Neue Energien sind das Gebot der Stunde. Doch sie bringen nicht nur neue Chancen, sondern auch neuen Ärger mit sich

Stade/Buxtehude. Grün ist die Farbe der Saison, ließe sich etwas flapsig sagen - wenn der Hintergrund nicht so ernst wäre. Denn nichts Geringeres als die Ereignisse in Japan sind es, die derzeit der grünen Partei Wahlsiege bescheren und im konservativen Lager zu einem Umdenken führen. Atommeiler sollen nun doch stillgelegt werden, in einem dreimonatigen Moratorium wird über eine Revision der Laufzeitverlängerung nachgedacht. Wie auch immer dieser Denkprozess enden wird - am Ende wird vermutlich ein deutlich schnellerer Umstieg auf regenerativen Energien stehen.

In einer vierteiligen Serie stellt das Abendblatt von heute an dar, wie weit der Ausbau der erneuerbaren Energien im Landkreis Stade vorangeschritten ist und welche Probleme es gibt. Im ersten Teil geht es um die Windkraft. In diesem Bereich hat sich in der Region viel getan, doch ein altes Problem ist nicht gelöst: Fast jeder ist für die Windkraft - doch fast niemand möchte die Anlagen gerne vor der eigenen Haustür haben.

292,6 Megawatt ist nach Angaben des Landkreises Stade die Nennleistung aller Anlagen, die derzeit zwischen Balje und Buxtehude in Betrieb sind. Zum Vergleich: Das ehemalige Atomkraftwerk Stade verfügte über eine Nennleistung von 650 Megawatt. Vergleicht man diese Daten, lässt sich also bereits ein halbes Atomkraftwerk mit Windkraft ersetzen - allerdings schwankt die tatsächliche Stromerzeugung der Windkraftanlagen wetterbedingt. Ulrich Hemke, Fraktionschef der Grünen im Kreistag, wertet die Zahl dennoch als Erfolg: "In Sachen Windkraft war der Landkreis bisher vorbildlich."

Auch Kreisbaurat Hans-Hermann Bode sagt: "Wir sind landesweit verhältnismäßig weit vorn." Er verweist auf das Regionale Raumordnungsprogramm von 2004. Dort sind Vorgaben der Landesregierung dazu festgehalten, wie viel Strom aus Windenergie kommen soll. 150 Megawatt waren es für den Kreis Stade. Für den Landkreis Cuxhaven sind 300 Megawatt vorgesehen, für die Stadt Wilhelmshaven sind es 30 Megawatt. Der Kreis Stade erreicht mit seinen derzeit 15 Windparks schon fast das Doppelte der damaligen Vorgabe.

Und dieser Wert wird sich nach Einschätzung von Hans-Hermann Bode in Zukunft noch deutlich steigern. Mit einer Modernisierung der Windparks, in der Branche Repowering genannt, könnte nach Bodes Ansicht "über die Jahre mit einer Verdoppelung der Leistung" gerechnet werden. Ein Repowering ist zurzeit für dem Ahlerstedter Bürgerwindpark geplant, in Deinste hat es entsprechende Vorgespräche gegeben. Längerfristig stehen die Modernisierungen laut Hans-Hermann Bode für alle Windparks an.

"Repowering" ist auch das Zauberwort, auf das Ulrich Hemke setzt. Seiner Meinung nach ist es "zurzeit eher nicht machbar", neue Zonen für Windparks auszuweisen. Wohl aber könnten in den vorhandenen Parks alte Anlagen abgerissen und neue, leistungsfähigere gebaut werden. Der Landkreis wird dafür wohl noch in diesem Jahr die Voraussetzungen schaffen. Höhenbeschränkungen zwischen 100 und 150 Metern für neue Anlagen, die jetzt noch festgeschrieben sind, werden nach Aussage von Hans-Hermann Bode voraussichtlich ganz wegfallen.

Größere und leistungsstärkere Windräder anstelle der alten - ist dies das geeignete Mittel, um den Landkreis auszurüsten für das Zeitalter der Öko-Energien? Nicht überall wird das so gesehen. Das geplante Repowering des Ahlerstedter Windparks etwa sorgte für heftige Kontroversen in der Nachbargemeinde Wohnste, wo ebenfalls einige der Anlagen stehen sollen. Gegen das Vorhaben, mehrere neue, 150 Meter hohe Anlagen zu errichten, gründete sich im vergangenen Jahr sogar eine Bürgerinitiative. Der Grund: Drei Anlagen, die vom Bautyp ähnlich sind, stehen bereits auf Wohnster Gebiet. Und diese rauben manchen Anwohnern den Schlaf - so zumindest die Darstellung von Michael Schreiner, dem Sprecher der Initiative. "Etwa alle zwei Wochen, wenn der Wind ungünstig steht, werden wir von den Anlagen geweckt", sagt Schreiner. Außerdem sorgt er sich darum, dass die Grundstückspreise sinken könnten.

Im Falle des Repowerings sind die Würfel dennoch gefallen. Kürzlich stimmten die Gemeinderäte in Ahlerstedt und Wohnste mit großer Mehrheit dafür. Bei einer Bürgerbefragung in Wohnste hatte sich zuvor eine Mehrheit für das Repowering ausgesprochen - darunter auch jene Landbesitzer, die von höheren Einnahmen des Windparks profitieren. Michael Schreiner will sich nun dafür einsetzen, dass sich die Bedingungen für die Anwohner verbessern. Regelmäßige Schallmessungen und ein zeitweise verlangsamter Betrieb könnte ein Kompromiss sein, laut Schreiner gibt es Anzeichen, dass er zustande kommen könnte. Zum Thema Windkraft sagt er: "Ich nicht dagegen, auf keinen Fall. Aber die Anlagen sollten da stehen, wo sie keinen belästigen. Zum Beispiel im Hamburger Hafen."

Morgen geht es um Biogas-Anlagen in der Region