Fraktionen kritisieren OB Ulrich Mädge für den Umgang mit seinem Ersten Stadtrat

Lüneburg. Die Kritik an dem von Oberbürgermeister Ulrich Mädge (SPD) gegen seinen Parteigenossen und Stellvertreter Peter Koch angestrengten Disziplinarverfahren wird lauter. Vertreter aller Fraktionen im Rat außer der SPD äußern Unverständnis über die Entscheidung des Verwaltungschefs, die Politik nicht über die Einleitung des Verfahrens informiert zu haben.

Regina Baumgarten, Fraktionschefin der mit der SPD eine Gruppe bildenden CDU, sagte der Lüneburger Rundschau: "Ich hätte natürlich erwartet, dass solch eine wichtige Maßnahme den Fraktionsvorsitzenden bekannt gegeben wird. Das hätte man tun müssen." Sie habe sich "überfahren" gefühlt, sei "etwas sprachlos" gewesen, als sie aus der Presse von der Personalie hörte. Sobald der Oberbürgermeister aus der Kur zurück an seinen Schreibtisch gekehrt sei, solle er Rede und Antwort stehen, forderte Baumgarten.

Sie wies zudem darauf hin, dass dem Jugendhilfeausschuss die Angelegenheit vorgelegen hatte, um den sich das Ermittlungsverfahren dreht. Wie berichtet, prüft die Verwaltung, ob bei der Anmietung von Räumen für die städtische Jugendwerkstatt an der Ecke Pulverweg/ Dahlenburger Landstraße "Fehler gemacht" wurden. Die Ermittlungen richten sich gegen mehrere Beamte der Stadt, einer davon Koch.

Tatsächlich weist die Vorlage für die betreffende Sitzung des Ausschusses im Februar 2009 sogar aus, dass der Verwaltungsausschuss der Hansestadt Lüneburg - höherer Dienstvorgesetzter des Ersten Stadtrats Koch - am 27. Januar 2009 beschlossen hat, neue Räumlichkeiten für die Jugendwerkstätten am Pulverweg anzumieten. Da laut Protokoll der Ausschusssitzung "Eile geboten" war, hatte der Verwaltungsausschuss der Anmietung noch vor der Sitzung des Jugendhilfeausschusses zustimmen sollen. Er tat es.

Die Stadt unterschrieb daraufhin einen Zehn-Jahres-Vertrag, allerdings mit der Option, bei Wegfall der Fördermittel erstmals nach fünf Jahren kündigen zu können. Tatsächlich bezogen die Jugendwerkstätten die Räume wie berichtet jedoch nie, weil Mängel und Schadstoffe am Gebäude entdeckt wurden. Zurzeit laufen Vergleichsgespräche mit dem Vermieter, er war gegen die vorzeitige Kündigung der Stadt vor Gericht gezogen.

Birte Schellmann, Fraktionsvorsitzende der FDP im Rat der Stadt, sieht das Disziplinarverfahren gegen den Ersten Stadtrat in diesem Zusammenhang als "vorzeitig" und "unerhörten Vorwurf" an. Der Rundschau sagte die Juristin: "Ein Vermieter muss dafür sorgen, dass die Räume für eine bestimmte Art von Nutzung geeignet sind. Ist das nicht der Fall, gibt es ein geordnetes Verfahren von Verhandlungen, Vergleich oder Prozess. Ein Disziplinarverfahren aber dient weder dem Interesse des Arbeitgebers Stadt und Rat noch dem Arbeitnehmer. Es kommt einer Vorverurteilung gleich, und mir scheint, da wird mit Kanonen auf Spatzen geschossen."

Dass Oberbürgermeister Mädge die Fraktionsvorsitzenden nicht informiert hat, bezeichnete Schellmann als "empörend". Hätte er es getan, so Schellmann, "hätten wir als Rat als oberste Dienstherren eventuell das Verfahren an uns ziehen und ihn davon abhalten können, da davon auszugehen ist, dass er parteiisch ist". Sie selbst hätte sich gegen ein solches Verfahren ausgesprochen, sagte Schellmann. "Die Verwaltung muss selbstständig arbeiten können, und da können auch Fehler gemacht werden. Im vorliegenden Fall aber kann ich noch nicht einmal einen Fehler erkennen. Stattdessen schadet das unserer Führung und unserer Stadt." Der Vermutung, dass "etwas anderes" Hintergrund für das Verfahren sei, könne sie sich nicht entziehen, sagte Schellmann.

Als "Manöver von Mädge" und "abstrus" bezeichnete Malte Riechey, Fraktionsvorsitzender der Linken im Rat, die Ermittlungen gegenüber der Rundschau. Koch nennt er die "soziale Seele der Verwaltung", von Mädge erwartet Riechey im Nichtöffentlichen Teil der nächsten Ratssitzung, dass "er erklärt, wie es dazu gekommen ist". Koch habe schließlich im Auftrag von Mädge gehandelt.

Erklärungen für Mädges Verhalten kommen von seinem Parteifreund Heiko Dörbaum, Chef der SPD im Rat. "Es ist ein übliches Verfahren, dass in solchen Fällen geprüft wird, ob ein Dienstvergehen stattgefunden hat. Der Vorgesetzte muss dann ermitteln. Da es um Persönlichkeitsschutz geht, ist der Zeitpunkt der Information immer schwierig zu wählen. Sicher hatte Ulrich Mädge dabei im Kopf, dass sich auch herausstellen kann, dass es nichts Vorwerfbares gibt. Spekulationen helfen keinem."