Auf dem Planeten beginnt die Suche nach Leben. Was treibt Menschen dabei an? Die Freude, Neues zu erkunden, ist ein Grundbedürfnis.

Eine solche Landung auf einem anderen Planeten hat es noch nicht gegeben: Wie eine Sternschnuppe zieht die amerikanische Sonde Curiosity über den Marshimmel. Auf bis zu 2100 Grad Celsius erhitzt sich der Hitzeschild des Raumfahrzeugs beim Eintritt in die dünne Lufthülle des Roten Planeten. In elf Kilometern Höhe entfaltet sich ein 16 Meter großer Fallschirm und bremst die Geschwindigkeit von Curiosity weiter ab - aber immer noch nicht ausreichend für eine weiche Landung. In 1,4 Kilometern Höhe zünden acht Raketentriebwerke und drosseln den Sturz, bis die Sonde 7,5 Meter über der Marsoberfläche zum Stillstand kommt.

Von hier aus lässt sie an drei Seilen - dem sogenannten Himmelskran - langsam ein sechsrädriges Fahrzeug herab, groß wie ein Geländewagen. Nach dem sanften Aufsetzen des Mars-Rovers wird das Seil gekappt, die Triebwerks-Einheit saust davon und stürzt einige Hundert Meter entfernt in den roten Staub. Ein riskantes Manöver. Kurz danach sendet der neu konstruierte Rover bereits erste Bilder zur Erde.

+++ Viele Versuche gescheitert +++

+++ Warum Roter Planet? +++

"Sieben Minuten des Grauens" haben die Planetenforscher diesen komplexen, zuvor unerprobten Landevorgang getauft. Und es hat funktioniert. In einer vollendeten Vorstellung technologischen Könnens setzt Curiosity gestern um 7.32 Uhr unserer Zeit im Gale-Krater nahe dem Mars-Äquator auf.

"Wir sind sicher auf dem Mars", bestätigt Ingenieur Allen Chen im kalifornischen Kontrollzentrum. Die Experten halten die Luft an, als Curiosity die dünne Mars-Atmosphäre durchfliegt und mit von 20 920 km/h auf null gebremst werden muss.

"Wir sind wieder auf dem Mars", jubelt Nasa-Chef Charles Bolden. "Es ist absolut unglaublich. Nichts kann das toppen." US-Präsident Obama lobt die Landung via Twitter: "Ich gratuliere und danke allen Männern und Frauen der Nasa, die diese bemerkenswerte Leistung Wirklichkeit werden ließen." Im Kontrollzentrum Jet Propulsion Laboratory ist der Jubel so groß, dass dessen Leiter Charles Elachi um Ruhe bitten muss, um die Pressekonferenz abzuhalten. "Dieses Team hat Gold zurückgebracht", vergleicht er seine Mannschaft mit den Athleten bei den laufenden Olympischen Spielen in London. Der für Raumfahrtpolitik zuständige deutsche Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Philipp Rösler (FDP), gratuliert den USA und der Nasa - und ein bisschen auch Deutschland, weil ein Teil der Technologie von hier stammt .

Weshalb begeistert die Mars-Aktion so viele Menschen? Karl Kubowitsch, Psychologe aus Regensburg, meint: "Wenn wir nach den Quellen für diese Faszination suchen, müssen wir weit in die Menschheitsgeschichte zurückblicken. Die Freude, Neues zu erkunden und Grenzen zu überschreiten, gehört zu unserem genetischen Grundprogramm. Andere Erdteile entdecken, neue Reviere erkunden, andere Lebensformen ausprobieren - das ist ein menschliches Grundbedürfnis." Dinge, die uns interessieren, würden besonders wichtig, wenn der Alltag verunsichernd oder sogar bedrohlich werde wie etwa in der Euro-Krise.

+++ Messtechnik aus Kiel +++

Der Name Curiosity (Wissbegierde) ist Programm: Der große Mars-Rover soll die Wissbegierde der Forscher stillen und, so die Hoffnung, die Frage beantworten, ob es auf dem Roten Planeten Leben gab - oder vielleicht bis heute gibt. Die Landung erfolgte im 154 Kilometer großen Krater Gale in der Nähe des Mars-Äquators. Der Zentralberg dieses Kraters erhebt sich rund fünf Kilometer über den Kraterboden. Messungen des Mars Reconnaissance Orbiters, der seit 2006 den Roten Planeten umkreist, zeigen dort unter anderem Schichten aus sulfat- und tonhaltigem Gestein. Für die Forscher ist dies ein deutlicher Hinweis, dass es im Inneren des Kraters einst Wasser gab.

"Uns fasziniert Gale unter anderem, weil es sich um einen riesigen Krater in einer recht niedrig gelegenen Region handelt - und wir wissen alle, dass Wasser immer bergab läuft", erklärt John Grotzinger, ein Projektwissenschaftler der Mission.

Der Zentralberg des Kraters ist zudem von Sedimentablagerungen umgeben, die sich über rund 3,5 Milliarden Jahren angesammelt haben. "Hier liegt möglicherweise die gesamte Geschichte des Mars für uns bereit", so Nasa-Wissenschaftler Ashwin Vasavada.

Schicht um Schicht können die Forscher hier die Entwicklung des Klimas in der Äquatorregion ablesen. Mit zahlreichen Instrumenten soll Curiosity mindestens zwei Jahre lang die Ablagerungen untersuchen - und immer weiter den Zentralberg hinauffahren, möglicherweise bis zum Gipfel.

Bis zu sieben Meter entferntes Gestein kann der Roboter mit einem energiereichen Laserstrahl erhitzen und verdampfen. Eine Kamera fängt die dabei freigesetzte Strahlung ein, untersucht ihr Spektrum und bestimmt daraus die chemische Gesteinszusammensetzung. Stößt Curiosity auf Interessantes, wird der Roboterarm - mit Bürste, Bohrer, Schaufel und Sieb ausgestattet, einem kompletten geologischen Feldbesteck, ausgefahren.

Bis zu fünf Zentimeter tief kann der Bohrer sich ins Gestein fressen. Die pulverisierten Proben füllt der Roboterarm dann in das automatische Labor (ChemMin), wo Röntgenstrahlen ihre Kristallstruktur analysieren. Aus der Brechung der Röntgenstrahlen können die Wissenschaftler ablesen, aus welchen Mineralien die Proben bestehen - und Art und Menge der Mineralien erlauben Rückschlüsse auf Temperatur, Druck, Feuchtigkeit und andere Bedingungen bei der Entstehung der Stoffe.

Noch detailliertere Untersuchungen erlaubt ein weiteres, Sample Analysis on Mars (SAM) genanntes Minilabor. Mit einem Gewicht von 38 Kilogramm beansprucht SAM etwa die Hälfte der wissenschaftlichen Nutzlast von Curiosity für sich. Insgesamt 74 Auffangbehälter hält SAM für Bodenproben bereit. In zwei Öfen kann das Gestein auf bis zu 1100 Grad Celsius erhitzt werden, um flüchtige Stoffe auszugasen.

Die Gase strömen dann durch ein komplexes Misch- und Trennsystem zu drei empfindlichen Instrumenten: einem Gas-Chromatografen, der individuelle Gase aus dem Gemisch herausfiltert, einem Massenspektrometer, der die Masse der Moleküle eines Gases und damit seine chemische Identität ermittelt und schließlich einem Laser-Spektrometer, der die Anteile der unterschiedlichen Kohlenstoff-Isotope in organischen Stoffen - also solchen auf Kohlenstoff-Basis - bestimmt.

Isotope sind chemisch identische Atome, die in ihren Atomkernen eine unterschiedliche Zahl Neutronen besitzen. Die relative Häufigkeit von Kohlenstoff mit sechs oder sieben Neutronen erlaubt Rückschlüsse darüber, ob kohlenstoffhaltige Substanzen wie Methan biologischen Ursprungs sind.

Der zunächst auf 23 Monate angelegte Einsatz der mit Atomantrieb ausgerüsteten Sonde trägt ein dickes Preisschild: Zwei Milliarden Euro kostet die Suche nach außerirdischem Leben.