Sonnabend predigt der Islamist am Hauptbahnhof. Angeblich ist er auf Wohnungssuche in Hamburg. Harburger Moschee Anlaufstelle der Extremisten

St. Georg. Er nutzt mittelalterliche Rhetorik. Preist den Propheten des Islam mit breitem rheinischen Akzent. Und provoziert: Die Steinigung von Frauen hat er schon gefeiert. Gefordert, dass Dieben die Hand abgehackt werden soll. Es sind bewusste Provokationen, die der 35-jährige Salafisten-Prediger Pierre Vogel aussendet. Die spektakulären und emotionalen Auftritte des ehemaligen Boxers, der offenbar nach Hamburg ziehen will, lockt viele Muslime, vor allem junge und Konvertiten, an.

Am Sonnabend werden wieder 500Menschen zu einer Pro-Palästina-Veranstaltung am Hachmannplatz beim Hauptbahnhof erwartet, um den Ausführungen des rotbärtigen Muslimen zu folgen. Es wird sein dritter öffentlicher, als Kundgebung angemeldeter Auftritt in der Hansestadt.

Bereits im Dezember hatte er am Hansaplatz und drei Jahre zuvor am Dammtor das Wort geführt. Die Polizei erwartet, dass es am Sonnabend friedlich bleibt. Sprechen will Vogel zum Thema „Gerechtigkeit für Palästina, was bietet der Islam für Alternativen?“, wie er auf seiner Facebook-Seite verkündet, auf der er sich als „Person des öffentlichen Lebens“ darstellt. Die Sicherheitsbehörden glauben vielmehr, dass Vogel Nachwuchswerbung betreiben will. In einer Stadt, in der die Salafisten-Szene immer offener und aktiver agiert.

„Wir möchten die Öffentlichkeit darauf aufmerksam machen, dass die Versammlung auf dem Hachmannplatz keine harmlose Veranstaltung ist“, sagt der Vize-Chef des Verfassungsschutz-Landesamtes, Torsten Voß. „Die Organisatoren sind Salafisten und deren Gesellschaftsmodell ist mit unseren demokratischen Werten absolut unvereinbar. Zudem haben wir Erkenntnisse, dass Pierre Vogel die Nähe zur dschihadistisch-salafistischen Szene sucht.“

240 Salafisten, Mitglieder einer besonders fundamentalistischen Ausrichtung des Islam, zählte der Verfassungsschutz in 2013 in Hamburg, 40 mehr als noch im Jahr zuvor. Sie wollen den Islam von allen vermeintlich „unerlaubten“ Neuerungen bereinigen, heißt es im Verfassungsschutzbericht, werden zur Gruppe der Islamisten, der radikalen Muslime, gezählt, der insgesamt 2200 Menschen zugerechnet werden. Die dschihadistisch-salafistische Szene wiederum wird von etwa 70 Salafisten in Hamburg getragen, die den weltweiten bewaffneten Heiligen Krieg, den Dschihad, propagieren oder sogar unterstützen. So sind mehr als zwei Dutzend zumeist junge Salafisten aus Hamburg ins Bürgerkriegsgebiet nach Syrien gereist, um sich islamistischen Rebellengruppen im Kampf gegen Machthaber Baschar al-Assad anzuschließen.

Eine der Anlaufstellen dieser Gruppierung ist die Taqwa-Moschee in Harburg, heißt es beim Verfassungsschutz. Und genau diese soll Vogel, der als Jugendlicher Deutscher Juniorenmeister im Halbschwergewicht war, 2001 konvertierte, in Saudi-Arabien Koran studierte und teils in Ägypten lebte, immer wieder besucht haben, bei seinen Aufenthalten in der Vergangenheit.

Vielleicht wird Vogels Auftritt ja auch eine Art Bewerbungsmonolog, mit dem er sich in der Hansestadt beliebt machen will. Nach Ansicht des Verfassungsschutzes will sich der 35-Jährige, dessen Hauptaktionsradius sich bislang auf das Ruhrgebiet beschränkte, mit seiner Familie in Hamburg niederlassen. Dafür soll er bereits aktiv nach einer Wohnung suchen. Mehrfach soll er zudem in den vergangenen Monaten bei bekannten Hamburger Salafisten gesichtet worden sein. „Ein möglicher Grund für Vogels Umzug könnte seine abnehmende Bedeutung in Nordrhein-Westfalen sein“, erläutert der designierte Verfassungsschutzchef Voß, der die Amtsgeschäfte von Manfred Murck am 1. August übernehmen wird. „Allerdings haben wir Erkenntnisse, dass er auch in der Hamburger salafistischen Szene nicht unumstritten ist. Andere salafistische Prediger kritisieren seine öffentlichen Auftritte, bei denen im Übrigen die Teilnehmerzahlen seit seinem ersten Auftritt in Hamburg deutlich zurückgegangen sind.“ 2001 kamen 1100interessierte Muslime zum Dammtor.

Was ein möglicher Umzug Vogels für die islamistische Szene bedeutet, ob in Zukunft noch deutlich stärker salafistische Bestrebungen in Hamburg zu verzeichnen sein werden, ist noch nicht klar. Vogel kündigte laut Verfassungsschutz bereits an, seine Missionierungsarbeit in Hamburg ausbauen zu wollen. „Bisher sind Salafisten insbesondere sonnabends mit Info-Ständen in der Öffentlichkeit präsent, an denen unter anderem kostenlos Koran-Ausgaben verteilt werden“, sagt Voß.

Zuletzt hatte ein Papier mit dem Titel „Religiös gefärbte Konfliktlagen an Hamburger Schulen“ des Landesinstituts für Lehrerbildung und Schulentwicklung für Aufregung gesorgt. Demnach gab es an mindestens sieben Hamburger Schulen, vor allem im Osten der Stadt, Konflikte mit radikalisierten Jugendlichen. Insbesondere sollen Salafisten an Schulen Anhänger geworben haben. Lehrer berichteten von islamistischen Parolen auf Schulhöfen. Schulleiter sahen sich Forderungen gegenüber, Gebetsräume einzurichten. Mädchen sollen angepöbelt worden sein, weil sie sich nicht dem Koran entsprechend kleideten. Es handele sich um Einzelfälle, sagte die Schulbehörde.