Beim Gipfeltreffen von Angela Merkel und Donald Tusk geht es vor allem um die Krise im Osten. Beide Länder wollen gemeinsam helfen

Warschau. Der Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Warschau fiel genau auf das 15. Jubiläum des Nato-Beitritts Polens. Doch festlich war die Stimmung in Warschau nicht wirklich. Denn der Besuch wurde von den Spannungen rund um die Ukraine dominiert und den Herausforderungen, die sie nicht nur für dieses Bündnis mit sich bringt. Merkel und Polens Ministerpräsident Donald Tusk waren sich einig, dass die bisherigen Bemühungen, eine Russisch-Europäisch-Amerikanische Kontaktgruppe zu gründen, gescheitert sind. „Die Bundeskanzlerin und ich mögen Ordnung. Deswegen wird jetzt in Brüssel über die nächste Stufe der Sanktionen gesprochen“, sagte Tusk nach dem Treffen. Dennoch wollten Deutschland und Polen weiterhin auf Dialog setzen. Putins Mittel wollten sie nicht einsetzen.

Die einzige Alternative bestehe darin, den ukrainischen Staat zu unterstützen. Deswegen hätten die Regierungschefs die Gründung einer deutsch-polnischen Mission in der Ukraine vorgeschlagen. Auf die Frage, worin konkret die Aufgabe dieser Mission bestehen solle, erklärte Tusk, die Vertreter könnten der Übergangsregierung dabei helfen, die Finanzhilfen der USA, EU und des Internationalen Währungsfonds sinnvoll einzusetzen. Merkel wies darauf hin, dass allerdings noch die Zustimmung der ukrainischen Regierung zu der Entsendung eingeholt werden müsse.

Die beiden Regierungschefs erklärten zudem, der politische Teil des EU-Assoziierungsabkommens mit der Ukraine könne schon am kommenden Donnerstag unterzeichnet werden. Der Abbruch der Verhandlungen über das Abkommen durch die damalige Regierung von Viktor Janukowitsch hatte im November vergangenen Jahres den Anstoß zu jener Protestbewegung gegeben, die Ende Februar zum Sturz des Präsidenten führte. Allerdings ist der politische Teil des Abkommens noch nicht völkerrechtlich bindend. Es handelt sich vor allem um eine Solidaritätsbekundung an die Regierung des Übergangspremiers Arseni Jazenjuk.

Für den kommenden Sonntag soll ein Referendum auf der Krim über den Beitritt der Halbinsel zu Russland oder einen selbstständigeren Autonomiestatus innerhalb der Ukraine entscheiden. Die Europäische Union hält die Abstimmung, die von prorussischen Politikern im Regionalparlament verabschiedet wurde, für verfassungswidrig. Parallel zu geplanten Sanktionen der EU bereitet sich die Nato militärisch vor. Am Dienstag und Mittwoch wurden von dem Bündnis Awacs-Aufklärungsflugzeuge nach Polen und Rumänien entsandt. Die USA haben weitere Flugzeuge in die Region verlegt. Merkel erklärte, dass die Sicherheit Polens auch für Deutschland ein wichtiges Anliegen sei.

Die Kanzlerin und der polnische Premier verstehen sich menschlich sehr gut. Doch die Interessen ihrer Staaten stimmen dieser Tage nicht in allen Punkten überein. Einerseits wollen Polen und Deutschland den Konflikt um die Krim auf friedlichem Wege lösen. Tusk nutzt die Krise aber auch, um sein Land innerhalb Europas und der Nato neu zu positionieren. Er hat seinen höchst profilierten Außenminister Radoslaw Sikorski auf eine diplomatische Offensive geschickt. Sikorski trifft sich täglich mit Kollegen und versucht der EU-Öffentlichkeit zu verdeutlichen, wieso die Ukraine-Krise das Problem aller ist. Doch gerade im Zusammenhang mit dem Nato-Jubiläum werden die Ereignisse im Nachbarland Ukraine mit besonderer Tiefe analysiert.

Nach Ansicht des polnischen Ex-Präsidenten Alexander Kwasniewski wäre der Ukraine-Konflikt für sein Land „eine extrem ernste Bedrohung“, wenn es das Militärbündnis mit seiner Beistandsverpflichtung nicht gäbe: „Heute sind wir unter dem Nato-Schirm und können ruhiger schlafen.“ Ähnlich sehen das offenbar seine Landsleute: Einer Umfrage zufolge befürworten 62 Prozent der Polen die Nato-Mitgliedschaft, bloß vier Prozent sind dagegen.

So will die polnische Regierung jetzt auch die Modernisierung der Armee besonders vorantreiben und signalisiert Zufriedenheit mit der Reaktion der USA, bis Donnerstag zwölf zusätzliche F-16 Kampfflugzeuge nach Polen zu schicken. „Die polnische Ostpolitik ist nur im Rahmen der gemeinsamen Politik der EU sinnvoll“, sagte Tusk am Mittwoch. Der polnische Nationalbankchef Marek Belka schlägt vor, so schnell wie möglich der Euro-Zone beizutreten. Dies solle Polen mehr Entscheidungskraft innerhalb der EU geben.

Dabei soll es auch um Energieunabhängigkeit gehen. Tusk kritisierte die europäische Abhängigkeit von russischen Energielieferungen im Vorfeld des Besuchs der Bundeskanzlerin und des EU-Gipfels kommende Woche. Dabei ist Polen selbst stark von fremdem Gas abhängig. Kurz bevor Angela Merkel mit militärischen Ehren in Warschau begrüßt wurde, erklärte Tusk einem polnischen Radiosender, wie die Abhängigkeit vom russischen Gas gelöst werden könnte. Die EU-Staaten sollten ihr Gas zukünftig gemeinsam einkaufen. So wäre es unmöglich für Russland, einen solchen Kunden zu ignorieren.

Auch die die G7-Staaten verschärften ihre Haltung gegenüber Moskau. Sie warnten Russland in einer gemeinsamen Erklärung eindringlich vor einer Annexion der Krim und drohten „weitere Maßnahmen“ an, falls Moskau die Souveränität der Ukraine nicht achte. In der G7-Erklärung heißt es dann weiter, das Krim-Referendum sei illegal, weshalb die G7-Staaten das Ergebnis nicht anerkennen würden. Eine Annektierung der Krim verletze Souveränität und territoriale Unversehrtheit der Ukraine. Russland müsse alle „Maßnahmen zur Unterstützung eines Referendums“ beenden. Die Volksabstimmung verstoße gegen ukrainisches Recht und das Völkerrecht.

Die G7 forderten Russland zudem auf, seine Truppen auf der Krim „auf die Vor-Krisen-Stärke zurückzuführen“. Einzelheiten zu den angedrohten weiteren Maßnahmen machten sie nicht.

Der Gemeinschaft gehören Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada und die USA an. Auch die EU nimmt an den Beratungen teil. Die G7 wurde 1998 durch Aufnahme Russlands zur G8 erweitert. Die sieben Staaten hatten bereits ihre Arbeit an der Vorbereitung des G8-Gipfels ausgesetzt, der Anfang Juni im russischen Schwarzmeer und Olympiaort Sotschi geplant ist.