Die Helfer werden der Wassermassen kaum Herr. Gut 150 Hilfskräfte von Berufsfeuerwehr und Freiwilliger Feuerwehr aus Hamburg machten sich auf den Weg zum Hochwassereinsatz in Sachsen.

Erst regnete es tagelang, dann kam die Flut – und zwar so schnell und heftig, wie es kaum jemand erwartet hatte. Die Hochwassersituation im Süden und Osten Deutschlands hat sich am Montag dramatisch zugespitzt. In den Flutgebieten sind inzwischen 1800 Helfer des Technischen Hilfswerks (THW) im Einsatz, außerdem 500 Bundespolizisten. Zudem wurden mehr als 1700 Soldaten mobilisiert. Aus Hamburg machten sich in der Nacht zu Dienstag gut 150 Hilfskräfte von Berufsfeuerwehr und Freiwilliger Feuerwehr auf den Weg zum Hochwassereinsatz in Sachsen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will sich am Dienstag ein Bild von der Lage in den Hochwassergebieten verschaffen. Sie werde zusammen mit Bayerns Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) die stark betroffene Stadt Passau besuchen, hieß es in Berlin. Merkel stellte den Opfern des Hochwassers Hilfe in Aussicht. „Der Bund wird auch schauen, wo wir helfen können, genauso wie die Länder.“

In Passau wurde wegen der Überflutungen die Trinkwasserversorgung abgestellt, in München wird das Trinkwasser vorsorglich gechlort. Auch rund um die Stadt Rosenheim blieb die Lage angespannt. Insgesamt galt am Montag in zehn Landkreisen und Städten Bayerns Katastrophenalarm. Die Staatsregierung plant ein 150 Millionen Euro schweres Hilfspaket für die betroffenen Regionen.

Im Landkreis Leipzig gaben die Einsatzkräfte Dämme auf, um sich auf die Rettung von Menschen zu konzentrieren. Im teilweise überfluteten Grimma mussten rund 2000 Menschen nach Angaben einer Rathaussprecherin ihre Häuser verlassen. Die Behörden gingen davon aus, dass der Pegel der Mulde die Marke der sogenannten Jahrhundertflut von 2002 erreichen wird. In Eilenburg nordöstlich von Leipzig wurde die Innenstadt evakuiert, in Döbeln stand die ganze Innenstadt unter Wasser. Auch die Pegel der Elbe stiegen rasant an. In Hamburgs Partnerstadt Dresden gilt seit Montag für einige Stadtteile die höchste Alarmstufe vier. Weiter dramatisch ist die Lage im Osten Thüringens. Nach Gera und Greiz wurde auch im Landkreis Altenburger Land Katastrophenalarm ausgelöst.

Seit einem halben Jahrtausend stand das Wasser von Donau und Inn nicht mehr so hoch im niederbayerischen Passau – der Pegel kletterte auf 12,70 Meter. Schaufenster bersten, Geschäfte und Gaststätten laufen voll. Die Feuerwehr hat viele Keller mit sauberem Wasser geflutet, damit der Schlamm der Donau nicht zu sehr eindringen kann. Doch die Menschen kämpfen nicht nur mit der braunen Flut, in Teilen der Altstadt muss auch der Strom abgedreht werden. In einem Kinderhort, der normalerweise 100 Meter vom Fluss entfernt ist, bringen Helfer die Möbel in Sicherheit. „Eine solche Situation hatten wir noch nie, auch nicht beim Jahrhunderthochwasser 2002. Und es ist kein Ende in Sicht“, klagt Hortleiterin Sabine Sterl.

Im oberbayerischen Kolbermoor tosen die bräunlichen Wassermassen der Mangfall durch den Ort. Mit Sandsäcken versuchen die Anwohner, sich zu schützen – noch halten die Dämme, aber das Grundwasser steigt. „Wir saufen langsam ab“, sagt Matthias Breede. In seiner Tiefgarage steht das Wasser knietief. Vor den Häusern rattern Generatoren, mit denen Wasserpumpen betrieben werden. Bürgermeister Peter Kloo macht den Menschen Mut: „Alle haben mit angepackt und diesen super Deich gebaut!“ Kloo hofft, dass der Damm hält.

Grimma in Sachsen wird zum zweiten Mal innerhalb von elf Jahren Opfer der Fluten. Eine Rentnerin starrt fassungslos auf die Brühe, die durch die schmucke historische Innenstadt schwappt. „Da kommen Erinnerungen an 2002 hoch. Das haben wir alles schon gesehen und alles schon erlebt“, sagt sie. 2500 Menschen mussten in Sicherheit gebracht werden. sagt Bürgermeister Matthias Berger. „Die ganzen privaten und öffentlichen Investitionen der vergangenen Jahre sind dahin“, klagt er. Eine halbe Milliarde Euro sei in den Wiederaufbau gesteckt worden. „Wir sind gar nicht in der Lage, alle zehn Jahre unsere Stadt neu aufzubauen.“ Auf dem Marktplatz von Bad Schandau versuchen Anwohner und Geschäftsleute, ihre Gebäude hochwasserfest zu machen. Sie stellen Aluminium-Spundwände auf. Prognosen zufolge wird die Elbe die sächsische Stadt an der deutsch-tschechischen Grenze überfluten, drei Meter hoch soll das Wasser dann auf dem Marktplatz stehen – fast so hoch wie 2002.

In einer Grundschule in Eilenburg (Sachsen) haben 170 Menschen die Nacht verbracht, zur Hälfte Bewohner eines Pflegeheims. Eine junge Frau fragt mit tränenerstickter Stimme, ob sie für sich und ihre beiden eine Notunterkunft haben könnte. Sie hat auch zwei Hunde dabei – die dürfen nicht mit. Eine Helferin sagt, sie sei nachts kurz zu Hause gewesen: „Aber ich konnte eh nicht schlafen.“ Der Stadt droht trotz eines aufwendigen Flutschutzes eine Überschwemmung. Bürgermeister Hubertus Wacker sagt: „Ich habe mir immer eingeredet, Eilenburg sei die erste hochwassersichere Stadt, aber ich muss einsehen: Die Natur ist nicht berechenbar.“ Durch das Zentrum von Gößnitz (Thüringen) können sich die Feuerwehrleute nur in einem Schlauchboot bewegen. Die Pleiße hat sich in die Stadt ergossen. Das Ausmaß der Schäden sei nicht abzusehen, sagt Landrätin Michaele Sojka. „Aber es ist viel, viel schlimmer als 2002.“