Düsseldorf. Viele Menschen leiden unter Verstopfung. Doch schon kleine Umstellungen im Alltag können den Verdauungstrakt wieder in Schwung bringen.

Wer glaubt, Stuhlgang müsse mehrfach täglich sein, irrt: Mancher hat ihn nur dreimal in der Woche – und auch das ist laut Experten in vielen Fällen ein normaler Zustand. Die Schwierigkeiten fangen in der Regel an, sobald sich der gewohnte Rhythmus im Körper ändert und Bauchschmerzen auftreten.

Die Gas­tro-Liga – eine unabhängige Expertenorganisation, die sich die Bekämpfung der Krankheiten von Magen, Darm und Leber sowie von Störungen des Stoffwechsels und der Ernährung auf die Fahne geschrieben hat – gibt an, dass in Deutschland drei Prozent der Bevölkerung in jungen Jahren, acht Prozent der Menschen im mittleren Alter und 20 Prozent im höheren Alter an Verstopfung leiden.

Eine Umfrage des unabhängigen Statistikportals Statista ergab, dass 23 Prozent der Menschen, die monatlich unter Magen- und Darmbeschwerden leiden, Verstopfung haben. Frauen sind davon häufiger betroffen als Männer. Lesen Sie dazu: Darmprobleme bei Frauen – So finden Sie Hilfe

Selten Stuhlgang: Psychische Ursachen für Verstopfung

"Das betrifft Frauen häufiger als Männer, weil sie meist ein schwaches Bindegewebe haben", sagt Victoria Fernandez-Jesberg, Proktologin und damit Spezialistin für Enddarmprobleme. "Nach mehreren Geburten kann sich der Körper und damit auch der Darm verändern", so die Oberärztin an der Klinik für Viszeral-, Minimalinvasive und Onkologische Chirurgie im Marien Hospital Düsseldorf.

Über die Verstopfung zu sprechen, fällt Betroffenen oft schwer – denn Verdauung ist immer noch ein Tabuthema, mit dem man sich auf dem "stillen Örtchen" herumquält. "Dabei können schon kleine Umstellungen hilfreich sein", meint Fer­nandez-Jesberg. Obwohl sie Chirurgin ist, möchte sie erst dann zum Skalpell greifen, wenn es nicht anders geht. Und versucht zunächst in speziellen Sprechstunden mit Fragen die möglichen Ursachen für die Verstopfung herauszufinden.

Diese können laut der Expertin auch psychisch bedingt sein. Hat sich im Leben etwas verändert? Eine Trennung, ein neuer Job, pflegebedürftige Eltern? Stockt der Stuhlgang eventuell in diesem Zusammenhang? Wie oft gehen die Patientinnen und Patienten überhaupt zur Toilette und was passiert dabei? All das sind Fragen, die geklärt werden müssen. "Die meisten kennen das Gefühl gar nicht, sich wie aufgebläht zu fühlen. Es ist aus ihrer Sicht plötzlich aufgetaucht", sagt die Proktologin und beschreibt typische Fälle. Auch interessant: Warum Dauerstress so gefährlich ist

Verstopfung: Veränderung der Ernährungsgewohnheiten als häufige Ursache

Fallbeispiel 1: Die schlanke Frau Anfang 30, die sich durch ihren beruflichen Wechsel plötzlich in einer anderen Situation befindet. Zuvor hat sie vorwiegend im Büro gesessen, tagsüber mehrere Kaffee und einen Liter Wasser getrunken. Jetzt ist sie als Personalberaterin ständig unterwegs – das bedeutet einerseits Stress und andererseits weiß sie vielfach nicht, wo sich die nächstgelegene Toilette befindet. Folglich vermeidet sie das Trinken, um nicht in Verlegenheit zu kommen. Schleichend entwickelt sich das Problem der Verstopfung.

"In dieser oder vergleichbaren neuen Lebenssituationen gibt es zwei Möglichkeiten: Die eine bedeutet, die Situation abzustellen – was hieße, wieder einen ruhigeren Bürojob anzunehmen", erklärt Fernandez-Jesberg. Die andere wäre laut der Expertin eine langsame Veränderung der Ernährungsgewohnheiten, bis sich die Betroffenen möglicherweise an die neuen Umstände gewöhnt haben. "Also immer ein Getränk dabeihaben und sich auch an fremden Orten trauen, den Weg zur Toilette zu erfragen", empfiehlt die Ärztin. Lesen Sie auch: Öffentliche Toiletten – Sanifair erhöht die Preise

Darm: Ausstülpung kann mit Hilfe einer OP entfernt werden

Fallbeispiel 2: Die Frau um die 60, Mutter zweier Kinder, die permanent das Gefühl hat, eine Art Tischtennisball steckt im Darm fest. Er scheint sich nicht ganz zu entleeren und sie muss mit dem Finger nachhelfen. "Oft hat sich in solchen Fällen eine Ausstülpung in der Darmwand gebildet, in der ein Teil des Stuhls zurückbleibt", erklärt Proktologin Fernandez-Jesberg. Dagegen helfe keine Beckenbodengymnastik, weil dieses Phänomen nicht rückgängig zu machen ist.

Stattdessen rät sie zu einem kleinen operativen Eingriff im Schlüssellochverfahren durch den Anus: "Wir ziehen die Ausstülpung nach innen in den Darm, entfernen sie und vernähen das Gewebe." Da der Darm an dieser Stelle keine Nerven besitze, entstünden dabei meist keine Schmerzen, beruhigt sie.

Träger Darm: Falsche Ernährung oder zu wenig Bewegung führen zu Verstopfung

Über die in den Fallbeispielen geschilderten Ursachen hinaus gibt es noch eine Reihe von weiteren möglichen Gründen für eine Verstopfung, die Männer wie Frauen gleichermaßen betreffen. "Zum Beispiel zu wenige Ballaststoffe in der täglichen Ernährung oder zu wenig Bewegung", sagt Alexandra von Herbay, Chefärztin der Klinik für Innere Medizin am Düsseldorfer St.-Vinzenz-Krankenhaus. "Auch ein Tumor kann verantwortlich dafür sein, dass im Darm nichts mehr vorangeht." Bei einer Darmspiegelung lasse sich herausfinden, ob das der Fall sei.

Bei einer Verstopfung kann es auf der Toilette auch mal länger dauern.
Bei einer Verstopfung kann es auf der Toilette auch mal länger dauern. © imago stock&people | imago stock&people

Idealerweise kommt das Verdauungsorgan allerdings erneut in Schwung, sobald man es beispielsweise mit Vollkorn- anstelle von stopfendem Weißbrot versorgt, Bananen oder Schokolade nur sparsam isst und sich stattdessen ein Joghurt mit Weizenkleie zubereitet. Zusätzlich kann der Stuhl mithilfe von magnesiumhaltigen Getränken oder Flohsamenschalen, die es unter anderem im Drogeriemarkt zu kaufen gibt, weicher gemacht werden. Lesen Sie hier: Vegetarisch und vegan für Kinder – Ist das gesund?

Verstopfung: Auch Medikamente können Schuld sein

Auch ein Blick auf die Beipackzettel der Medikamente, die man einnimmt, kann hilfreich sein: So können etwa Schmerzmittel wie Morphine oder Psychopharmaka die Verdauung beeinflussen. Eventuell muss man dann mit dem behandelnden Arzt über die Dosierung oder eine Änderung der Medikation sprechen. Ergänzend gibt es auch die Möglichkeit, den Stuhlgang zusätzlich medikamentös zu regulieren.

Beide Expertinnen raten jedoch davon ab, regelmäßig Abführmittel zu nehmen. "Sie können höchstens kurzfristig im Urlaub genommen werden, wenn etwa fremdartige Lebensmittel für eine Verstopfung sorgen", sagt Victoria Fernandez-Jesberg. Alexandra von Herbay ergänzt: "Auf Dauer können sie den Darm noch träger machen und sollten nur nach Rücksprache mit dem Arzt genutzt werden."

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.