Wann sollten wir bewusst heimisches Obst und Gemüse kaufen und wann ist es empfehlenswert auf importierte Produkte zurückzugreifen?

Der heimische Apfel ist nicht unbedingt zu jeder Jahreszeit die ökologisch beste Wahl. Nach langer Lagerung mit hohem Energieeinsatz ist im Frühjahr das Produkt von der Südhalbkugel empfehlenswerter. Das Beispiel zeigt: Einfache Lösungen gibt es nicht. Man muss schon genau hinsehen.

Sie ist Täter und Opfer zugleich: Die Landwirtschaft belastet das Klima, ob durch die Methan-Emissionen aus Kuhmägen oder durch austretendes Lachgas aus umgepflügten Böden. Der gesamte Ernährungssektor verursacht knapp 20 Prozent des deutschen Treibhausgasausstoßes.

Treibhausgase heizen die Erde auf, und die Erderwärmung bedroht ihrerseits Ackerbau und Viehzucht in vielen Weltregionen, zum Beispiel in Form von ausbleibenden oder zur Unzeit fallenden Niederschlägen.

Um Lösungen aus diesem Dilemma zu erarbeiten, hat Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) ihre Amtskollegen aus aller Welt am heutigen Sonnabend zur Grünen Woche nach Berlin eingeladen. Während die Politik ihre Gegenmaßnahmen auf dem Acker ansetzt, können Verbraucher Klimaschutz am anderen Ende der Wertschöpfungskette betreiben - bei der richtigen Auswahl der Produkte am Ladenregal.

Energieintensive Treibhäuser und Lagerung

Beheizte Treibhäuser und der Transport mit dem Flugzeug verhageln jede Energiebilanz, sagt Bernhard Osterburg vom Von-Thünen-Institut (vTI), einem von vier Bundesforschungsinstituten des Landwirtschafts- und Verbraucherschutzministeriums. "Obst, das per Schiff aus Südafrika importiert wurde, oder Tomaten aus Spanien schneiden besser ab als mitteleuropäische Ware aus beheizten Treibhäusern", sagt Osterburg. Unbeheizte Treibhäuser seien dagegen unproblematisch, "sie fangen nur die Solarwärme ein".

In den Niederlanden werde derzeit erkundet, inwieweit sich die im Sommer eingefangene Wärme für den Winter speichern lässt, um Treibhäuser mit Solarwärme zu beheizen, so Osterburg. Aber dies seien Zukunftsprojekte, die derzeit noch nicht die Praxis bestimmen.

Generell fällt es schwer, Energiebilanzen für einzelne Lebensmittel oder Warengruppen zu erstellen. Ein Grund: Der Klimaeffekt wird pro Kilo Produkt berechnet und ist dadurch abhängig von der Höhe des Ertrags. Zudem schwankt er mit der Jahreszeit, mit dem Standort und der Art der eingesetzten Vorprodukte (Futtermittel, Kunstdünger etc.).

Das verdeutlicht das Beispiel Äpfel: "Derzeit ist deutsche Ware klimafreundlicher als Äpfel von der Südhalbkugel", so Osterburg. "Aber im Frühjahr kippt das Verhältnis, denn von Monat zu Monat schlägt der Energieeinsatz für die hoch technisierte Lagerung heimischer Äpfel stärker zu Buche."

Widersprüchliche Studien zum Ökolandbau

Auswirkungen hat auch die Art des Anbaus. "Durch ihre deutlich höheren Erträge leistet die konventionelle im Vergleich zur ökologischen Landwirtschaft einen wichtigen Beitrag zur Reduzierung von Treibhausgasen", betont der Industrieverband Agrar zur Grünen Woche. Er vertritt Unternehmen, die mit synthetischen Pflanzenschutzmitteln und Düngern viel Geld verdienen.

Doch gerade der Einsatz solcher Agrochemikalien führte in verschiedenen Studien zum gegenteiligen Ergebnis, nämlich dass der Ökolandbau klimaschonender arbeitet. Dieser Widerspruch zeigt die Bandbreite der Berechnungsverfahren.

Bei Umweltvergleichen zwischen ökologisch und konventionell werden Belastungen, etwa durch Düngemittel, allgemein auf die Fläche bezogen - dadurch erntet die extensivere Biolandwirtschaft Pluspunkte. Dagegen werden Klimaeffekte direkt dem Produkt angerechnet. Hier wirken sich die geringeren Flächenerträge negativ aus. Das untermauert eine am Freitag präsentierte Rechnung von BASF.

Demnach belastet der Anbau von Ökoäpfeln vor allem durch den höheren Treibstoffverbrauch das Klima. Denn der Traktor muss in der Bio-Plantage für dieselbe Erntemenge längere Wege zurücklegen und zudem öfter Pflanzenschutzmittel applizieren, da die ökologischen Präparate weniger (lange) wirksam sind.

Selbst wenn im Einzelfall konventionelle Ware die Nase vorn hat: Generell schneide die Biolandwirtschaft auch beim Klimaschutz eher besser ab, rückt Osterburg die Aussagen zurecht. Hauptgrund seien die klimawirksamen Stickstoff-Emissionen (Lachgas) durch hohe Düngegaben. "Beim Ökolandbau sind wir auf der sicheren Seite, da er den Stickstoff im Boden eher verknappt und damit die Atmosphäre vor Emissionen schützt."

Beispiel Tomate

Allerdings spielt die Anbauform bei vielen Produkten eine wichtigere Rolle als die Art der Bewirtschaftung. Das Max-Rubner-Institut für Ernährungsverhalten zitiert eine Untersuchung zum Tomatenanbau: Wuchsen sie im Freiland, so gibt es noch einen großen Unterschied zwischen konventionell und ökologisch, pro Kilogramm werden umgerechnet 86 Gramm CO2 frei, im Ökolandbau nur 34 Gramm. Der Anbau im unbeheizten Folientunnel verursacht 99 (konventionell) und 63 (ökologisch) Gramm. Bei Treibhausware werden die Unterschiede marginal (1567 zu 1539 g.), und bei beheizten Tunneln schießt der Energieverbrauch dermaßen in die Höhe, dass die Öko-Komponente völlig unbedeutend wird (9305 zu 9271 g.)

Essgewohnheiten

Wer viel Fleisch und Milchprodukte isst, verschlechtert die Klimabilanz deutlich. Molkereiprodukte machen 53 Prozent der Treibhausgasemissionen durch die Lebensmittelproduktion aus, obwohl sie nur einen Anteil von 28 Prozent am Gesamtkonsum haben. Die mit dem Fleischverzehr verbundenen Emissionen liegen mit gut 25 Prozent deutlich über dem Konsumanteil von gut zehn Prozent. Umgekehrt verhält es sich bei Gemüse, Obst, Brot und Teigwaren.

Der Klimaschutzbericht 2008 des Bundeslandwirtschaftsministeriums schätzt, dass der Umstieg auf fleischreduzierte Kost bis zu 27 Prozent der landwirtschaftlichen Emissionen einspart - und gleichzeitig die Gesundheit fördert. Wer zum Vegetarier wird, entlastet das Klima um zusätzliche 15 Prozent. Der Bericht nennt vier weitere Einsparpotenziale: saisonale (Freiland-)Kost und regionale Erzeugnisse (jeweils etwa fünf Prozent), Ökoprodukte (sechs Prozent), Verzicht auf Tiefkühlware (zwei Prozent).

Transport um die halbe Welt

Der Transport beeinflusst die Gesamtbilanz des Treibhausgas-Ausstoßes der Landwirtschaft (mit Handel) nicht allzu stark - nur auf Deutschland bezogen, liegen die Emissionen der Gütertransporte unter denen, die bei der Lagerhaltung und durch sonstige Gebäude entstehen.

Auf internationaler Ebene wird der Klimaeffekt interessanter. Werden exotische oder empfindliche Früchte eingeflogen, wird der Energieaufwand des Transports plötzlich zum wichtigsten Klimafaktor. Beim Vergleich von Schiffs- und Lkw-Wegen gilt die Faustregel: Der Lkw-Transport verbraucht zehnmal so viel Energie wie eine Schifffahrt. Wird zum Beispiel Wein aus Chile über rund 15 000 Kilometer nach Hamburg verschifft, so ist dies weniger klimaschädlich, als die Fahrt eines Rioja, der 2600 Kilometer auf dem Lkw in Hamburg anrollt. Die Rechnung zeigt auch: Deutsche Weine sind klimatechnisch unschlagbar.

Einen weiteren Klimaeffekt hat der Weg zum Supermarkt. Wer auf das Auto verzichtet, hat mindestens eine Packung exotischen Flugobsts gut - bei der deutschen Klimabilanz des Ernährungssektors machen die privaten Einkaufsfahrten fünf Prozent der Gesamtemissionen aus.