Bayern-Präsident Uli Hoeneß äußert sich erstmals zu seiner Steueraffäre und stellt sich als Zocker dar. Politik will Steuerhinterziehung härter bekämpfen.

Berlin. Der Tag, der Uli Hoeneß’ Leben für immer verändern sollte, war ein Mittwoch. Es war der 20. März, sieben Uhr morgens, da läutete es an der Tür seines Hauses am Tegernsee. „Ich war im Bademantel, und da stand die Staatsanwaltschaft vor der Tür. Da begann die Hölle für mich“, beschreibt Hoeneß den ungebetenen Besuch der Beamten. Von der Durchsuchung wurde der Präsident des FC Bayern München völlig überrascht. Erstmals seit Beginn seiner Steueraffäre hat sich Hoeneß in einem Interview ausführlich zu seinem Schweizer Konto, über das er jahrelang Steuern hinterzogen hat, geäußert. Reue ist das, was Hoeneß darin zuallererst ausdrücken will. Er habe eine „große Torheit begangen, einen Riesenfehler“, sagt Hoeneß der „Zeit“.

Vorvergangene Woche war bekannt geworden, dass die Staatsanwaltschaft München gegen den 61-Jährigen wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung ermittelt. Der Bayern-Präsident hatte sich im Januar selbst angezeigt, er soll Kapitalerträge verheimlicht haben. Anders als bei Selbstanzeigen üblich gelangte der Fall Hoeneß an die Öffentlichkeit. Wie, ist bis heute ungeklärt. Hoeneß hatte offenbar über das Schweizer Konto im großen Stil an der Börse spekuliert. Angefangen habe jedoch alles schon „viel früher“, in kleinerem Rahmen. „Mal 50.000 Dollar, das war es. Das wurde heftiger, als alle an der Börse spielten, zur Zeit der großen Internetblase. Als diese Blase dann platzte, fuhr ich schwere Verluste ein, ich war da richtig klamm.“

2001 tat sich Hoeneß mit dem damaligen und mittlerweile verstorbenen Adidas-Chef Robert-Louis Dreyfus zusammen. Mit einem Kredit von Dreyfus habe er ab 2001 begonnen, exzessiv an der Börse zu spekulieren. Hoeneß bekräftigte, dass es sich um ein privates Konto handele, der FC Bayern damit nichts zu tun habe. Der Bayern-Präsident wies nach eigenen Angaben Symptome eines Spielsüchtigen auf: „In den Jahren 2002 bis 2006 habe ich richtig gezockt, ich habe teilweise Tag und Nacht gehandelt, das waren Summen, die für mich heute auch schwer zu begreifen sind, diese Beträge waren schon teilweise extrem. Das war der Kick, das pure Adrenalin.“ Als krank oder süchtig würde er sich dennoch nicht bezeichnen.

Etliche Fragen bleiben auch nach dem Interview offen: Hat Hoeneß in den Jahren 2001 und 2002 große Gewinne eingefahren? Wann hat er seine Steuererklärung für diese Jahre abgegeben? Und warum hat er sich erst im Januar 2013 angezeigt und nicht sofort, nachdem das Deutsch-Schweizer Steuerabkommen Ende 2012 gescheitert war, über das Hoeneß sein „Problem“ eigentlich lösen wollte? All diese Fragen sind entscheidend, um zu klären, ob Hoeneß durch seine späte Anzeige eine Verjährung der Jahre 2001 und 2002 erreichen wollte.

Politiker plädieren für Verschärfung der Gesetze bei Steuerhinterziehung

Für Bundespräsident Joachim Gauck ist es, wie für viele, eine „Überraschung“, dass Hoeneß Steuern hinterzogen habe. Er erschrecke jedes Mal, „wenn Sympathieträger stürzen, weil sie irgendwie verstrickt sind. Eigentlich ist es mehr als ein Schreck – ich ärgere mich“, sagte Gauck dem „Stern“. Ungewöhnlich scharf kritisierte der Bundespräsident jedoch das Verhalten von Steuerhinterziehern: „Wer Steuern hinterzieht, verhält sich verantwortungslos oder gar asozial.“ Mit Blick auf Hoeneß stellte er klar: „In unserem Land darf es in rechtlichen und moralischen Fragen nicht zweierlei Standards geben, einen für die Starken und einen für die Schwachen. Niemand darf selbst entscheiden, ob er Steuern zahlt oder nicht.“ Gauck plädierte dafür, grundsätzlich darüber nachzudenken, „ob nicht auch strengere Gesetze nötig sind, die aus einer fragwürdigen Handlung einen Straftatbestand machen“.

Auch Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) forderte eine Verschärfung der Gesetze. Durch eine Selbstanzeige bleiben Steuerflüchtlinge, so die Anzeige korrekt und vollumfänglich gestellt ist, straffrei. Zwar hätten Union und FDP die Voraussetzungen für die Selbstanzeige schon deutlich verschärft, sagte Bouffier. „Aber wir müssen schauen, wie wir das noch besser gestalten können.“ Er plädiere sehr dafür, „dass wir das angehen – aber das darf nicht überstürzt geschehen“. Die Strafbefreiung müsse erhalten bleiben für untergeordnete, bagatellhafte Dinge. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat sich bislang gegen eine Verschärfung ausgesprochen, will das Prinzip der Strafbefreiung bei Steuerdelikten durch eine Selbstanzeige aber verfassungsrechtlich überprüfen lassen. Eine Arbeitsgruppe mit Schäubles Amtskollegen aus den unionsgeführten Ländern sowie Experten der Unionsfraktion würde derzeit prüfen, ob die Regelung verschärft werden könne, sagte Schäuble. Die Kommission soll Vorschläge erarbeiten, ob die Selbstanzeige-Regelung in erster Linie für Bagatellfälle angewendet werden soll. Auch soll die Arbeitsgruppe überlegen, wie Steuerhinterziehung besser bekämpft werden kann.

Hoeneß hatte auf das geplatzte Abkommen mit der Schweiz gehofft

Unterdessen hat die Schweizer Regierung Deutschland ein neues Gesprächsangebot über ein Steuerabkommen unterbreitet. „Wenn Deutschland nach seiner Ablehnung das Gespräch mit uns suchen will, sind wir offen“, sagte Außenminister Didier Burkhalter der „Bild am Feiertag“. „Der heutige Zustand mit Zufallsfunden und rechtlich fragwürdigen CD-Käufen ist für beide Seiten unerfreulich“, ergänzte er. „Ein Steuerabkommen würde eine flächendeckende Lösung sicherstellen.“

Ein von der Bundesregierung mit der Schweiz ausgehandeltes Steuerabkommen war Ende 2012 nach monatelangem Ringen am Widerstand von Rot-Grün im Bundesrat gescheitert. Das Abkommen sah vor, dass Steuersünder einen einmaligen Betrag zahlen und dafür anonym bleiben. Das Vorhaben der Regierung hätte dazu geführt, dass keine Steuer-CDs mehr angekauft werden könnten, betonte SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück. Der Druck auf Steuerhinterzieher, die ihr Geld in die Schweiz gebracht hätten, wäre entfallen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) war schon kurz nach Bekanntwerden des Falls Hoeneß auf Distanz zum Bayern-Präsidenten gegangen und hatte sich über ihren Sprecher „enttäuscht“ gezeigt. „Ich würde mir wünschen, dass ich irgendwann die Gelegenheit bekäme, der Bundeskanzlerin in einem persönlichen Gespräch zu erklären, wie es so weit kommen konnte, der ganze Mist“, sagte Hoeneß nun.