behrmann dem Abendblatt. Die Ausnahme - ein Hof mit einem einzigen Schwein, der laut der Hamburger Gesundheitsbehörde betroffen ist - dürfte wirtschaftlich unbedeutend sein. Ohnehin gibt es nur sehr wenige Schweinemäster oder größere Eierproduzenten im Stadtgebiet. Letztere bekommen laut Behrmann aber die Kaufzurückhaltung von Verbrauchern und Handelsketten zu spüren. Auch die Marktberichterstattungsstelle MEG berichtet, der Verkauf von Eiern sei "spürbar" gesunken. Das gelte auch für den Preis, den Händler derzeit erzielen.

In Hamburg sind nach Erkenntnissen der Gesundheits- und Verbraucherbehörde bislang keine mit Dioxin verunreinigten Lebensmittel aufgetaucht. "Sofern Hamburg von Lieferungen mit belasteten Lebensmitteln betroffen ist, werden uns die übrigen Bundesländer informieren", sagte Behördensprecher Rico Schmidt dem Abendblatt. "Dies ist bislang nicht geschehen." Auch der bundesweite Lebensmitteleinzelhandel sieht keinen Grund, große Mengen an Eiern oder Fleisch aus den Geschäften zu holen. "Eine akute Gesundheitsgefahr besteht nicht. Deswegen ziehen die Unternehmen auch nicht flächendeckend Ware aus dem Verkehr", hieß es beim Handelsverband HDE. Großketten wie Edeka und Rewe hatten mitgeteilt, bislang nicht von dioxinverseuchten Geflügelprodukten betroffen zu sein. "Wenn Lieferanten mit Belastungen bekannt werden sollten, ziehen wir aber sicherlich einige Chargen zurück", erklärte der HDE.

Momentan schließen Lebensmittelexperten aus, dass von Eiprodukten wie Nudeln oder Backwaren Gefahr ausgeht. Bei Eiern in Kuchen etwa sei die Verdünnung so groß, "dass man sagt, wir können es vernachlässigen", sagte Martin Müller, Chef des Bundesverbands der Lebensmittelkontrolleure. Sollten jedoch Eier mit höherem Dioxin-Gehalt auftauchen als der bisher gemessene, dann gerieten auch die Eiprodukte in das Visier der Kontrolleure.

Unterdessen geht die Suche nach den Verantwortlichen weiter. Die Staatsanwaltschaft durchsuchte gestern in einer dreistündigen Razzia den Hauptsitz des Uetersener Futtermittelherstellers Harles und Jentzsch sowie eine Tochterfirma im niedersächsischen Bösel. "Wir haben umfangreiches Beweismaterial sichergestellt, darunter Rechungen und Lieferscheine", sagte der Itzehoer Oberstaatsanwalt Ralph Döpper. Dem Geschäftsführer der Spedition wird vorgeworfen, an Verstößen gegen das Lebensmittelgesetzbuch durch Lagerung und Verarbeitung dioxinhaltiger Futtermittelfette beteiligt zu sein. Die Sichtung der Unterlagen werden laut Staatsanwaltschaft einige Tage in Anspruch nehmen.

Wer so lange nicht auf sein Frühstücksei verzichten will, muss auf Bioeier umsteigen - im Ökobereich dürfen die Fette wie die verseuchten nicht verwendet werden. Ein kleines Trostpflaster für Markthändler Heiko Soll: Die Nachfrage nach den teureren Bioprodukten ist deutlich gestiegen.