Zehn Hobbyautoren schrieben im Zuge eines Wettbewerbs Anekdoten, Gedichte und Berichte über ihre Düpenaustadt. Das ist dabei herausgekommen.

Schenefeld. Wer hätte geahnt, dass vor einer halben Ewigkeit Jürgen Drews vor der Tür eines kleinen Schenefelder Hotels stand und dort nicht übernachten durfte? Es ist eine der vielen Anekdoten, die der Schreibwettbewerb zum 40-jährigen Bestehen der Stadtrechte zutage spülte. Die SPD-Ortsgruppe hatte Nachwuchsautoren gebeten, Geschichten rund um die Düpenaustadt einzusenden. Zehn Autoren machten mit. Darunter auch Uta Gutsche, geborene Ostermann. Sie erinnert in ihrem Beitrag an die Zeit, als ihre Familie noch das kleine Hotel an der Friedrich-Ebert-Allee betrieb. Eben das Hotel, dessen Zimmer alle belegt waren, als Schlagersänger Drews an der Tür klopfte und abgewiesen wurde. Unter den Autoren ist auch Jutta Walther. Die 70-Jährige verfasste eines Liebesbrief an ihre Heimatstadt. Aus Trotz. Denn sie kann das viele Gemecker gerade von Schenefeldern ihres Alters über die Zustände in der Stadt nicht mehr ertragen. Zehn Autoren, zehn Blickwinkel: Das Abendblatt veröffentlicht Auszüge aus den kreativen Beiträgen.

+++ Wie Schenefeld zum TOR WART +++

Geschichte eines Hotels

Karin und Günter Ostermann eröffneten im Februar 1976 das Gästehaus Ostermann. Das Doppelzimmer kostete 36 Mark, das Einzelzimmer 20 Mark mit Frühstück. Die modern eingerichteten Zimmer verfügten über Dusche, Bad, WC, Selbstwähltelefon, Minibar, Weckradio und andere Extras. Auf Wunsch gab es auch einen Fernseher. Geöffnet war von 6.30 Uhr bis 23 Uhr, Ausnahme möglich. Gäste schätzten unsere Flexibilität. So war es kein Problem, wenn jemand Hunde oder einen Affen mitbrachte. Interessant war das Geschäft allemal und international dazu. Stars die im Cobra Club an der Friedrich-Ebert-Allee auftraten, übernachten hier. Showstars wie Frank Zander, Michael Holm oder Precious Wilson. Sogar die mexikanische Military-Nationalmannschaft schlief hier (die Telefongebühren waren höher als die Hotelrechnung). Meist bevölkern allerdings Geschäftsleute, von kuwaitischen Goldhändlern bis zum schwedischen Techniker, auf Durchreise die Zimmer. Am 10. Oktober 1990 wurde das Hotel geschlossen.

Uta Gutsche, 47

Standuhr vor dem Rathaus

Vor 40 Jahren sollte Schenefeld Stadt werden. Die ansässigen Unternehmen - der Kontakt untereinander war gut - wollten der Stadt etwas Bleibendes schenken. Die Telefone liefen heiß, Ideen wurden gesammelt. Was fehlt in Schenefeld? Wer die zündende Idee hatte, ist mir nicht mehr bekannt, aber alle waren einverstanden: eine Standuhr für den Rathausplatz. Rechtzeitig zur Feier der Stadtrechtverleihung am 1. Juli 1972 wurde sie aufgestellt. Es war eine Digitaluhr mit großen Ziffern, weithin sichtbar. Die Uhr hat viele Jahre ihren Dienst getan, doch irgendwann tickte sie nicht mehr richtig und eines Tages hatte sie wohl ganz aufgehört. Heute haben wir einen neuen Rathausplatz, aber schon lange keine Uhr mehr.

Ingrid Lässig, 72

Schenefelds Windmühle

Seit alters her nutzen die Menschen die Kraft bewegter Luft - mit Mühlen und Windrädern. Fast jeder Ort hatte eine oder mehrere Windmühlen. Schenefelds Mühle stand am Sülldorfer Weg. Im Jahre 1886 erhielt der in Barmstedt geborene Hans Lohse die Konzession zum Kornmahlen und errichtete eine Holländermühle. Ihre Glanzzeit erlebte die Mühle vor dem ersten Weltkrieg. Ende der 50er-Jahre wurden die Flügel der Sülldorfer Mühle abgenommen und das Innere ausgebaut. Kurz darauf auch der hölzerne Mühlenaufbau abgerissen. Bis heute steht der gemauerte Unterbau der Mühle und dient als Lagerraum. An die Schenefelder Windmühle erinnern die Mühlenstraße, die angrenzende Straße Bi de Windmöl und Mühlenstieg. Der Abriss ist bedauerlich.

Gertrud Meier, 87

Ein prägendes Erlebnis

Prägend für mich war die Aufnahme zweier Jungen aus Luninez in Weißrussland: Sascha und Sergej, beide etwa 13 bis 14 Jahre alt. Luninez, ausgesucht als Partnerstadt Schenefelds, bemühte sich redlich um ihre neue Partnerschaft. Jährlich kamen etwa 30 Kinder mit dem Bus nach Schenefeld, verbrachten vorerst vier Wochen in St. Peter-Ording und eine weitere Woche in einer Familie. Die Teilnehmer meines VHS-Kurses waren alle "luninez-geimpft" und überredeten mich, zwei Jungen - eben Sascha und Sergej - für eine Woche aufzunehmen. Für den guten Willen bekam ich schon einmal vorweg eine Matrjoschka, eine aus Holz gefertigte, bunt bemalte Puppe. Da konnte man nicht nein sagen.

Sascha und Sergej sollten auf dem Dachboden schlafen. Dafür musste die elektrische Eisenbahn meines Mannes Uwe weichen und wurde nun fester Bestandteil des Wohnzimmers. Recht war es Uwe nicht. Unsere Gäste jedoch spielten stundenlang damit.

Dann meine Reise nach Luninez: Wir fuhren mit dem Reisebus die Transitstrecke und übernachteten in Posen/Polen. Mit dabei: Albert Burs als stellvertretender Bürgermeister. Ankunft in Luninez. Wir hielten vor einem Hotel. Unsere Gruppe teilte sich. Die meisten von uns wurden erwartet und abgeholt. Eine kleinere Gruppe wollte im Hotel übernachten.

Mich holte Valentina ab und nahm mich mit nach Hause. Sie wohnte mit ihrem Mann im Hochhaus. Es war schon spät, und die Dunkelheit brach ein. Die Beleuchtung war überall spärlich. Die Hochhäuser hatten jeweils nur eine Lampe am Eingang, das Treppenhaus musste man sich ertasten. Ebenso die Straßen, die auch noch reichlich Schlaglöcher hatten. Kein Problem: Die Autos fuhren Slalom, immer um die Schlaglöcher herum.

Einmal war ich bei Sascha, dann bei der Familie von Sergej. Sergej hatte gerade Besuch von seinem Freund und wollte auch für ihn den Tisch decken. Die Mutter erlaubte es nicht. Denn was sie an Brot, Gurken und Tomaten noch hatte, musste noch lange reichen. Hier denkt man einmal mehr über das Wort Armut nach.

Elke Wedemann, 71

Der schwarze Mann

Winter 2011 in Schenefeld. Wir wohnen noch nicht lange hier, zunächst haben wir eine Mietwohnung gehabt und jetzt eine passende eigene Wohnung gefunden, mit viel Liebe renoviert, und sind umgezogen. Nach dem Umzugsstress führt mich, jung gebliebener Rentner, mein morgendlicher Weg ins Stadtzentrum von Schenefeld. Von unserer Wohnung in der Blankeneser Chaussee geht es zur Hauptstraße, freundlich winkt mir die hübsche Bäckerei-Fachverkäuferin von Drave zu, rechts herum bei Schröder und an der Stephanskirche vorbei. Es ist kalt und eisglatt auf dem Gehweg. Bis zur Apotheke nur ein paar Schritte, aber ich brauche heute nichts und ziehe daran vorbei Richtung Timmse mit der Poststation. Nirgendwo gestreut. Jetzt vorsichtig über die Straße Borgfelde, wo vorne gleich rechts ein neuer Freund von mir wohnt. Er heißt Eckhardt, ist immer gut drauf und der Chef vom Seniorenbeirat der Stadt. Doch bei der Kälte ist er heute nicht zu sehen.

Das Neubaugebiet Autal kommt links ins Blickfeld. Kaum bin ich in der alten Landstraße angekommen - Erschrecken - hinter meinem Rücken ein gewaltiger Einschlag, mit viel Getöse kracht etwas zu Boden. Ich drehe mich um, ein schwarzer Mann liegt hilflos auf dem Rücken, neben ihm ein gelbes Postrad und ein Haufen verschütteter Post. Das Glatteis hat ihn aus dem Sattel gehoben.

Schnell wird klar, dass ihm nichts passiert ist. Ich helfe ihm hoch, eine Frau eilt herbei, zu zweit heben wir dem jungen Mann die Post auf, die auf dem Radweg und der Fahrbahn verstreut liegt. Er bedankt sich, immer noch den Schreck in den Gliedern, für unsere Hilfe und wir ziehen weiter - jeder wieder seines Weges.

Doch wenn wir uns treffen, dann lachen wir miteinander und freuen uns, dass nicht mehr passiert ist. Auch diesen Winter trafen wir uns ein paar Mal, aber er hat ihn dieses Jahr heil überstanden.

Frank Grünberg, 65

Das Rentner-Dasein

"Sein" plötzliches Rentner-Dasein: Meine Zeit, sie ist abgelaufen. Ich bin ein elendiger Haufen. Was soll ich denn jetzt bloß tun? Fühl' mich zu jung um auszuruh'n. Von wegen: das Rentner-Dasein genießen. Am liebsten würde ich mich sofort erschießen. Jeden Morgen steh' ich auf sehr früh und such' mir Arbeit mit großer Müh'. Den Haushalt erledigen kann man zu zweit, meiner Frau zu helfen, bin ich gerne bereit!

"Ihr" Rentner-Dasein: Jahrelang war ich allein, und die Küche war mein. Auf einmal bist du immer da und nichts ist mehr so wie es war. Soll das jetzt bis ans Lebensende so weitergeh'n? Die Frage ist, wie kann man sich trotzdem gut versteh'n?

Cornelia Schwennesen

Veränderung einer Straße

Ich wohne im Krähenhorst. Mir und meiner Familie gefällt es hier gut. Früher sorgte die Straße für viele negative Schlagzeilen. Durch diese Zustände bildeten die Mieter eine Interessengemeinschaft. Die Leute lernten sich besser kennen und zogen an einem Strang. Es war egal, aus welchem Land sie kamen, sie hielten alle zusammen. 1999 stellte die Wohnungsgesellschaft eine leer stehende Wohnung für den Mietertreff zur Verfügung. In den ersten vier Jahren hatten die Mieter ihre Höhen und Tiefen, dann beruhigte sich alles. Noch heute gibt es diesen Mietertreff, mit Namen Kräla.

Natalia Kiszka, 11

Liebesbrief an die Stadt

40 Jahre Stadt Schenefeld! Na gut, ich bin hier zu Hause seit 38 Jahren und liebe diese Stadt und seine Menschen. "Man Schenefeld, wat haste Dir verändert in dieser Zeit!" (Ich darf so schreiben als Berliner Göre). Es wurde gebaut, sehr hübsche Wohnungen und Häuser, Straßenführungen verändert. Doch bei allem Neuen ist diese Stadt immer sehr grün und mit liebenswertem Charme erhalten geblieben.

Kinder haben Spielplätze fast überall vor der Haustür; gepflegte Plätze und wenn mal etwas nicht so gut war, das Rathaus hat immer kompetente Ansprechpartner und alles wird fast gleich in Ordnung gebracht! Die Schulen führen bis zum Gymnasialabschluss. Genial, keine weiten Schulwege.

Jetzt ist die Kultur ganz groß hier eingezogen, ich hoffe, dass das Forum weiter super Angebote bereithält. Schenefelder, welche ich gesprochen habe, sind glücklich über das nahe Angebot. Ja, nicht zu vergessen das Stadtzentrum, liebevoll "Staddi" genannt. Der Treff- und Angelpunkt in unserer Mitte. Man kennt sich. "Hallo", heißt es von jeder Ecke. Es kann auch mal, weil es sich so ergibt, etwas lääääänger werden. Die Stadtfeste hier sind immer der absolute Knüller. Es wurde sogar mal die LSE lahmgelegt, damit wir riesig feiern konnten. Es ging mächtig rund.

Jutta Walther, 70

Entstehung der Siedlung

Vor 95 Jahren wurde der Grundstein für die Siedlung Schenefeld gelegt. Doch die "Geburt" war alles andere als ein freudiges Ereignis. Denn die Planer und Erbauer der ersten Gebäude hatten kein friedliches Ziel. Sie schufen Magazine für Munition. Schnurgerade Straßen durchzogen die Munitionsanstalt, Kleinbahngleise verbanden Fabrik (heute Eberts) und Heizwerk (heute Rewe) mit den Lagergebäuden, Normalspurgleise die Gebäude mit dem Rangierbahnhof Hamburg-Eidelstedt. Die großen Munitionsgebäude sind noch heute an den Rampen zu erkennen. Sie gestatteten eine direkte Beladung der Güterwagen. Straßenname wie "Pulverberg" und "Wasserberg" erinnern noch heute an das hermetisch abgeriegelte und bewachte Arsenal. Anfang 1918 lief die Munitionsproduktion an.

Günther Meier, 86