Die Stadt hat die angemieteten Räume für die Jugendwerkstatt nie bezogen . Jetzt laufen Vergleichsgespräche

Lüneburg. Die Stadt hat 14 Monate lang Miete für Räumlichkeiten gezahlt, die sie nie bezogen hat. Für die städtische Jugendwerkstatt hatte die Verwaltung im Frühjahr 2009 eine Halle am Pulverweg angemietet, vor dem Umzug der Einrichtung jedoch Mängel und Schadstoffe in dem Gebäude entdeckt. Als die Verwaltung daher den auf zehn Jahre abgeschlossenen Pachtvertrag vorzeitig kündigen wollte und ihre Zahlungen einstellte, zog der Besitzer vor Gericht. Zurzeit laufen Vergleichsgespräche.

Ziel der Anmietung war, die unterschiedlichen Bereiche der Jugendwerkstatt unter einem Dach zu vereinen. Der Pachtvertrag für entsprechende Räume nahe der ehemaligen Lucia-Fabrik begann am 1. April 2009 und wurde auf zehn Jahre abgeschlossen.

Doch eingezogen ist die Jugendwerkstatt in die Halle nie. "Mitarbeiter des Bereichs Gebäudewirtschaft haben erhebliche technische Mängel bei Heizung und Elektrik gefunden", sagte Stadtsprecher Daniel Steinmeier gegenüber der Rundschau zu den Gründen. "Während der Vorbereitungsarbeiten am Boden sind zudem Schadstoffbelastungen entdeckt worden."

Um den Verdacht von externen Fachleuten überprüfen zu lassen, beauftragte die Stadt einen Architekten und das Bremer Umweltinstitut, ein Gutachten zu erstellen. Als das Anfang 2010 vorlag, zog die Verwaltung die Notbremse. Zu Ende April kündigte die Stadt den Zehn-Jahres-Vertrag mit dem Besitzer der Halle vorzeitig. "Seit Juni 2010 wird kein Pachtzins mehr gezahlt", sagte Steinmeier.

Doch der Vermieter sah die Kündigung als unwirksam an und klagte gegen die Stadt. Bei dem Gerichtstermin im Dezember vergangenen Jahres schlug der Richter eine außergerichtliche Einigung vor. Seitdem laufen Vergleichsgespräche. Darin geht es laut Steinmeier um die Übernahme der nötigen Investitionen, einen möglichen neuen Pachtvertrag sowie die seit der Kündigung durch die Stadt nicht gezahlten Mieten. Zu den Summen will sich Steinmeier mit Hinweis auf das laufende Verfahren nicht äußern.

Aus den Unterlagen des Jugendhilfeausschusses vom 1. Dezember vergangenen Jahres geht jedoch hervor: Die Verwaltung rechnete mit Summen im hohen sechsstelligen Bereich. "Durch vorher nicht erkennbare Schadstoffbelastungen der Immobilie, geänderte erhöhte Anforderungen im Bereich Arbeitssicherheit sowie baurechtliche Nutzungsänderungen für die Nutzung der Immobilie Pulverweg wären Investitionen in Höhe von circa 800 000 Euro notwendig geworden", heißt es in der Vorlage der Verwaltung für den Ausschuss. In einer Darstellung der geschätzten Kosten für das Jahr 2011 für die Jugendwerkstatt wird der Punkt "Miete" insgesamt mit 62 400 Euro beziffert.

Doch auch wenn Vergleichsverhandlungen oder Gerichtsverfahren für die Stadt damit enden sollten, dass der Pachtvertrag am Pulverweg weiterläuft: Die Jugendwerkstatt wird dort nicht mehr einziehen. Denn die Stadt hat ihre Einrichtung mittlerweile an einen freien Träger abgegeben.

Laut Vorlage für die Sitzung des Jugendhilfeausschusses spart sie damit fast 170 000 Euro pro Jahr ein. Exakt 8789 Euro zahlt Lüneburg als kommunalen Zuschuss fortan an job.sozial, dieselbe Summe überweist laut Vorlage der Landkreis. 40 000 Euro Kosten entstehen durch Abschreibungen. Würde die Stadt die Jugendwerkstatt weiterhin selbst betreiben, kämen nach Berechnungen der Verwaltung Aufwendungen von 217 899 Euro zusammen.

Zunächst bis Ende 2013 ist das Projekt fest bei job.sozial angesiedelt. 28 Teilnehmende werden unter anderem in der Schlosserei und Tischlerei Am Schwalbenberg sowie im Bereich Hotel und Gaststätten am Bockelsberg nahe dem Universitäts-Campus für 25 bis 30 Stunden in der Woche betreut. Auftrag von job.sozial ist es laut eigener Darstellung, berufliche Perspektiven mit den jungen Leuten zu entwickeln, fachliche Qualifikationen auszubauen und soziale Kompetenzen zu fördern.

Zielgruppe sind erwerbslose Menschen unter 27 Jahren aus Förderschulen oder Hauptschüler mit schlechtem oder fehlendem Abschluss, mit besonderem sozialpädagogischen Förderbedarf und Hemmnissen in der Entwicklung sowie Schülerinnen und Schüler mit fehlender Lernmotivation. Ziel ist die Vermittlung der jungen Leute in Schule, Ausbildung oder Arbeit.

Diese Aufgabe wollte die Stadt zuletzt nicht mehr selbst übernehmen. Zwar hätten die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Jugendlichen in den vergangenen Jahren sehr erfolgreich betreut und vielen den Einstieg in eine berufliche und persönliche Fortentwicklung geebnet, heißt es in der Verwaltungsvorlage.

Viele vermeintlich programmierte Jugendhilfekarrieren seien damit vorzeitig beendet worden. Und doch seien die pädagogischen Ansprüche an die Betreuung der Jugendlichen zunehmend schwieriger geworden, schreibt der Leiter des Bereichs Familie und Bildung, Waldemar Herder. Probleme bereiten Drogen, Alkohol, Schulden und psychische Beeinträchtigungen.

Zudem seien immer mehr Jugendliche nicht über die Lehrer und die Schulen zu erreichen. Die Verwaltung schlug der Politik daher die Abgabe der Einrichtung vor. Sie folgte dem Vorschlag. Nachfragen zum Mietvertrag am Pulverweg stellte laut Protokoll der Ausschusssitzung jedoch niemand.