Am Sonnabend hatte der islamistische Prediger einen Auftritt in der Hansestadt – eine Mischung aus Karneval und Propaganda

St. Georg. Gegen 16.30 Uhr am Sonnabend ist es auf dem Hachmannplatz in Hamburg noch immer sehr heiß. Fast 35 Grad, Schatten sucht man hier vergebens. Trotzdem gibt es eine ganze Reihe von Frauen, die ihren Körper mit einer Burka oder einem Hidschāb, einer Art Ganzkörpertuch, komplett oder fast komplett verhüllt haben, während die meisten Männer Freizeitkleidung tragen. Viele Passanten müssen zweimal hinschauen: Wer tut sich so etwas an, bei dieser Hitze?

Auf dem Hachmannplatz wartet die Menge mehr oder weniger gespannt auf ihn: Pierre Vogel, 36, Deutschlands bekanntesten Salafistenprediger, der mal wieder zu seinen Anhängern sprechen will. Diesmal zum Thema: „Gerechtigkeit für Palästina! Was bietet der Islam für Alternativen?“ Es ist bereits sein dritter Auftritt in der Hansestadt. Vogel sieht im Norden offenbar noch viel Potenzial für seine Thesen. Schließlich wächst hier die Salafistenszene: Der extrem-fundamentalistischen Ausrichtung des Islam gehörten in der Hansestadt 2013 nach Angaben des Verfassungsschutzes 240 aktive Mitglieder an, 40 mehr als noch im Jahr zuvor, Sympathisanten nicht eingerechnet.

Doch zur Kundgebung am Sonnabend kommt nur die Hälfte der von der Polizei erwarteten Teilnehmer. Während Vogel bei seinem letzten Auftritt in Hamburg vor drei Jahren am Dammtor noch 1100 Anhänger mobilisieren konnte, waren es jetzt nach Angaben der Polizei gerade mal 250, vor allem junge Männer. Liegt das an der Hitze? Oder doch eher an der schwindenden Strahlkraft des Salafistenpredigers, der nach Einschätzung des Verfassungsschutzes in der Szene längst nicht mehr unumstritten ist?

Mit der üblichen Verspätung von einer Stunde betritt der Mann mit dem markanten roten Rauschebart um 17.30 Uhr den zur Bühne umfunktionierten Hänger. Sein Auftritt wirkt auf die Teilnehmer nach der sehr ernsten und ermüdenden Vorrede des Salafistenführers Sven Lau, auch bekannt als Abu Adam, wie ein Weckruf. Lau war erst Mitte Mai aus der Stuttgarter Untersuchungshaftanstalt entlassen worden: Er soll mehrere Islamisten angestiftet haben, im Syrien-Krieg zu kämpfen.

Doch auf ihn, den bulligen Mann im weißen Kaftan, haben alle gewartet. So radikal Vogels Rhetorik auch sein mag, so hemdsärmelig gibt sich der Rheinländer, wenn er zu seinen Leuten spricht. „Willkommen zur heutigen Hasspredigt“, witzelt Vogel gleich zu Beginn. Und so geht es weiter. Zwischen Hetze gegen die Ungläubigen, Parolen wie „Grundort der Frau ist das Haus“ und der Glorifizierung der eigene Sache passt immer wieder eine Zote. Mal verweist er schalkhaft auf den „Verfassungsschmutz, äh, -schutz“. Dann ruft der in der Nähe von Köln geborene Vogel im Tonfall des Büttenredners den wenigen Gegendemonstranten, darunter Aktivisten der AfD, auf dem Hachmannplatz zu: „Schaut doch mal, wie friedlich diese Salat-Fisteln sind.“ Damit alle wissen, wann sie lachen müssen, hebt er zum Satzende hin seine Stimme noch einmal deutlich an.

Als Vogel dann seine Version des umstrittenen Gaucho-Tanzes der deutschen Fußball-Nationalspieler präsentiert, ist man gedanklich endgültig beim Kölner Karneval angekommen. „So geh’n die Christen“, stimmt Vogel an, und läuft in gekrümmter Verliererpose über die Bühne, um sich dann kerzengerade aufzurichten und fröhlich zu singen: „So geh’n die Muslime.“ Seine Anhänger danken es ihm mit Gelächter und viel Beifall. Auf Außenstehende wirkt das ziemlich bizarr.

Es sind Showeinlagen wie diese, die dem Ex-Boxer in Salafistenkreisen viel Kritik eingebracht haben. Weil Vogels Bedeutung nach Aussage des Verfassungsschutzes in Nordrhein-Westfalen abnimmt, wolle er sich mit seiner Familie in Hamburg niederlassen.

Bisher war das nur Spekulation. Den entscheidenden Satz zu seiner Zukunft verkauft Vogel am Sonnabend, passenderweise zwischen ein paar Witzen, als flotten Spruch. „Da Hamburg so eine coole Stadt ist, komme ich bald“, sagt er. Wie das Abendblatt aus Polizeikreisen erfuhr, soll er sich bereits Wohnungen in Wilhelmsburg angeschaut haben.