Umweltministerin fordert neue Regeln für Anbau veränderter Pflanzen. EU-Mitgliedstaaten sollen selbst entscheiden

Berlin. Lange und sehr kontrovers hatten die 28 EU-Staaten über den weiteren Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen (GVO) verhandelt. Ende vergangenen Jahres war schließlich ein Kompromiss gefunden, den das EU-Parlament am Dienstag mit einer deutlichen Mehrheit von 480 Jastimmen gebilligt hat. Nur 159 Europaabgeordnete stimmten dagegen. Die Mitgliedsstaaten können den Anbau von Genpflanzen nun leichter verbieten. Der Europaparlamentarier Peter Liese (CDU) sagte nach der Abstimmung: „Es ist richtig, den Mitgliedsstaaten die Wahl zu lassen, den Anbau von genveränderten Pflanzen zu erlauben oder zu verbieten.“

Grundlage der neuen Richtlinie ist die sogenannte Opt-Out-Regelung. Ein Verbot bestimmter Genpflanzen war bislang nur in Ausnahmefällen möglich. So hatte beispielsweise die frühere Agrarministerin Ilse Aigner (CSU) im Jahr 2009 die Zulassung für den Genmais MON810 des US-Konzerns Monsanto aufgehoben, weil neue Umweltrisiken bekannt geworden waren. Auch Frankreich, Österreich, Griechenland, Luxemburg, Ungarn und Polen haben die Schutzklausel genutzt und ein nationales Anbauverbot verhängt.

Künftig sollen Staaten auch auf politische Gründe verweisen können, wenn sie keine grüne Gentechnik im Land haben wollen – etwa weil die Verbraucher diese ablehnen. In Deutschland haben Umfragen wiederholt gezeigt, dass eine deutliche Mehrheit der Bundesbürger keine Genlebensmittel wollen. Weil GVO-Produkte auf dem deutschen Markt keine Chance haben, lehnt auch der Deutsche Bauernverband den Anbau entsprechender Pflanzen ab. Der Opt-Out-Klausel muss nun noch der EU-Ministerrat formal zustimmen. In Kraft tritt die Neuregelung 20 Tage nach Veröffentlichung im „Europäischen Amtsblatt“. Dann muss die Bundesregierung die Vorgaben aus Brüssel in nationales Recht umsetzen. Federführend ist dabei Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU). Dieser hatte in Interviews immer wieder betont, dass Deutschland ganz gut ohne den Anbau von Genpflanzen auskommen könne.

Wie ein Anbauverbot ausgestaltet werden könnte, wird zwischen Bund und Ländern bereits beraten. Strittig ist vor allem die Frage, ob ein Verbot bundesweit gelten oder ob dieses für einzelne Regionen erlassen werden sollte. Im letzteren Fall müsste geklärt werden, was genau eine Region ist: eine Gemeinde, ein Landkreis oder ein Bundesland. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) hat sich klar positioniert. Sie fordert, für das gesamte Bundesgebiet den Anbau von GVO-Pflanzen dauerhaft auszuschließen.

In einem Positionspapier erklärt Hendricks einen EU-weiten Verzicht auf grüne Gentechnik für wünschenswert. Ziel dabei sei vor allem, eine mögliche Auskreuzung in die Natur zu verhindern. Auch sollte auf diese Weise ausgeschlossen werden, dass sich Gensaatgut und konventionelles vermischen. Da jede Genpflanzensorte für den Anbau in der EU ein Zulassungsverfahren durchlaufen muss, will Hendricks, dass dabei in jedem Fall Deutschland als Anbaugebiet herausgenommen wird. Derzeit liegt ein Antrag für den Genmais 1507 der Firma Pioneer zur Entscheidung bei der EU-Kommission vor.

In der EU spielt der Anbau von Genpflanzen wirtschaftlich bislang nur eine untergeordnete Rolle. Lediglich in Spanien wird der Genmais MON810 in größerem Stil angebaut. GVO-Sorten haben an der gesamten nationalen Maiserzeugung einen Anteil von rund 30 Prozent. Auch in Portugal, Tschechien, Rumänien und der Slowakei wird Genmais angebaut, allerdings auf niedrigem Niveau. Bezogen auf die gesamte EU hat der Genmais mit etwa 150.000 Hektar an der gesamten Maisanbaufläche lediglich einen Anteil von rund 1,2 Prozent.

Genmais hat den Vorteil, dass er sein eigenes Herbizid produziert und so gegen den schädlichen Maiszünsler immun ist. Auf den Einsatz weiterer Schädlingsbekämpfungsmittel kann verzichtet werden. Auch ist der Anbau besonders bodenschonend, weil nach der Ernte die Maisstoppeln nicht mehr untergepflügt werden müssen, um die Larven des Maiszünslers zu bekämpfen. Doch Gegner der grünen Gentechnik sehen vor allem die vermeintlichen Risiken.

Dabei hat eine Analyse wissenschaftlicher Studien zur grünen Gentechnik im Auftrag der EU ergeben, dass von GVO-Pflanzen keine größere Gefahr für die Umwelt ausgeht als von herkömmlichen Pflanzen. Nach Angaben des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) gibt es aus Ländern wie den USA und Kanada, wo Genlebensmittel schon länger auf dem Markt sind, keine Erkenntnisse, dass sich der Verzehr schädlich auf die Gesundheit des Menschen ausgewirkt habe. Greenpeace dagegen warnt, dass Genpflanzen möglicherweise verstärkt allergische Reaktionen auslösen könnten.