Gemeinde Henstedt-Ulzburg mietet am Tiedenkamp ein Bürogebäude, in dem ab Januar 30 bis 40 Kinder betreut werden sollen.

Henstedt-Ulzburg. Wie gut, dass der Bürgermeister gelegentlich mal in der Gemeinde herumfährt und dann auch noch das Handy griffbereit in der Tasche hat. Diese Konstellation hat dazu geführt, dass in Henstedt-Ulzburg demnächst der vermutlich landesweit erste, von einer Kommune betriebene Kindergarten in einem Gewerbegebiet eröffnen kann. Denn Thorsten Thormählen griff beherzt zu seinem Handy und schoss ein Foto von dem Schild "zu vermieten", das er vor einem Bürogebäude im Toskana-Stil an der Straße Tiedenkamp mitten im Gewerbepark Nord entdeckte. Weil der Verwaltungschef schnell schaltete und schnell knipste, konnte die Gemeinde den Bürokomplex anmieten, um daraus einen Kindergarten zu machen.

Vor etwas über einem Jahr ist Thorsten Thormählen in Henstedt-Ulzburg als Bürgermeister angetreten, um bestimmte Ziele zu erreichen. Eines dieser selbst gesteckten Ziele ist, ein Kindergarten im prosperierenden Gewerbepark. Ein Kindergarten als Standortfaktor - das war die Idee des neuen Verwaltungschefs, der sich auch von einer drei Jahre alten Umfrage nicht abschrecken ließ. Denn schon einmal war bei den Unternehmen in Henstedt-Ulzburg nachgefragt worden, ob Bedarf an einem Kindergarten besteht. Die Antwort lautete: Nein. Und zwar eindeutig. Doch Torsten Thormählen erkannte schell die Schwachstelle der damaligen Umfrage: Abgefragt wurde nur in den Chefetagen, an die Mitarbeiter hatte niemand gedacht. Und die Chefs befanden schnell, dass kein Bedarf vorhanden ist. Torsten Thormählen hörte bei seinen Betriebsbesuchen zu Beginn seiner Laufbahn als Bürgermeister von Henstedt-Ulzburg hinter den Kulissen ganz andere Aussagen.

+++ Gewerbeboom in Henstedt-Ulzburg +++

Nach dem Handy-Foto des Bürgermeisters ging alles ganz schnell: Aus der Idee wurde rasch ein handfester Plan, Vermieter und Gemeinde wurden sich einig über die Höhe der Miete, der Umwelt- und Planungsausschuss bewilligte das Geld für Umbau und Miete, der Kinder- und Jugendausschuss sagte jetzt ebenfalls ja zu diesem Projekt. Und so geschieht in Henstedt-Ulzburg ein kleines Wunder: Ohne große Diskussionen bekommt die Gemeinde einen neuen Kindergarten - und zwar einen, der landesweit Maßstäbe setzt. Die Politik winkte das Vorhaben einstimmig durch.

Gleichstellungsbeauftragte Annegret Horn ist begeistert über dieses Verfahren: "Es ist schon sehr erstaunlich, wie schnell das alles über die Bühne gegangen ist." Und auch Bürgermeister Thormählen freut sich, dass die Politiker seiner Idee so schnell gefolgt sind.

So geht es weiter: In den nächsten Wochen wird das Untergeschoss eines Bürogebäudes am Tiedenkamp 16 zu einem Kindergarten ausgebaut. Etwa 115 000 Euro lässt sich die Gemeinde den Umbau kosten. Schon Anfang Januar 2012 soll der Betrieb aufgenommen werden: 30 bis 40 Krippen- und Ganztagsplätze - die genaue Aufteilung wird noch festgelegt - sind eingeplant, Betreiber ist die Gemeinde selbst. In unmittelbarer Umgebung des künftigen Kindergartens stehen keine größeren Gebäude, Durchgangsverkehr gibt es an dieser Straße kaum, hinter dem Gebäude liegt eine größere Freifläche - gute Voraussetzungen also für einen Kindergarten im Gewerbegebiet. Anmeldungen für Kinder werden bereits jetzt entgegengenommen. Die Gemeinde sucht Personal.

Weil nicht klar ist, wie viele Eltern aus den umliegenden Firmen tatsächlich ihre Kinder in die Einrichtung geben, können auch andere Eltern aus Henstedt-Ulzburg ihre Kinder anmelden. "Die Eltern aus dem Gewerbegebiet werden gleichrangig behandelt", sagt Bürgermeister Thormählen. Denkbar ist für ihn auch, dass Firmen selbst Kontingente für ihre Mitarbeiter erwerben - was allerdings nicht ganz billig ist: Ein Kindergartenplatz kostet, einschließlich des Gemeindeanteils, monatlich etwa 1200 Euro.

Torsten Thormählen geht von einem Erfolgsmodell aus: "Ich denke, dass sich immer mehr Mitarbeiter aus dem Gewerbegebiet melden werden, um ihre Kinder hier unterzubringen." Wie stark das Interesse an dem Henstedt-Ulzburger Kindergartenmodell ist, liest der Bürgermeister auch aus dieser Tatsache ab: Inzwischen sind bei der Gemeinde weitere Angebote von Firmen eingetroffen, die Räume für Kindergärten vermieten wollen.

In Norderstedt ist ein ähnliches Projekt in der Wohn- und Gewerbesiedlung Frederikspark geplant. Die politischen Entscheidungen sind jedoch noch nicht gefasst worden.