Was bedeutet der Internationale Frauentag noch? Für Melanie Wendering-Gelsen, Mutter und berufstätig, eine ganze Menge.

Kreis Pinneberg. Am 8. März ist Weltfrauentag. Er entstand in der Zeit um den Ersten Weltkrieg im Kampf um Gleichberechtigung und Wahlrecht für Frauen. Wie wichtig ist er heute noch? Das haben wir drei Frauen unterschiedlicher Generation gefragt. Die Pinnebergerin Melanie Wendering-Gelsen ist Mutter zweier Kinder, Karriereberaterin und studiert nebenbei. Für sie ist der Frauentag immer noch hochaktuell:

"Der Frauentag ist zum Feiern und zum Mahnen da. Wir feiern, was unsere Vorreiterinnen errungen haben. Aber wir können uns auch nicht darauf ausruhen. Es gibt noch so viel zu erreichen. Auch wenn Gleichbehandlung scheinbar gilt, so ist sie in der Praxis noch längst nicht überall umgesetzt. Wir müssen weiterkämpfen, damit jeder Tag ein Frauentag sein kann.

Ich treffe mich am 8. März immer mit Freundinnen, um über unsere Rolle als Frau zu sprechen. Wir reden darüber, wie es in unserem Leben aussieht, was wir geschafft haben und wo können wir noch etwas tun können. Wir haben heute so viele Möglichkeiten. Wir sind berufstätig, Mütter, Studenten. Jede Rolle wollen wir zu hundert Prozent füllen. Das wird manchmal auch zu viel.

Das 50er-Jahre-Modell - der Mann kommt nach Hause, die Frau empfängt ihn im frisch gebügelten Kleid, das Essen ist fertig, die Kinder sind adrett anzusehen - das ist einfach nicht Realität. Das müssen wir nach außen tragen. Wenn ich die Wahl habe, das Haus zu putzen oder mich meinen Kindern zuzuwenden, dann stehen meine Kinder an erster Stelle. Es ist wichtig, dass wir uns nicht gegenseitig diese perfekte Welt vormachen. Ich kann nicht jede Rolle hundertprozentig erfüllen und dabei ausgeglichen und glücklich sein.

Wir müssen weg von falschen Vorbildern. Jeder Mann, den sie fragen, weiß, dass Heidi Klum nach dem vierten Kind nach sechs Wochen schon wieder halbnackt über den Laufsteg lief. Nun fragt er sich, warum seine Frau nach der Geburt immer noch zehn Kilo mehr drauf hat. Das katapultiert uns in die Steinzeit zurück.

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Mein Mann unterstützt mich in meiner Selbstverwirklichung. Da steht er aber auch ein bisschen allein auf weiter Flur. Natürlich sagen alle, wie toll sie es finden, dass er sich so liebevoll um unsere Kinder kümmert. Dass er aber keine große Karriere anstrebt und nicht zehn Gehaltsstufen über mir steht, ist für viele befremdlich. Der Schluffi wird ihm schon ein bisschen unterstellt.

Der Mann soll warm kuschelig und kinderlieb sein, dann aber auch wieder der Lover und Macher. Es herrscht große Verwirrung, was die Definition der Geschlechter angeht. Welche Rollen sollen Mann und Frau übernehmen?

Die Rollenklischees sind so in unseren Köpfen und unserer Sprachkultur verankert. Es heißt, der Mann hilft der Frau und nicht, beide teilen sich die Arbeit im Haushalt. Wir sind konfus, der Mann genauso wie die Frau. Das bewegt uns alle nach wie vor. Um uns zu finden, muss die Diskussion am Laufen halten.

Ich war mit meinem ersten Kind nur sechs Wochen zu Hause. Ich hatte ein Café und habe meine Tochter dorthin mitgenommen. Das ging super. Mit meinem Sohn war ich zehn Monate zu Hause. Danach kam er in die Grippe. Das wurde kritisch beäugt, auch von Frauen aus meinem Umfeld. Mein Sohn ist sehr willensstark. Da wird dann oft gesagt, na ja, ist ja auch ein Grippenkind. Die kleinen Spitzen sitzen tief. Mit solchen Kommentaren machen wir unsere Fortschritte zunichte.

Aus meinem Job als Karriereberaterin kenne das Bestreben zurück zum konservativen traditionellen Familienbild. Junge Frauen streben an, gut zu heiraten und die jungen Männer möchten viel Geld verdienen, um die Familie selbst zu versorgen. Oder sie wollen mit 20 schon heiraten. Dahinter steht das Bedürfnis nach Sicherheit. Natürlich darf jeder zu Hause bleiben, wenn er lieber Sofakissen nähen möchte, als sich dem immer größer werdenden Druck der Arbeitswelt auszusetzen. Aber sie sollten nicht aus den falschen Gründen zu Hause bleiben. Es wäre schade, wenn sich gut ausgebildete Frauen, aus dem Berufsleben zurückziehen, weil das Umfeld nicht stimmt. Wir müssen Müttern den Weg in Beruf ebnen.

Wenn eine Frau fehlt, weil die Kinder krank waren, heißt es bei der nächsten Gehaltsverhandlung, sie wäre nicht zuverlässig. Dabei geht sie mit 40 Grad Fieber noch arbeiten. Und wenn eine Frau sehr direkt ist, ist sie nicht dynamisch oder kraftvoll, sondern zickig. Die Vorurteile gibt es auch unter Frauen. Da müssen wir einfach stärker werden, mehr zusammenhalten und netzwerken, uns gegenseitig fördern.

Mit Mitte 40 sitzen Frauen, die Karriere gemacht haben, aber keine Kinder haben, bei mir und sagen, sie seien nicht vollwertig. Auch da müssen wir umdenken. Jeder muss für sich seine Rolle definieren dürfen. Und wenn sie sich bewusst gegen Kinder entscheidet, ist das völlig okay.

Es geht nicht um den Kampf der Geschlechter, sondern die gleiche Behandlung von Mann und Frau. Wer Alice Schwarzer als Emanze belächelt, missbraucht dies als Ausrede, sich nicht mit Emanzipation auseinandersetzen zu müssen. Damals war ein anderes kämpferisches Agieren notwendig, um die gesellschaftlichen Verkrustungen aufzubrechen. Heute gibt es sicher andere Mittel und Wege. Wir können aber nicht sagen, wir haben soviel geschafft, jetzt belassen wir es dabei. Es ist ein permanenter Kampf und es gehört auch dazu, die Rolle des Mannes neu zu definieren. Auch unsere Jungs sollen die gleichen Chancen bekommen. Sie sollen nichts zu Paschas, aber selbstbewusst erzogen werden.

Wir Frauen müssen den Männer aber auch wieder etwas zutrauen und es locker sehen, wenn die Kinder kunterbunt angezogen in den Kindergarten gehen oder bei Papa mehr Süßigkeiten essen. Da müssen wir auch von unserem hohen Ross runtersteigen und den Mann als vollwertiges Elternteilakzeptieren."