Was Fußball und Politik verbindet: Außenminister Guido Westerwelle (FDP) und Trainer Felix Magath (parteilos) über Werte, Leistung, Leidenschaft und manchmal fehlende Anerkennung.

Hamburg. Auf einer Benefiz-Veranstaltung haben sich der Außenminister und der Fußballtrainer kennen- und schätzen gelernt. Im Abendblatt sprechen Guido Westerwelle und Felix Magath über die Höhen und Tiefen in ihren Karrieren und die mangelnde Anerkennung für Leistung in Deutschland.

Hamburger Abendblatt: Herr Außenminister, Sie haben Felix Magath mitgebracht, Warum?

Guido Westerwelle: Ich schätze Herrn Magath sehr. Wir kennen uns seit ein paar Jahren, der Kontakt wurde immer enger. Er ist nicht nur ein erfolgreicher Trainer, sondern auch ein politisch und sozial engagierter Mensch. Das imponiert mir.

Sie schreiben Felix Magath zum 60. Geburtstag, dass Sie die Gespräche mit ihm über Sport, Politik und Kunst schätzen – in dieser Reihenfolge?

Westerwelle: Und über mehr. Andere Länder, zum Beispiel. Ich gebe ja zu, dass ich nicht der erste Experte beim Fußball bin. Als Außenminister bin ich jedoch zuständig für viele soziale Fußball-Projekte, in denen sich Deutschland im Ausland engagiert.

Sie reisen beide viel in andere Länder. Wie hat sich Ihr Blick auf die Welt dabei verändert?

Westerwelle: Mich beeindrucken vor allem die Begegnungen mit Menschen. In einem Slum in der Hauptstadt von Bangladesch habe ich zwei junge Ärztinnen aus Deutschland kennengelernt, die dort Menschen in ärgster Not behandeln. In Haiti bin ich drei Männern begegnet, die Prothesen für Katastrophenopfer machen, die durch das verheerende Erdbeben ihre Arme oder Beine verloren haben. Und mit diesen Prothesen spielen sie dann gemeinsam Fußball

Magath: Mein Weltbild wurde auch durch meinen Vater geprägt, der ja aus Puerto Rico stammt. Ich kenne die Karibik durch meine Familie, ich kenne viele andere Länder durch Reisen als Trainer. Ich unterstütze die Phytokids-Stiftung und war zuletzt in der Ukraine in Krankenhäusern oder in Kirgistan in einem Waisenhaus. Wir wissen oft gar nicht zu schätzen, in welchem Paradies wir in Deutschland leben.

Wissen die Deutschen nicht, wie gut es ihnen geht?

Westerwelle: Manchmal wissen wir nicht, wie gut wir in Deutschland leben. Nicht nur im Vergleich zu Ländern in Afrika oder Osteuropa, sondern auch im Vergleich zu europäischen Nachbarn. Was mich manchmal traurig macht, ist der Pessimismus in manchen Kreisen hierzulande. Wir brauchen in Deutschland auch Mehrheiten für etwas, nicht nur gegen etwas.

Sie beide wurden frenetisch gefeiert, Sie wurden hart kritisiert – wie gehen Sie damit um?

Magath: Natürlich verbindet uns das. Wir mussten beide spüren, wie schwierig es ist, in Deutschland Verantwortung zu übernehmen. Viele schauen missgünstig auf Menschen, die Erfolg haben. Die Deutschen sollten manchmal auch akzeptieren, dass es Menschen gibt, die Leistung bringen, ohne nur auf den eigenen Nutzen zu schielen. Ich war vergangene Woche bei dem Abschiedsspiel von Raúl in Madrid. Dort verabschiedet sich sogar der König von einem Spieler. Mit so viel Respekt werden Trainer und Spieler in Deutschland nicht behandelt.

Westerwelle: Sowohl in der Politik als auch im Fußball sind große Emotionen im Spiel. Da ist der Druck auf Menschen hoch, da kommt einem heute Sympathie und Applaus entgegen, und morgen vielleicht Ablehnung.

Magath: Ein anderes Beispiel, das mich sehr politisiert hat: Als Professor Kirchhoff versucht hat, das deutsche Steuersystem zu vereinfachen, wurde ihm Häme entgegengebracht. Dabei wäre das mal eine enorme Leistung gewesen.

Die bisher nicht einmal die FDP geschafft hat.

Westerwelle: Wir konnten nicht alle Ziele bei Steuererleichterungen erreichen, die wir uns 2009 vorgenommen hatten. Das lag vor allem an der Euro-Krise. Auf einmal brauchte Deutschland mehr finanzielle Kapazitäten, um Europa und unsere Währung stabil zu halten. Dass uns das gelungen ist, war eine große Leistung dieser Koalition.

Bei Politikern geht es oft noch schneller als bei Trainern: Eben zum Heilsbringer erklärt, dann schon nicht mehr im Amt.

Westerwelle: Wir müssen in Deutschland an unserer Anerkennungskultur noch arbeiten. In diesem Land gilt ein erfolgreicher Mensch bei manchen schon als verdächtig. Und das ist nicht gesund, wenn wir die Erfolgsgeschichte Deutschlands künftig fortschreiben wollen – in der Politik wie im Fußball.

Herr Magath, Sie leisten nicht nur selbst viel. Man sagt, Sie quälen auch andere, Ihre Spieler zum Beispiel.

Magath: Ich quäle niemanden. Ich verlange nur Leistungsbereitschaft von Sportlern, die einen siebenstelligen Betrag verdienen. Wer Erfolg haben will, muss viel leisten. Ich wundere mich, dass ich für diese Haltung kritisiert werde.

Herr Außenminister. Woher nehmen Sie die Ruhe und die Kraft für die Arbeit als Spitzenpolitiker?

Westerwelle: Indem ich diszipliniert lebe. Bei meinen Reisen bin ich innerhalb weniger Tage in verschiedenen Zeitzonen unterwegs. Viele Nächte schlafe ich im Flugzeug. Man braucht eine Pferdenatur; Pferde können auch im Stehen schlafen. Ich trinke auf Reisen wenig Alkohol und viel Wasser. Mein Mittel gegen Jetlag ist Joggen. Ich bin viele Male schon zum Sonnenaufgang nach dem Flug im Park in einer fremden Stadt gejoggt.

Magath: Leidenschaft für die eigene Arbeit kann auch Kraft geben. Ich liebe Fußball.

Wir haben Sie zu Trainerzeiten auch müde und verschlossen erlebt.

Magath: Natürlich kann ich den Druck auf mich und meinen Verein nicht einfach wegstecken. Natürlich geht mir Kritik in den Medien auch sehr nahe. Deshalb mache ich genauso wie der Außenminister viel Sport. Den Druck kann man nicht wegjoggen, aber es hilft, damit umzugehen. Anders als der Außenminister steht ein Fußballtrainer jeden Tag auf dem Platz und im Fokus der Medien. Herr Westerwelle fliegt ja in die USA oder nach Asien und ist dann erst mal weg.

Westerwelle: Das wäre schön! Aber die Journalisten sitzen mit im Flugzeug. Und wenn in Deutschland Nacht ist, dann steht die Politik in anderen Ländern der Welt nicht still. Als Außenminister müssen sie rund um die Uhr einsatzbereit sein. Beispiel Syrien-Krieg: Wenn ich ins Bett gehen möchte, stehen Kollegen in anderen wichtigen Staaten der Welt vielleicht gerade erst auf.

Was Fußballer von Politikern unterscheidet, ist aber ganz sicher das Einkommen. Ein Mittelstürmer verdient Summen, von denen ein Außenminister nur träumen kann.

Magath: Ich bin ein Freund von der Marktwirtschaft. Und die regelt die Gehälter von Spielern. Es bringt nichts, den Vereinen zu verbieten, siebenstellige Gehälter an einen Mittelstürmer zu bezahlen. Ich schätze den FC Bayern, weil der Verein seine Gewinne mit Fleiß erwirtschaftet. Da kann ich mich nicht einmischen in die Lohnpolitik.

Das klingt jetzt wie ein FDP-Politiker. Trotzdem: Sind die Gehälter für Politiker zu niedrig?

Westerwelle: Die Gehälter für Politiker sind in Ordnung. Wer des Geldes wegen in die Politik geht, ist dort falsch aufgehoben. Als Politiker geht es um Verantwortung für das Land, um Ideen und das Gestalten. Nicht um Geld. Anders als beim Fußball sind Politikergehälter nicht Teil der Marktwirtschaft.

Aber Gehälter von Managern. Ist der oft riesige Unterschied zwischen dem Lohn eines Angestellten und eines Vorstandsvorsitzenden noch gerecht?

Westerwelle: Sicherlich gibt es auch Manager, bei denen man sich fragt, ob Leistung und Bezahlung zusammenpassen. Aber wenn die Eigentümer einer Firma das so sehen, maße ich mir als Politiker nicht an, dort einzugreifen. Auch manche Sportler werden als überbezahlt verschrien. Auch das ist eine Frage von Angebot und Nachfrage. Es gibt andere Parteien, die da vielleicht eingreifen wollen – und uns am nächsten Tag vorschreiben, was wir essen sollen.

Herr Magath, Sie schlagen vor, dass Kinder in Schulen und Supermärkten nicht mehr einfach Süßigkeiten kaufen können, und warnen vor den gesundheitlichen Folgen durch zu viel Zucker-Konsum. Also doch Verbote?

Westerwelle: Finden Sie nicht, dass es ein Unterschied ist: Eine Partei sagt, was wir Erwachsene wann essen sollen. Ich meine, dass ich mit meinen 51 Jahren selber entscheiden kann, was ich essen möchte. Und Felix Magath macht sich Gedanken um die richtige Ernährung von Kindern und Jugendlichen.

Magath: Ich bin nicht für Verbote. Nur müssen die Eltern und Kinder besser aufgeklärt werden, welche gesundheitsschädlichen Stoffe in der Nahrung sind. Deshalb bin ich für stärkere Hinweise in Schulen und Supermärkten für die Konsumenten.

Westerwelle: In vielen internationalen Schulen im Ausland bekommen Kinder spielerisch Kochunterricht. Das ist eine super Idee! Und die Schüler lernen über die richtige Ernährung.

Sie haben beide viel in Ihrer Karriere erreicht. Haben Sie noch unerfüllte Ziele?

Westerwelle: Ich habe noch viele Ziele und auch Wünsche.

Aufsichtsrat beim HSV?

Westerwelle: Sie bringen mich auf Ideen! Ernsthaft: Das Leben besteht nicht nur aus Karrierestationen. Ich will neugierig auf Menschen bleiben. Von uns Deutschen wünsche ich mir, dass wir nicht nur während Fußball-Weltmeisterschaften den gesunden und fröhlichen Patriotismus leben. Wir sind anerkannt in der Welt als fleißiges Land, als Helfer, als Demokraten. Darauf können wir stolz sein.

Magath: Ich bleibe ein Weltverbesserer. Wenn es mir mit dem Fußball, bei Turnieren oder in sozialen Sportprojekten gelingt, das Leben von Menschen auf dieser Erde zu verbessern, macht mich das sehr glücklich.