Niedersachsens künftige Sozialministerin Aygül Özkan hat ein Kruzifixverbot an Schulen gefordert. Ihre Parteikollegen aus der Union reagierten entrüstet.

Hannover/Berlin. Bei ihrer Berufung zur ersten muslimischen Ministerin in Deutschland hat Aygül Özkan (CDU) Begeisterungsstürme ausgelöst – jetzt bekommt sie scharfen Gegenwind zu spüren. Mit ihrem Vorstoß gegen Kreuze an öffentlichen Schulen löste die künftige niedersächsische Sozialministerin Empörung in der eigenen Partei aus. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) distanzierte sich von den Aussagen der 38-Jährigen, die als Shootingstar der schwarz-gelben Regierung in Niedersachsen gehandelt wurde.

Am Montag entschuldigte sich Özkan bei der CDU-Landtagsfraktion in Hannover und bedauerte die Irritationen. Die Debatte, die sie mit ihren Aussagen entfachte, ist aber keineswegs neu – schon seit vielen Jahren schwelt der Streit um Schulkreuze.

Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) hatte die designierte Ministerin zurückgepfiffen, verteidigte am Montag aber ausdrücklich ihre Ernennung. „Sie wird eine grandiose Ministerin sein“, sagte der Regierungschef. „Frau Özkan akzeptiert, dass in Niedersachsen in den Schulen Kreuze willkommen und gewünscht sind. Sie trägt diese Linie mit. Damit ist das Thema erledigt.“

In der Sitzung der CDU-Landtagsfraktion gab Özkan nach dpa-Informationen eine Erklärung ab. Darin sagte sie, als deutsche Staatsbürgerin wisse sie sehr wohl, „wie bedeutend die christlich- abendländische Kultur für die freiheitlich-demokratische Entwicklung unseres Landes war, ist und sein wird“.

An diesem Dienstag wird die 38 Jahre alte Juristin als erste türkischstämmige Ministerin vereidigt. Integrationspolitiker hatten ihre Berufung vor einer Woche als großes Vorbild bewertet. In der Türkei löste die Karriere der Muslimin ein positives Echo aus.

Ein Interview Özkans hatte dann am Wochenende für Riesen-Wirbel gesorgt. Die CDU-Politikerin sagte: „Christliche Symbole gehören nicht an staatliche Schulen.“ Am Montag wurden daraufhin auch einzelne Forderungen nach einem Amtsverzicht Özkans laut. Die SPD rechnet damit, dass die CDU-Politikerin auch künftig in ihrer Partei anecken wird.

Scharfe Töne kamen vor allem von der CSU aus Bayern. „Mit solchen abstrusen Ideen wird man jedenfalls in Bayern nicht Ministerin“, sagte Generalsekretär Alexander Dobrindt. „Solche Verunsicherungen unserer Stammwähler sind wirklich überflüssig.“ Dobrindt sagte, Ministerpräsident Wulff hätte mit Özkan „vor ihrer Berufung besser ein Gespräch über christdemokratische Politik geführt“.

Die Kirchenbeauftragte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Maria Flachsbarth, betonte, das Kreuz habe seinen „selbstverständlichen Platz in der Öffentlichkeit“. Auch die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer, lehnt ein Kruzifix-Verbot an staatlichen Schulen ab. Kreuze seien Ausdruck einer jahrhundertealten christlichen Tradition in Deutschland, sagte sie im Deutschlandfunk.

Unions-Fraktionsvize Johannes Singhammer (CSU) wählte scharfe Worte: „Die christlich-jüdische Tradition war und ist das tragende Wertefundament in Deutschland. Wer das bis zum Amtsantritt nicht erkannt hat, eignet sich nicht als Musterbeispiel für Integration. Wer spaltet statt zusammenbringt, schadet der Integration.“

Auch die Kirchen reagierten verärgert auf die Aussagen Özkans. „Sie hat es sicher gut gemeint, ist aber über das Ziel hinaus geschossen“, sagte der Braunschweiger Landesbischof Friedrich Weber der Nachrichtenagentur dpa. Auch andere Kirchenvertreter äußerten sich verwundert über Özkans Position.

Nach Ansicht von SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles zeigt die innerparteiliche Kritik an Özkan, dass die CDU mit der selbstbewussten Ministerin überfordert sein wird. Özkan bewege sich mit ihrer Position zu den Schul-Kruzifixen auf der Ebene des entsprechenden Urteils des Bundesverfassungsgerichts. Daran hätten sich alle zu halten, sagte Nahles. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) prophezeite der künftigen Sozialministerin einen Dauerstreit mit ihrer Partei.