Für ihre Pläne bekommt die CSU Argumente aus Brüssel. Möglich wäre eine Vignette, bei der unterm Strich nur Ausländer zahlen.

Brüssel/Berlin. Es handelt sich wirklich um unerwartete Schützenhilfe: Ausgerechnet die EU-Kommission hat jetzt eine Möglichkeit aufgezeigt, wie die Pkw-Maut für Ausländer, wie sie CSU-Chef Horst Seehofer seit langem fordert, umgesetzt werden kann. Monatelang lautete das Mantra, dass die Maut für Ausländer nicht möglich, weil mit EU-Recht unvereinbar ist. Eine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit sei verboten, hieß es.

Die Oppositionsparteien hielten der CSU im Wahlkampf dieses Argument immer vor. Seehofer kenne sich nicht aus, mache den Leuten etwas vor, so hieß es. Nach einer Stellungnahme der EU-Kommission ist die Maut für ausländische Pkw aber unter Bedingungen doch möglich: etwa wenn sie für alle Autos erhoben würde und es zugleich einen Ausgleich für inländische Fahrer gäbe, so wie von der CSU vorgeschlagen. Im Rahmen der Koalitionsverhandlungen von Union und SPD wollen die Verkehrsexperten beider Parteien an diesem Donnerstag jetzt erneut beraten.

In einer Antwort von EU-Verkehrskommissar Siim Kallas auf eine Anfrage der Grünen zur Pkw-Maut heißt es: „Grundsätzlich stellt eine Senkung der Kraftfahrzeugsteuern für gebietsansässige Nutzer... bei gleichzeitiger Erhebung angemessener Nutzungsgebühren für alle Nutzer also keine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit dar.“ Undenkbar ist laut Kallas aber etwa eine Koppelung, bei der die Deutschen gar keine Maut zahlten: Deutsche Autofahrer dürften nicht eine Vignette mit dem Kfz-Steuerbescheid ohne weitere Kosten zugestellt bekommen, während gebietsfremde Fahrer eine Vignette kaufen müssten, sagte Kallas.

Diese Einlassung bestätigt die Meinung einzelner Experten. Unlängst hatte der Hamburger Verkehrsexperte Holger Schwemer sie erläutert. Demnach müsse es aber eine zeitliche Entkopplung von Maut und Steuersenkung geben. Falls es die CSU schaffe, zunächst die Pkw-Maut sowohl für In- als auch Ausländer einzuführen und die Kfz-Steuer im Nachhinein mit der Begründung der „günstigen staatlichen Kostenentwicklung“ zugunsten der (einheimischen) Bürger zu senken, wäre ein erfolgreiches Aufbegehren gegen dieses Vorgehen laut Schwemer zumindest „erheblich erschwert“. Auch aus dem Bundesverkehrsministerium von Peter Ramsauer (CSU) häuften sich zuletzt die Signale, dass es durchaus derartige Möglichkeiten gebe. Ramsauer war anfangs ein Skeptiker der Maut. Auch sein Haus verwies dabei auf das EU-Recht.

Die Nachricht aus Brüssel platzt in die Koalitionsverhandlungen wie eine Bombe. Und sie entfaltet bereits ihre Wirkung. Die SPD äußert sich zwar nach wie vor ablehnend, schwenkt aber im Grunde bereits auf die „Maut-für-alle-Variante“ ein. „Die EU sagt eindeutig, es geht nur mit einer Einführung der Pkw-Maut für alle“, sagt der SPD-Verkehrsexperte Sören Bartol und kritisiert am Ausgleich über zu senkende Kfz-Steuern: „Eine Kompensation für die deutschen Pkw-Fahrer bei der Kfz-Steuer bevorzugt große Fahrzeuge mit hohem CO2-Ausstoß.“

Grundsätzlich hat die SPD in ihrem Wahlprogramm die Maut gar nicht erwähnt. Sie hat sie aber auch nicht explizit ausgeschlossen. Klares Ziel der SPD waren dagegen höhere Ausgaben für die Verkehrsinfrastruktur. Dafür sollten Steuererhöhungen vorgenommen werden. Diese hat die Union strikt abgelehnt. Die Maut für Ausländer würde nun aber Mehrausgaben für die Infrastruktur zwischen 700 und 900 Millionen Euro ermöglichen.

Die SPD hat den Ausweg eigentlich schon benannt: Es braucht eine Variante der Kfz-Steuer, die die Autos mit hohem Schadstoffausstoß nicht bevorzugt. Eine solche Reform hätte für die neue Bundesregierung auch den Reiz, dass sie sich als klimapolitisch aktiv darstellen könnte. Die Kritik, dass der Klimaschutz keine Unterstützer mehr findet, trifft Merkel seit Langem.

Kfz-Steuer ist das nächste Problem

Gerne wurde in der zurückliegenden Legislaturperiode dabei auf die FDP verwiesen, die etwa die Verknappung von CO2-Zertifikaten für die Industrie verhindert habe. Auch beim Ausbau der Elektromobilität liegt Deutschland weit hinter seinen selbst gesteckten Zielen.

Der Schadstoffausstoß fließt zwar aktuell bereits in die Kfz-Steuerbemessung ein. Doch nach wie vor wird auch nach Hubraum bemessen. Eine Verschiebung der Gewichte wird angestrebt. So könnten schadstoffarme Fahrzeuge steuerlich begünstigt werden. Ein Schub für den Absatz von Hybrid- und Elektrofahrzeugen wäre wohl die Folge. Doch die Gestaltung der Kfz-Steuer ist letztlich ein nachgelagertes Problem. Das Hauptargument gegen die Maut ist tot. Die CSU jubelt. „Ohne Pkw-Maut für Ausländer werden wir einem Koalitionsvertrag nicht zustimmen“, erklärte Generalsekretär Alexander Dobrindt. „Die Pkw-Maut für Ausländer kommt.“

„Eine angemessene Beteiligung der ausländischen Nutzer deutscher Autobahnen ist möglich. Kritiker dieser Pläne können sich nun nicht mehr hinter dem Argument Europarecht verstecken. Der jahrelange Dialog der CSU mit Verkehrskommissar Kallas hat sich gelohnt“, sagt auch der Vorsitzende der CSU-Gruppe im Europaparlament, Markus Ferber. Nun müssten zügig die Detailarbeiten für eine Pkw-Maut in Deutschland beginnen. Sein Kollege Manfred Weber sagte: „Dieser Stolperstein ist aus dem Weg. Für Berlin heißt das, dass die SPD ihren Widerstand jetzt beenden muss.“ Doch nicht nur die SPD müsste ihren Widerstand final aufgeben, auch die CDU: Merkel will die Maut nicht. Eigentlich. Doch die Botschaft aus Brüssel macht ihr ein Einlenken sicher leichter. Ließe sich mit einem Gesamtpaket auch ihr ramponierter Ruf als Klimakanzlerin aufpolieren, wäre sie wohl dafür zu haben. Die Maut wird kommen – und zwar für alle.

Nach einer aktuellen Übersicht des ADAC verlangen in Europa mehr als 20 Länder Maut. So muss man beispielsweise in Frankreich, Italien, und der Türkei beim Ein- oder Ausfahren auf Autobahnen und Schnellstraßen zahlen. In Österreich, der Schweiz und vielen mittel- und osteuropäischen Ländern gibt es eine Vignettenpflicht.