Die Zahl der Photovoltaikanlagen auf den Dächern nimmt rasant zu. Doch bei Feuer haben Einsatzkräfte kaum eine Chance

Stade/Buxtehude. Während die Lage um das Atomkraftwerk im japanischen Fukushima immer dramatischer wird, werden bundesweit die Rufe nach dem Atomausstieg lauter. Die erneuerbaren Energien rücken in den Fokus. Der Umstieg auf die Stromproduktion mit Wind, Biomasse oder Sonne wird vermutlich schneller vollzogen als bisher geplant. Deshalb stellt das Abendblatt in einer Serie vor, wie weit der Ausbau der grünen Stromgewinnung im Landkreis Stade ist und welche Probleme es gibt. Heute geht es um Energie aus der Sonnenkraft.

Wie viele Anlangen die Dächer des in der Region zieren, kann der Landkreis Stade allerdings nicht sagen. Das liegt daran, dass Solar- und Photovoltaikanlagen nicht genehmigungspflichtig sind. Doch die Nachfrage steigt enorm. Zwischen Oktober 2009 und September 2010 wurden bundesweit Photovoltaikanlagen mit einer Leistung von mehr als 7,7 Gigawatt installiert.

Im selben Zeitraum wurden in Niedersachsen Anlagen mit einer potenziellen Gesamtleistung von 837 Megawatt installiert. Zum Vergleich: das ehemalige Atomkraftwerk in Stade hatte eine Nennleistung von 650 Megawatt, die wurden allerdings auch erreicht, wenn die Sonne nicht schien. Photovoltaikanlagen sind unumstritten, weil sie weder stinken noch laut sind oder die Landschaft optisch verunstalten.

Wer sein Dach mit einer Photovoltaikanlage ausstatten will, kann dies nahezu problemlos tun. Etwa 3000 bis 3500 Euro müssen pro Kilowattstunde Leistung zunächst investiert werden. Eine Anlage auf dem Dach eines Einfamilienhauses kann durchschnittlich zwischen drei und sechs Kilowatt leisten. "Die Nachfrage steigt enorm", sagt Johannes Schliecker, Solaranlagenbauer aus Horneburg.

Allerdings sind Photovoltaikanlagen nicht ganz ungefährlich. Wenn es brennt, hat die Feuerwehr kaum eine Chance. Vollkommen machtlos sind die Einsatzkräfte jedoch nicht. "Wir können löschen", sagt Stades Kreisbrandmeister Gerhard Moldenhauer. Sowohl ein Innenangriff aus dem Haus als auch ein Außenangriff seien möglich, ergänzt er. Allerdings müssten die Einsatzkräfte dabei spezielle Sicherheitsvorschriften einhalten.

Die Brandbekämpfung sei schwieriger, weil mehr beachtet werden müsste, so Moldenhauer. Wegen der Sicherheitsmaßnahmen könnten die Einsatzkräfte beim Löschen nicht ganz so schnell sein, räumt er ein.

Das Problem bei Photovoltaikanlagen ist die ständige Produktion von Strom. "Wir können den Strom nicht abschalten", sagt Moldenhauer. Die einzelnen Module der Anlage werden in Reihe geschaltet und können von der Feuerwehr auch nicht voneinander getrennt werden. Die Anlagen liefern Gleichstrom mit einer Stärke von bis zu 1000 Volt, solange ausreichend Licht auf die Module fällt. Selbst nachts seien die Feuerwehrleute nicht sicher. "Bei Dunkelheit können wir schließlich auch nicht löschen", sagt Moldenhauer. Das Licht von Scheinwerfern reiche nach Aussage des Kreisbrandmeisters aus, damit die Anlage Strom produziert.

Abschalten lassen sich die Anlagen nicht. Selbst wenn die Hauptsicherung gezogen oder der Hauptschalter umgelegt ist, führen die Module den bis zu 1000 Volt starken Gleichstrom zu sogenannten Wechselrichtern im Keller. Seit 2006 gibt es sogenannte Gleichstrom-Freischaltstellen, die im Notfall von der Feuerwehr ausgeschaltet werden können. Bis dahin führen die Leitungen und Bauteile der Photovoltaikanlage allerdings immer elektrische Spannung. Doch auch daran werde bereits gearbeitet.

Ende dieses Jahres soll eine neue Technologie vorgestellt werden, sagt Solaranlagenbauer Andreas Schliecker, Junior-Chef vom gleichnamigen Elektro-Fachhandel in Horneburg. Mit dieser neuen Technik sollen künftig die kompletten Module stromlos sein.

Die Feuerwehr könne dann einfach einen Notausschalter am Wechselrichter betätigen. Die neue Technik werde zwar etwas teurer sein, sei aber absolut sinnvoll, sagt Senior-Chef Johannes Schliecker. Mehr Sicherheit würde nicht nur für die Feuerwehrleute im Einsatz gewährleistet, sondern auch für die Monteure, weil die Module bei der Auslieferung ohne Spannung sind.

Bestehende Photovoltaikanlagen können zwar nicht mehr umgerüstet werden, doch für die Feuerwehr ist die neue Technik eine enorme Erleichterung. Dennoch gibt es auch eine zweite Gefahr, die bei einem Feuer von Photovoltaikanlagen ausgeht. Die Module seien lediglich zusätzliche Platten, die auf dem Dach befestigt werden und bei Hitze von unten extrem absturzgefährdet, sagt Kreisbrandmeister Moldenhauer. Ein einzelnes Modul wiegt zwischen 15 und 20 Kilogramm, bei einem Absturz kann es für die Einsatzkräfte lebensgefährlich werden.

Das größte Problem dabei ist der unmittelbare Absturz der Anlage. "Holz kündigt zum Beispiel mit Knacken und Knarren an, bevor es abstürzt, Photovoltaikanlagen stürzen einfach ab", sagt Moldenhauer. Weil mit einer Solaranlage die Dachlast erhöht wird, würden die Einsatzkräfte zudem wegen Einsturzgefahr früher die Flucht ergreifen, sagt der Kreisbrandmeister.

Bislang gab es im Landkreis Stade noch kein Feuer in einem Gebäude mit Photovoltaikanlagen auf dem Dach. Allerdings sind alle Fahrzeuge der 92 Stader Ortsfeuerwehren mit kurzen, übersichtlichen und klaren Handlungsempfehlungen zum Thema Photovoltaikanlagen ausgestattet.

Wie gut sich die Feuerwehr mit diesem Thema auseinandersetzt, weiß auch Hans-Jürgen Werner. Der Spargelbauer aus Deinste hat vor zwei Jahren sechs Hallendächer mit einer Gesamtfläche von 6300 Quadratmetern mit Photovoltaikanlagen ausgestattet. Die örtliche Feuerwehr hat gemeinsam mit dem Anlagenhersteller ein Seminar auf dem Deinster Betrieb absolviert. Nicht nur deshalb bleibt der Spargelbauer trotz der Gefahren gelassen. "Ich denke, es ist handlebar", sagt Werner. Außerdem gebe es ja auch keine Gefahren, wenn es nicht brennt. Und schließlich habe es auf seinem Hof seit mehr als 100 Jahren nicht mehr gebrannt.

Lesen Sie morgen ein Interview mit dem Experten Wilhelm von Elling über den Stand der erneuerbaren Energien im Landkreis Stade