Frank-Walter Steinmeier diskutierte in Hamburg über Organspende. Er war schon Spender und was fast niemand weiß, auch schon Empfänger.

Hamburg. Frank-Walter Steinmeier bleibt nicht ruhig, wenn es um das Thema Organspende geht. "Jedes Jahr sterben in Deutschland 1000 Menschen, weil nicht genügend Organe zur Verfügung stehen", sagte der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion am Freitagnachmittag vor 200 Besuchern bei einer Diskussion im Universitätsklinikum Eppendorf (UKE), bei der es um Organ- und Gewebespende ging. Zweck der Veranstaltung war es, einmal mehr auf die Probleme von Ärzten, genügend Spenderorgane für ihre Patienten zu finden, aufmerksam zu machen. "Da haben wir Frank-Walter Steinmeier eingeladen, weil er im August vergangenen Jahres seiner Ehefrau Elke Büdenbender eine Niere gespendet hat", sagte Hermann Reichenspurner, Leiter des UKE-Herzzentrums. Außerdem erhielt Steinmeier vor einigen Jahren wegen einer Augenerkrankung Hornhaut von einem Verstorbenen.

"Nicht jeder tut sich leicht mit der Entscheidung, Organe zu spenden. Die Frage nach einem Ja oder einem Nein schiebt man lange vor sich her", sagte der SPD-Fraktionschef. Neben ihm auf dem Podium saßen Hamburgs Justizsenatorin Jana Schiedek, Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks, Finanzsenator Peter Tschentscher sowie Klaus Püschel, Direktor des rechtsmedizinischen Instituts am UKE.

Einige Ärzte sprechen sich sogar für eine Organspende-Verpflichtung aus

Etwa 12 000 Menschen in Deutschland warten auf ein neues Organ. 2010 spendeten 1296 Deutsche nach ihrem Tod Organe. 5083 wurden implantiert. "Diese Anzahl der Spender in Deutschland könnte deutlich höher sein, wenn mehr Männer und Frauen einen Spenderausweis hätten - nur jeder vierte Erwachsene besitzt einen", so Steinmeier.

Das liege zum einen an der Weigerung vieler, sich mit dem Tod auseinanderzusetzen, und zum anderen an der Notwendigkeit, das Transplantationsgesetz zu novellieren. Bislang ist es so, dass Organe nur Menschen entnommen werden dürfen, die einen Organspendeausweis haben und somit eingewilligt haben, nach dem Tod Organe oder Gewebe zu Verfügung zu stellen. "Ich bin dafür, dass alle Menschen von den Krankenkassen zur Organspende befragt werden. Zustimmungen sollten auf der elektronischen Gesundheitskarte vermerkt werden", sagte der SPD-Fraktionschef.

Das geht Reichenspurner nicht weit genug: "Es sollte Vorschriften geben, nach denen jeder Deutsche seine Organe nach dem Tod spendet, es sei denn, er widerspricht ausdrücklich." Der Bedarf an Nieren, Herzen und Gewebe wie Hornhaut, Knochen und Sehnen sei einfach zu groß. Das sehen Reichenspurner und seine Kollegen täglich, bei Dutzenden Patienten.

So wie Bente Eggert, 31. Seit drei Monaten wartet sie auf Reichenspurners Station auf ein Spenderherz. "Nach einer Grippe machte mein Herz plötzlich nicht mehr mit, ich litt unter Atemnot und Übelkeit", sagte die Reinfelderin. Vor ihrer Erkrankung hatte sie viel Sport getrieben. "Jetzt darf ich manchmal über den Krankenhausflur gehen." Wann sie ein neues Spenderherz bekommt, weiß sie noch nicht. "Die Hoffnung auf ein zweites Leben ist groß", sagt sie mit Tränen in den Augen.

Rechtsmedizin-Leiter Püschel bestätigte, dass "es Monate dauern kann, bis ein Spenderherz gefunden ist". Besser sehe es bei Gewebespenden aus. Jährlich werden etwa 30 000 Gewebetransplantationen vorgenommen. Das betreffe in erster Linie Augenhornhäute, aber auch Binde- und Stützgewebe, Herzklappen und Blutgefäße. "Ein Mangel macht sich derzeit noch nicht bemerkbar, weil Gewebe importiert werden kann."

Das ist ein großes Glück für Wilfried Giese. Der Rentner aus Wentorf benötigte im vergangenen Jahr aufgrund einer schweren Augenerkrankung neue Hornhaut. "Es war schrecklich. Ich konnte nur noch Schatten erkennen." Das bedeutete eine erhebliche Lebenseinschränkung. "Ich hatte Angst, einkaufen zu gehen, weil ich ja keine Autos auf der Straße sehen konnte. Ich habe nicht mehr gelesen, nicht mehr fernsehen können." Dann wurde er am UKE operiert und erhielt im Mai dieses Jahres neue Hornhaut. "Dann konnte ich wieder sehen, es war ein Wunder." Ob er weiß, wer der Spender war? "Er hieß Dennis, und er war noch sehr jung, als er starb", sagte der 70-Jährige leise und blickte zu Boden.