Erste muslimische Ministerin Aygül Özkan leistet in Niedersachsen Amtseid mit der religiösen Beteuerung “So wahr mir Gott helfe.“

Hannover. Als Aygül Özkan den Amtseid ablegt, hören die Abgeordneten im Landtag zu Hannover alle ganz genau hin, und die türkischstämmige muslimische neue Ministerin des Landes Niedersachsen wählt die religiöse Variante: "So wahr mir Gott helfe." Es war gestern eine Art Schlusspunkt nach zwei aufgeregten Tagen, ausgelöst durch Özkans Interview-Äußerung, sie sei gegen Kruzifixe in Schulen.

Das hatte bundesweit für Empörung gesorgt, vor allem in der eigenen Partei, der CDU, aber auch bei Kirchenvertretern. Gestern dann aber stimmten die Fraktionen von CDU und FDP geschlossen für die vier neuen Kabinettsmitglieder der Union, die schließlich zur Mitte der zweiten Legislaturperiode ein Stück Aufbruchsstimmung verbreiten sollen. Ministerpräsident Christian Wulff (CDU), der tags zuvor in der Fraktion noch ungewohnt offen angegangen worden war für seinen Alleingang bei der Kabinettsumbildung, gab gestern unmittelbar vor der Abstimmung über die vier Neulinge am Kabinettstisch wieder die Richtung vor. Alle Missverständnisse seien ausgeräumt: "Lasst die Kirche im Dorf, lasst die Kreuze in den Schulen." Damit und mit der Entschuldigung der erst 38-jährigen Sozial- und Integrationsministerin vor der Fraktion, so Wulffs Botschaft, ist der Fall erledigt. Zwar gab es auch gestern wieder neue kritische Wortmeldungen, so hat die bisherige Hamburger Bürgerschaftsabgeordnete Özkan nach Ansicht des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Stefan Mappus mit ihren Äußerungen der CDU geschadet. Aber die Vorsitzende des Deutsch-Türkischen Forums der Hamburger CDU, Bettina Machaczek, stand ihr bei. Auf NDR-Info warnte sie davor, Özkan auf die Position zum Kruzifix-Verbot zu reduzieren. Angesichts des Medienandrangs der vergangenen Tage könne es vorkommen, "dass man nicht ganz präzise das Politdeutsche draufhat".

Mit Unverständnis haben Kirchensprecher darauf reagiert, dass sich Aygül Özkan als erste muslimische Ministerin Deutschlands bei ihrem Amtseid auf Gott bezogen hat. „Wir Christen sehen schon einen deutlichen Unterschied zwischen unserem Gott und Allah“, sagte der Sprecher der Hannoverschen Landeskirche, Johannes Neukirch, der „Bild“-Zeitung (Mittwoch). Der Sprecher des katholischen Bistums Essen, Ulrich Lota, kritisierte in „Bild“: „Theologisch sind der Gott der Christen und der Gott des Islam nicht gleichzusetzen.“

Für die angespannt wirkende neue Ministerin war eines gestern noch wichtiger: Der Ehemann, die Eltern, die Schwester waren gekommen, Leibwächter hielten die Journalisten auf Abstand, und im Landtag gab es demonstrativ den stärksten Beifall, nachdem sie ihren Amtseid abgelegt hatte. Wohl klug geworden durch Schaden, ließ das Sozialministerium gleich eine schriftliche Erklärung folgen darüber, wie denn die religiöse Formel gemeint sei: Als gläubige Muslimin berufe sich Özkan ausdrücklich auf den einen und einzigen Gott, der den drei monotheistischen Religionen, Judentum, Christentum und Islam gemeinsam ist.

Auf den Rängen und in der Lobby war gestern noch weniger Platz als üblich, zahlreiche türkische Journalisten und Kamerateams waren gekommen, um dabei zu sein, wenn die erste muslimische Ministerin in Deutschland ins Amt gehievt wird. Die Fokussierung auf dieses Ereignis überdeckte, dass immerhin vier von sieben CDU-Ministern im Kabinett ausgewechselt worden sind - es gab auch offenkundige Traurigkeit, wehmütige Szenen. Die glücklose Kultusministerin Elisabeth Heister-Neumann musste ihrem Staatssekretär Bernd Althusmann Platz machen, Landwirtschaftsminister Hans-Heinrich Ehlen der CDU-Bundestagsabgeordneten Astrid Grotelüschen, Wissenschaftsminister Lutz Stratmann der bisherigen CDU-Oppositionsführerin im brandenburgischen Landtag, Johanna Wanka. Die zögerte nicht lange, und kaum eine Stunde nach der Vereidigung mischte sie am Rednerpult schon tüchtig mit, als es um Fragen der Bildung ging. Sie war schon lange Jahre Wissenschaftsministerin auch in Potsdam und weiß, was sie im Hochschulbereich erwartet. Ihr neuer Kollege Althusmann, zuständig für die Schulen, äußerte am Rande der Sitzung bereits politische Wünsche: "Wir würden einen Riesenschritt nach vorne machen, wenn wir bis 2013 alle Lehrerstellen im System behalten könnten."

Das allerdings wird auf den Widerstand seines Parteifreunds Finanzminister Hartmut Möllring stoßen, schließlich will das Land bis 2018 die Neuverschuldung auf null reduzieren. Ob dieses Ziel erreichbar ist, aber vor allem wie man es erreichen will, dazu wird heute Ministerpräsident Christian Wulff in groben Zügen den Weg zeigen müssen. Er hat schließlich nicht nur sein Kabinett umgekrempelt, sondern will auch eine Regierungserklärung abgeben mit einem anspruchsvollen Titel: "Niedersachsen 2020 - Große Herausforderungen für unser Land in schwieriger Zeit".