Unser Dorf: Die Abendblatt-Regionalausgabe Lüneburg auf Sommertour. Die zweite Station führt auf die Sportmeile des Kreises

Adendorf. Dorf oder Stadt? Die Frage stellt sich unweigerlich bei einem Besuch in dem Ort vier Kilometer vor den Toren Lüneburgs. Direkt an das geschäftige, kleinstädtische Ortszentrum mit Supermärkten, Fachgeschäften, Drogerie, Apotheken, Ärzten, Optikern, Tankstelle und Restaurants grenzend wächst und reift Getreide auf großen Feldern. Zudem gibt es ein Sport- und Freizeitangebot, das so manche Stadt vor Neid erblassen lässt: Fußball-, Tennis- und Golfplätze, Sporthallen, Sauna- und Kindertobeland, Skaterbahn, Eisstadion, Freibad, Fitnesscenter und Hundefreilauffläche stehen den Adendorfer zur Verfügung.

Dazu kommt ein buntes Vereinsleben mit Bürgerverein, Chor, Siedlerbund, Deutschem Roten Kreuz, Arbeiterwohlfahrt, Sozialverband, Ziergeflügelzuchtverein und Sportverein.

"Das Leben ist wie in einer Stadt, es findet aber auf einem Dorf statt", sagt Rainer Dittmers. Bester Beweis für ihn sei, dass Dorfklatsch und Tratsch im Ort hervorragend funktionieren, weil sich die meisten untereinander noch kennen, sagt er lachend: "Es ist bei uns nicht anonym wie in einer Stadt."

Dittmers ist gebürtiger Adendorfer, betreibt als Kaufmann in dritter Generation einen Supermarkt mit täglich 1500 Kunden und steht dem Gemeinderat als Vorsitzender vor. Eine intakte Infrastruktur mit einer guten Nahversorgung und Geschäften, die für jeden zu Fuß zu erreichen sind, seien bei der Dorfentwicklung parteiübergreifend stets wichtig gewesen, sagt er. "Deshalb wollen wir einen starken Ortskern und haben uns bewusst gegen Einkaufszentren draußen auf der grünen Wiese entschieden."

Seit den 1950er-Jahren hat sich die Einwohnerzahl fast vervierfacht, von 2858 Einwohner im Jahr 1951 auf 10 200 Bürger heute. "Früher bestand Adendorf aus zwei Teilen, aus dem Grünen Jäger und dem Bereich an Dorfstraße und Kastanienallee. Dazwischen lagen nur Felder und Heide", so Dittmers. In den vergangenen Jahrzehnten seien die Ortsteile zusammengewachsen. "Obwohl die Gemeindefläche begrenzt ist, wurde Adendorf nicht zersiedelt. Die Bebauung ist zwar dicht, doch grüne Lungen mittendrin sind geblieben", so der Kaufmann.

"Adendorf hat's", lautet der Werbeslogan der Gemeinde. Und den nimmt auch der Rat ernst. Die Politik investiert kräftig, damit sich die Bürger wohl fühlen in der Gemeinde, und gut versorgt sind. Erst im vergangenen Jahr wurde ein neues Feuerwehrhaus für 1,3 Millionen Euro gebaut. Jetzt stand der erste Spatenstich für den Neubau des kommunalen Bauhofes für rund eine Million Euro an.

"Wir können uns die gute Infrastruktur leisten", so der Ratsvorsitzende. Adendorf sei zwar offiziell nicht schuldenfrei, stehe aber gut da. "Wir sind die finanziell solideste Gemeinde im Landkreis", so Dittmers. Nicht zuletzt auch, weil der ehemalige Gemeindedirektor Hans Ellfrodt und der aktuelle Bürgermeister Joachim Pritzlaff stets gute Näschen für gut gefüllte Fördertöpfe gehabt hätten, die die Gemeinde erfolgreich anzapfen konnte, sagt er.

Angestellt bei der Kommune ist Bernd Holler, im Sommer als Schwimmmeister, im Winter als Eismeister im Eisstadion. Eishockey hat ihn 1990 nach Adendorf geführt. Damals heuerte der ehemalige Torhüter der DDR-Nationalmannschaft beim TSV Adendorf an. "Ich spielte zuvor in Weißwasser, der Eishockey-Hochburg in der DDR", erzählt Holler. Damals habe sich seine Profi-Karriere dem Ende entgegen geneigt: "Auf hohem Niveau konnte ich nicht mehr spielen." Da sei das Angebot aus Adendorf gerade recht gekommen. "Die Gemeinde bot mir eine berufliche Zukunftsperspektive für die Zeit nach dem Eishockey. Die Chance habe ich genutzt", erzählt Holler

Allerdings, so sagt er schmunzelnd, konnte niemand ahnen, dass er dann doch noch auf recht hohem Niveau Eishockey spielen sollte, erst mit dem TSV, dann mit dem Nachfolgeverein Adendorfer EC in der dritten Liga: "Wir waren sogar in der Aufstiegsrunde für die zweite Liga."

Inzwischen ist Holler als Betriebsleiter Herr über Freibad und Eisstadion: "Weil das Wasser im Bad bei uns immer mindestens 23 Grad warm ist, kommen viele Badegäste auch aus den Nachbarorten wie Lüneburg, Bardowick und Scharnebeck." Noch größer sei das Einzugsgebiet bei Winter-Veranstaltungen im Eisstadion. Die Besucher kämen dann sogar aus Hamburg und Boizenburg sowie aus Orten in der Heide. "Allein zu unseren Eisdiskos strömen jedes Mal bis zu 800 Jugendliche", weiß Holler.

Noch mehr Gäste begrüßt das erste Haus am Platz. Das "Castanea-Resort-Hotel" zählt im Jahr äußerst respektable 45 000 Übernachtungen. "Das Hotel schreibt seit seiner Eröffnung am 15. August 2004 Erfolgsgeschichte. Die damaligen Erwartungen wurden bei weitem übertroffen", sagt Hotel-Direktor Peter Klaus Müller, Chef von 80 Mitarbeitern.

Tagungen, Golf und Wellness bietet das "Castanea" seinen Gästen. Für 25 Millionen Euro wurde die Anlage einst gebaut, jetzt folgt eine Erweiterung für drei Millionen Euro. "Es kommen 39 neue Zimmer dazu, davon sind zwei als exklusive Golfer-Suiten geplant", so Müller. Zudem werde der Spa-Bereich vergrößert, unter anderem mit einer Salzgrotte und einer Erdsauna unter freiem Himmel. "Drei gemütliche Veranstaltungsräume für Familienfeiern, eine Raucherlaunch sowie ein Restaurant werden überdies gebaut."

Das Hotel verstehe sich als einen Teil Adendorfs, betont Direktor Müller. Damit werde geworben. Ein anderer Werbeträger ist weitaus betagter als das Hotel: die Johanneskapelle von 1258. Diakonin Heidrun Fedrowitz kümmert sich ehrenamtlich als Küsterin um die älteste und wohl auch schönste Kapelle im Landkreis Lüneburg, die 1995 renoviert wurde.

Das Gotteshaus behütet ein Geheimnis. "Die Herkunft des Taufständers aus Eichenholz aus der Zeit um 1400 ist ein Rätsel. Die Archive geben nichts über den einzigartigen Taufständer her", sagt sie. Üblich sind ihr zufolge Taufbecken aus Bronze oder Stein, "jedoch nicht aus Holz." Nicht nur von der Schönheit der Kapelle ist Heidrun Fedrowitz immer wieder begeistert. "Ich liebe sie vor allem, weil sie so viel Ruhe ausstrahlt."

Der Lieblingsplatz von Rainer Dittmers ist hingegen die alte Dorfschule, gleich gegenüber der Kapelle. Weil sie für ihn der Inbegriff des ursprünglichen Adendorfs sei. Noch heute werden in dem Gebäude als Nebenstelle der Grundschule am Weinbergsweg Kinder unterrichtet. Die alte Dorfschule wurde 2002 renoviert und durch eine neue Aula erweitert. In dieser wird gefeiert, finden Musikunterricht und Bewegungsspiele statt. Eine mobile Bühne ermöglicht Theateraufführungen, Konzerte und Ausstellungen.

"Adendorf ist ein Ort für sich. Ein Dorf, das zwar städtisch gewachsen ist, aber deshalb noch lange kein Anhängsel Lüneburgs ist", so Rainer Dittmers zu Plänen der Stadt, Adendorf eingemeinden zu wollen. "Die Ostumgehung und der Lüner Wald trennt uns von Lüneburg - und so soll es bleiben", sagt er. Wie auch viele andere Adendorfer.