Selten ist eine Ministerin so angeschlagen zu ihrer Vereidigung gegangen wie gestern die CDU-Politikerin Aygül Özkan in Hannover. Ihre Forderung nach einem religiösen Neutralitätsgebot in Schulen mag in der Theorie zwar richtig sein, doch in der politischen Praxis war sie grundfalsch. Dies erklärt, warum Ministerpräsident Christian Wulff seine Hoffnungsträgerin so scharf zurückpfiff. Denn es geht nicht allein um das Kreuz in Schulen - es geht um viel mehr: Es geht um die CDU, ihre größte Hochburg im oldenburgischen Münsterland und um Geschichte, die Identität stiftet.

Im November 1936 begann in Südoldenburg der Kreuzkampf, eine der wenigen Massenbewegungen gegen die nationalsozialistische Gewaltherrschaft. Nachdem der Oldenburger Gauleiter sämtliche Kreuze aus den Schulen entfernen wollte, widersetzte sich die katholische Landbevölkerung zwischen Cloppenburg und Vechta der Obrigkeit. Pilgerfahrten verwandelten sich in Großdemonstrationen, Kirchen in Widerstandsgruppen, Brief und Steine prasselten auf NS-Funktionäre. Am Ende nahmen die Nazis ihren Kreuzerlass teilweise zurück.

All das konnte Aygül Özkan als Hamburger Migrantin vielleicht nicht wissen; es zeigt aber, wie leicht die Öffnung der Union ihre klassischen Milieus verstören kann. Für die neue Sozialministerin indes dürften die vergangenen Tage vor allem ein heilsamer Schock gewesen sein. Nachdem die Öffentlichkeit sie zunächst zum muslimischen Superstar hochgejubelt hatte, überschüttete dieselbe Öffentlichkeit die Politikerin kurze Zeit später mit Kritik. So fängt Özkan jetzt wieder bei null an - zumindest für sie muss das kein Nachteil sein.