Kiel/Bergenhusen. Zehn Zentimeter höherer Wasserstand senkt Treibhausgas-Ausstoß in der Eider-Treene-Sorge-Niederung um ein Drittel.

Moorböden speichern Kohlenstoff und entlasten dadurch das Klima – wenn sie intakt sind. Doch die meisten Moore sind längst bis zur Unkenntlichkeit entwässert und werden landwirtschaftlich genutzt, so auch in der Eider-Treene-Sorge-Niederung im Herzen Schleswig-Holsteins. Kieler Forscher untersuchten, wie sich unterschiedliche Nutzungsformen auf die Klimabilanz der Böden auswirken und stellten fest: Der Wasserstand in den Flächen ist entscheidender als die Frage, ob dort Acker- oder Grünland ist.

Drei Jahre lang haben Pflanzenbauexperten der Christian-Albrechts-Universität Kiel die Treibhausgas-Emissionen auf vier verschiedenen Versuchsfeldern direkt gemessen. Sie stellten dazu fassgroße Plexyglaszylinder auf und dokumentierten den Gasaustausch von Boden, Pflanzen und der eingeschlossenen Luft. Zudem errichteten sie einen mannshohen Messturm, der an Antennen erinnert: Die Anlage ist mit Instrumenten bestückt, die die CO2-Konzentration in der sie umströmenden Luft messen können – und damit den Austausch zwischen der bodennahen Luft und der Atmosphäre.

Als Testfelder ins Rennen gingen: Brachland mit einem hohen Wasserstand, moderat entwässertes Grünland sowie zwei stark entwässerte Flächen mit intensiv bewirtschaftetem Grünland beziehungsweise Ackerland zum Anbau von Futtermitteln (Getreide, Mais). Zwei Jahre lang, von April 2012 bis März 2014, wurden auf den Flächen die Emissionen von drei Treibhausgasen ermittelt: Kohlendioxid (CO2), Methan und Lachgas.

Die Forscher stellten fest, dass sich die Klimabilanz der Moorböden mit abnehmenden Wasserständen deutlich verschlechtert. Trockenere Böden stoßen vor allem mehr CO2 und Lachgas aus. Beim CO2 schnitt das stark entwässerte Grünland mit einer durchschnittlichen Freisetzung von 11,7 Tonnen Kohlenstoff pro Hektar und Jahr am schlechtesten ab; die Brachfläche mit natürlichem Wasserstand lag mit 2,8 Tonnen am günstigsten.

Der Ausstoß von Lachgas war deutlich geringer, aber es ist ein fast 300-mal wirksameres Treibhausgas als CO2. Auch hier hatte die Brachfläche die niedrigsten Werte (3,4 Kilogramm Lachgas pro Hektar und Jahr). Der Spitzenwert trat hier beim Acker auf (18,4 kg). Über alle drei Treibhausgase gerechnet hat das stark entwässerte Grünland die schlechteste Klimabilanz, dicht gefolgt vom Acker. Mit einigem Abstand folgt das nassere Grünland. Die Brache schont das Klima am stärksten, ihr Treibhausgas-Ausstoß beträgt nicht einmal ein Drittel der Emissionen der beiden stark entwässerten Versuchsfelder.

„Dass der Wasserstand eine große Rolle spielt, war für uns keine Überraschung. Aber wir hatten erwartet, dass der Acker deutlich schlechter abschneidet“, sagt Projektleiter Prof. Friedhelm Taube. Ein Grund für das bessere Ergebnis könne sein, dass der untersuchte Acker vor dem Projektstart schon fünf Jahre existierte und deshalb ein Gutteil des in dem Moorboden gebundenen Kohlenstoff bereits zu CO2 abgebaut und freigesetzt worden war. Genau dieser Abbauprozess macht die Entwässerung von Moorböden aus Sicht des Klimaschutzes so brisant: Solange in den Böden Wasser steht, fehlt der Sauerstoff zum bakteriellen Abbau des in ihm enthaltenen Kohlenstoffs zu CO2. Sinkt jedoch der Wasserstand, so wächst die Schicht, in der diese Abbauprozesse stattfinden.

Prof. Friedhelm
Taube (l.) und
sein Mitarbeiter
Dr. Arne Poyda bei
der Feldforschung
Prof. Friedhelm Taube (l.) und sein Mitarbeiter Dr. Arne Poyda bei der Feldforschung © Michael Rauhe

Allerdings lasse sich weder auf intensiv genutztem Grasland noch auf Äckern der Wasserstand ohne Weiteres erhöhen, sagt Taube, das gelte besonders für Mais: „Schon bei einem mittleren Wasserstand kann es im Herbst durch Regenfälle dazu kommen, dass ein Maisbestand nicht abgeerntet werden kann, weil die Fläche nicht befahrbar ist. Maiskulturen entziehen dem Boden ab Anfang September kaum noch Wasser.“ Bei viel Regen drohe deshalb eine Schlammschlacht. Dagegen gebe es auf Wiesen noch bis in den November hinein eine „biologische Entwässerung“.

Auch bei Wiesen, auf denen Milchkühe weiden, seien hohe Wasserstände problematisch, sagt Taube: „Wird das Grünland nicht zur Gewinnung von Silage genutzt, sondern beweidet, muss der Wasserstand zehn bis 15 Zentimeter niedriger sein. Denn bei zu nassem Grund besteht die Gefahr, dass die Tiere die Grasnarbe durchtreten. Weidenutzung auf Moorböden ist mit Klimaschutz fast nicht zu vereinbaren.“

Wird vom Grünland jedoch Silagefutter gewonnen, ergibt sich potenziell eine Win-win-Situation: Wird der Wasserstand nur zehn Zentimeter über das übliche Niveau angehoben, reduziert sich der Treibhausgasausstoß um 34 Prozent. Der Ertrag sinkt dagegen nur um 19 Prozent. Die Verluste entstehen, weil auf der Wiese nur drei- statt viermal Silage geerntet werden kann.

Dieser Verlust sollte über das EU-Programm für Agrar-Umweltmaßnahmen ausgeglichen werden, schlägt Taube vor. Er könne sich eine Auktion vorstellen, in der die Landwirte Hektar-Beträge nennen, für die sie den Wasserstand anheben würden. Taube: „Die Ausgleichszahlungen würden 200 bis 300 Euro pro Hektar betragen müssen, vielleicht auch einmal 500 Euro. Angesichts der Tatsache, dass mit der Maßnahme rund sechs Tonnen CO2 je Hektar eingespart werden, würde die vermiedene Tonne CO2 rund 30 bis 80 Euro kosten. Bei den Biogasanlagen ohne Kraft-Wärme-Kopplung liegen die Vermeidungskosten dagegen bei 300 Euro pro Tonne CO2.“

Auch der Artenschutz würde von extensiv bewirtschaftetem Grünland profitieren, allen voran die Wiesenvögel. Dennoch sei die Forderung, generell die Wasserstände zu erhöhen, unrealistisch, so Taube: „Die Landwirte haben unter den Rahmenbedingungen der Intensivlandwirtschaft investiert, sie werden die Bewirtschaftung nicht ändern wollen. Aber dort, wo es sich anbietet, könnten sich vier, fünf Betriebe zusammenschließen, die sich vorstellen könnten, ihre Flächen wieder zu vernässen.“

Idealerweise würde in Schleswig-Holstein und anderswo ein Mosaik aus unterschiedlich genutzten Landstrichen entstehen: Nassere Standorte in tief liegenden Gegenden, dazu Grünland, das extensiver genutzt wird als bisher, sowie intensiv bewirtschaftete Wiesen und Äcker. Taube: „Mit einem solchen Konzept können wir das Ziel erreichen, Klimaschutz zu betreiben und gleichzeitig die Wertschöpfung auf den Flächen zu erhalten.“