Die Abendblatt-Ausgabe Lüneburg auf Sommertour. Die vierte Station führt uns zu Bogenschützen und einem Schwimmbad direkt an der Elbe

Tespe. Wer vom Elbdeich auf Tespe blickt, sieht reetgedeckte Fachwerkkaten und stattliche Bauernhöfe, dazwischen stehen einzelne Neubauten. Weiter im Ortskern gibt es rotgepflasterte Straßen, die Weidenring, Erlenring oder Birkenring heißen. In der ruhigen Wohngegend stehen fast ausschließlich Einfamilienhäuser. "Das war in den 70ern das größte Baugebiet Niedersachsens mit 200 bis 300 Bauplätzen", sagt Tespes Bürgermeister Karl-Heinz Kornberger. Mit Preisen von 15 DM pro Quadratmeter wurden besonders Hamburger Familien mit Kindern angelockt. "Von hier aus kann man in einer halben Stunde in Hamburg sein, in 20 Minuten ist man in Lüneburg oder in Geesthacht", sagt Kornberger. Ab 1970 zogen in zwölf Jahren knapp 1000 Neubürger zu.

Dann verlangsamte sich die Entwicklung. In den vergangenen zehn Jahren sind nur 200 Menschen nach Tespe gezogen. "Alle hatten Angst vor dem Atomkraftwerk Krümmel und der Forschungsstation daneben", sagt Altbürgermeister Karl Heinz Soetebier. Auf der gegenüberliegenden Elbseite sieht man die Quader und den schmalen Schornstein des Kernkraftwerks. "Wenn Krümmel jetzt abgeschaltet bleibt, wäre das für Tespe ein Sechser im Lotto", sagt Bürgermeister Kornberger. Besonders für Familien sei die Infrastruktur ideal. Der Kindergarten bietet eine Ganztagsbetreuung bis 16.30 Uhr an, ältere Kinder gehen in die Grundschule der Samtgemeinde Elbmarsch. Nebenan ist das Freibad.

Dort arbeitet Andre Maack-Alpen. "Das hier ist das einzige Schwimmbad in der Samtgemeinde", sagt er. Von Mai bis September wird das Wasser auf 25 Grad gehalten. "In den Ferien haben wir bis zu 200 Badegäste, dann wird es hier richtig voll", sagt er. Von 8.30 bis 13 Uhr haben die Schüler der Grundschule ihren Sportunterricht im Schwimmbad. Dann kann jeder zum Baden, Plantschen oder Rutschen kommen.

Für Wasserscheue gibt es in Tespe mehr als 30 Vereine. Egal ob man sich für Sport, Schäferhunde oder Tennis interessiert, Tespe hat für jeden den richtigen Verein. Allein der Schützenverein hat 200 Mitglieder. Ein Viertel davon ist in der 2005 gegründeten Bogenabteilung aktiv. "Bogenschießen liegt voll im Trend, während die Mitgliederzahlen im Schießsport sonst eher sinken", sagt der Vorsitzende des Schützencorps Hans-Heinrich Peters. Den Schützenverein selbst gebe es bereits seit 1919. Die Mitglieder kommen teilweise aus Hamburg. "Bogenschießen ist der perfekte Sport für Kinder", sagt er, "er führt zum Beispiel zu einer besseren Körperhaltung, weil die Kinder ganz gerade stehen müssen um optimal zu treffen." 29 Kinder und Jugendliche sind in der Bogenabteilung in Tespe dabei. Kirsten Schneidereit ist mit acht Jahren das jüngste Mitglied. Sie hat bereits mit sieben Jahren angefangen und ist besser als manch Ältere. "Beim Bogenschießen ist ins Schwarze treffen schlecht. Man muss immer das Goldene treffen", sagt die Grundschülerin. Schwarz sei nur der äußere Ring der Scheibe und der brächte die wenigsten Punkte.

Der größte Arbeitgeber im Dorf ist die Firma Zeyn. Seit 2009 führt Jens-Peter Zeyn sie in zweiter Generation. Zeyn bietet Agrarservice an, außerdem ist das Unternehmen in der Recycling- und Forstbranche tätig und verrichtet Erd- und Kulturarbeiten. "Wir vermieten land- und forstwirtschaftlichen Maschinen mit Fahrer und recyceln Biomasse soweit, dass man damit Strom oder Wärme gewinnen kann", sagt Jens-Peter Zeyn. Außerdem verrichte die Firma Erdarbeiten für Neubauten und habe eine eigene Landwirtschaft mit Mais, Weizen, Gerste und Roggen.

"1965 hat mein Vater einen kleinen Bauernhof mit vier Kühen von seinem Vater übernommen", sagt er, "manche Maschinen braucht man nur hin und wieder. Die zu kaufen und zu warten lohnt sich für den Einzelnen nicht." Inzwischen arbeiten 70 Mitarbeiter bei Jens-Peter Zeyn, außerdem gibt es eine Außenstelle in Mecklenburg Vorpommern. Der Fuhrpark besteht aus 220 Maschinen.

Von Zeyns Büro im ersten Stock aus kann man das Gemeindebüro sehen. Früher war es das Lehrerhaus. Jetzt sind dort die Gemeinde und die örtliche Tierarztpraxis angesiedelt. Seit 1994 verarztet Jochen Becker hier Kleintiere. Seit vier Jahren arbeitet er ganzheitlich. "Das heißt, dass wir nicht nur die Symptome behandeln, sondern nach den Ursachen forschen und die beheben", sagt er. Möglich sei dies zum Einen mit der Bioresonanz-Therapie bei der man die Teilchen im Körper in Schwingungen versetzt. "Teilchen die Krankheiten auslösen schwingen anders, wir bringen sie mit einem Gerät wieder in die richtige Bewegung", sagt Jochen Becker. Zum Anderen behandelt er mithilfe der pulskontrollierten Laserakupunktur. "Über den Puls der Tiere können wir sehen, ob die Akupunktur wirkt", sagt er. Die Hälfte seiner 4000 Patienten käme zur ganzheitlichen Behandlung. Die vierbeinigen Patienten hätten Allergien oder chronische Erkrankungen. Darum kommen sogar Tierbesitzer aus Italien oder Schweden nach Tespe. Becker ist außerdem der Zahnarzt für Polizeihundestaffeln in Niedersachsen und Hamburg. "Wenn Spürhunde Probleme mit den Zähnen haben, kann sich das negativ auf den Geruchssinn auswirken", sagt er. Er behandelt Zahnfehlstellungen oder macht Prophylaxe bei den Hunden, damit es gar nicht erst zu Problemen kommt. So, wie es auch Zahnarztpraxen für Menschen anbieten. Und die Instrumente gleichen sich auch.

Sich die Räumlichkeiten zu teilen, ist in Tespe nicht ungewöhnlich. In den Räumen eines Küchenstudios ist der Verein Elbmarsch-Kultur angesiedelt. "Wir haben jeden Tag von 9 bis 18 Uhr geöffnet. Seit über 20 Jahren sind wir eine soziale Einrichtung für Jedermann", sagt die Vorsitzende Irmtraud Viertel. 300 Mitglieder habe der Verein. In Tespe wird ein vielfältiges Programm angeboten, so kann man beispielsweise Fotografieren, Töpfern oder Klavierspielen lernen. Immer wieder ist auch das Kernkraftwerk Krümmel Thema. Vor kurzem hat der Verein einen Malwettbewerb für Kinder durchgeführt. Die Bilder zeigen, wie die Kinder das Atomkraftwerk nutzen wollen. "Viele wollen ein Tierheim daraus machen", sagt Irmtraud Viertel.

Bürgermeister Kornberger hofft, dass das Kernkraftwerk nie wieder ans Netz geht. 18 neue Bauplätze erschließt die Gemeinde zurzeit. Dort sollen Einfamilienhäuser entstehen. "Wir wollen auf alle Fälle, dass Tespe ein ländlicher Wohnort bleibt", sagt er.