Berlin. Nur 20 Prozent der IT-Studierenden sind Frauen. Franziska Boenisch hat sich durchgebissen und schreibt zurzeit an ihrer Masterarbeit.

Auf welchen Wegen krabbeln Bienen eigentlich durch ihren Bienenstock? Kann man ein Bewegungsprofil einzelner Tiere erstellen?

Franziska Boenisch (25) kann das: Sie versieht Bienen, ganz vorsichtig und für die Tiere unbedenklich, mit einem individuellen Barcode, lässt eine Kamera drei Bilder pro Sekunde machen und programmiert dann „nur noch“ die entsprechende Software.

Artificial and Collective Intelligence heißt die Arbeitsgruppe, in der die Informatik-Studentin arbeitet. Die Gruppe ist am Dahlem Center for Machine Learning and Robotics im Fachbereich Mathematik und Informatik an der Freien Universität (FU) angesiedelt.

Klassische Stereotype zu Informatikern im Kopf

„Ich hatte Informatik für mich eigentlich nie auf dem Schirm gehabt“, erzählt Boenisch von ihrem Weg in das Fachgebiet, für das sie heute brennt.

Als sprachinteressierte Schülerin ging sie auf ein Schöneberger Gymnasium mit deutsch-französischem Zweig und hatte die klassischen Stereotype im Kopf: Informatiker, das sind Männer, die seit ihrer Kindheit nur vor dem Computer herumhängen. „Da hab ich mich eigentlich nicht gesehen.“

Als Informatiklehrerin in die Türkei

Neugierig war sie aber doch. In der Oberstufe belegte Boenisch den Grundkurs Informatik – als einziges Mädchen unter lauter Jungen, aber bei einer „fantastischen Informatiklehrerin“, wie sie erzählt.

Nach dem Abitur unterrichtete sie in einem Freiwilligeneinsatz Informatik-AGs an der deutschen Konsulatsschule in Izmir in der Türkei. Danach stand ihr Entschluss fest: Sie würde Informatik studieren.

Der Start an der FU war aber erst mal ein Schock, „weil tatsächlich viele meiner Vorurteile von meinen Kommilitonen bestätigt wurden“, sagt Franziska Boenisch.

Gute Noten motivierten trotz fehlender Vorkenntnisse

Außerdem fehlten ihr einige Vorkenntnisse. „Während die anderen mit dem Programmieren angefangen haben, war ich noch damit beschäftigt zu entdecken, dass es noch andere Betriebssysteme als Windows gibt.“

So wenige Lehrstellen-Bewerber gab es seit 1994 nicht mehr.

Aber sie ließ sich nicht abschrecken. „Ich habe mich sehr angestrengt und auch sehr gute Klausurergebnisse erzielt, und das hat mich dazu motiviert, wirklich dabeizubleiben.“

Boenisch begann, sich für Datenanalyse zu begeistern. „Wahrscheinlich auch wieder, weil die Vorlesung Datenbanksysteme von einer Frau gegeben wurde“, sagt sie.

Erster Informatik-Job beim Lieferdienst

Es kamen erste Jobs, bei denen Daten eine Rolle spielten, zum Beispiel als Werkstudentin beim Bestelldienst Lieferando. Dann folgte der Einstieg in die Forschung mit einem Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) für Taiwan und der Schritt in die FU-Arbeitsgruppe, die Bienen markiert und filmt.

Als Frau in der Männerdomäne Informatik – das sei erst einmal schwierig gewesen, erinnert sich Boenisch. Zum wöchentlichen Fußballspielen wurde sie von den Kollegen gar nicht erst eingeladen.

Auch für die Arbeit relevante fachliche Informationen, die dabei ausgetauscht wurden, bekam sie so nicht mit. Also organisierte sie alternative Freizeittermine für das Team. Man müsse schon hart kämpfen und sich anpassen.

Frauenanteil bei 20 Prozent im Studium

„Das fachliche Interesse hat mich lange Zeit über die Probleme hinweggetragen“, sagt sie. „Und jetzt bin ich an einem Punkt, an dem ich weiß, wie ich mich in der Welt hier bewege.“

Bei Mittelständlern bleibt jede dritte Stelle unbesetzt.

Der Frauenanteil an allen Studierenden in der Informatik liegt in Berlin bei rund 20 Prozent. Gern möchte Franziska Boenisch Mädchen und jungen Frauen den Zugang zu dem Fach leichter machen.

In ihrem Job an der Uni arbeitet sie darum auch für das Projekt „MINToring“, in dem sie Informatik-Workshops für Schülerinnen ab der siebten Klasse organisiert. Auch wenn die sich dann später nicht für die IT entscheiden – eine Erweiterung des Horizonts sei es in jedem Fall, findet Franziska Boenisch.

Frauenquote sollte erhöht werden

Zumal die Informatik vielfach als etwas rein Analytisches falsch gesehen werde. „Lösungsentwürfe zu Problemstellungen zu finden, ist so ein kreativer Prozess“, sagt die 25-Jährige. „Ich denke, da könnte die Informatik sehr profitieren, wenn sich die Frauenquote erhöhen würde.“

Expertin: „Dual Studierende wissen genau, was sie wollen.“

Gerade Interesse an Sprachen sei hilfreich, findet Boenisch. Schließlich heiße es nicht umsonst Programmiersprache. Sie selbst hat fünf Fremdsprachen gelernt: außer Französisch und Englisch auch noch Türkisch, Spanisch und Niederländisch.

Netzwerken mit Gleichgesinnten

In diesem Jahr durfte Boenisch als eine von deutschlandweit sechs Stipendiatinnen des Hasso-Plattner-Instituts zum Grace-Hopper-Kongress nach Houston/Texas reisen. Mit rund 20.000 Teilnehmerinnen ist das die weltweit größte Konferenz für Frauen in der IT.

Der Kongress bietet Fachvorträge, Workshops und eine Jobmesse. „Das war für mich eine ganz tolle Möglichkeit, mich mit anderen Frauen zu vernetzen, die im gleichen Gebiet forschen“, schwärmt Boenisch.

Masterarbeit über „Differential Privacy“

Anfang kommenden Jahres will die Informatikerin ihre Masterarbeit im Themenfeld Differential Privacy fertigstellen. Darunter versteht man die Nutzung von Datenanalysen bei gleichzeitiger Wahrung der Privatsphäre.

Das interessiert sie, „weil ich das Gefühl habe: Das ist was Gutes, was man mit Daten machen kann“. Danach möchte sie promovieren.

Duales Studium: Doppelte Belastung, doppelter Erfolg.

Und langfristig? Unterrichten macht ihr Freude, mit Menschen arbeiten, auch Organisation und Management. Franziska Boenisch möchte Nachwuchs-Informatikerinnen unterstützen. Und wenn sie einmal „ganz frei träumen“ könnte, würde sie gern Professorin werden.