Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust sieht das “Vertrauen erschüttert“. Krümmel-Betreiber Vattenfall setzt einen Sonderermittler ein.

Berlin/Geesthacht. Im Atomkraftwerk Krümmel ist nach dem Störfall in der vergangenen Woche mindestens ein defektes Brennelement entdeckt worden. Das teilte Tuomo Hattaka, Vorstandschef von Vattenfall Europe, gestern in Berlin mit. Der Konzern habe einen Sonderermittler benannt, der die Vorgänge aufklären soll.

Das Dach des Reaktors ist inzwischen geöffnet worden. um beschädigtes Brennelemente auszutauschen. Eine Sprecherin des Betreibers Vattenfall sagte, die Arbeiten werden sich bis nächste Woche hinziehen. Dabei sollen ein oder mehrere beschädigte Brennelemente gefunden und ausgetauscht werden.

"Jetzt stehen alle Prozesse technisch und organisatorisch auf dem Prüfstand", sagte Hattaka. Schon heute will Vattenfall den Reaktordeckel der Anlage öffnen, um nach dem beschädigten Brennelement zu suchen, wie der Geschäftsführer der Nuklearsparte, Ernst Michael Züfle, sagte. Insgesamt sollen 67 000 Brennstäbe kontrolliert werden.

Züfle betonte, dass der Schaden nicht bekannt gewesen sei, als das Kraftwerk vor mehr als zwei Wochen nach zweijähriger Pause wieder ans Netz ging. Er gehe eventuell auf ein Problem bei der Filterung im Wasserkreislauf zurück. Dies habe nach ersten Erkenntnissen nicht unmittelbar mit dem Trafo-Kurzschluss vom Wochenende zu tun.

Im Reaktor des Kernkraftwerks befinden sich nach Angaben von Vattenfall 840 Brennelemente. Ein Brennelement bestehe aus rund 80 Brennstäben. Nach Herstellerangaben müsse mit zwei bis drei defekten Brennstäben pro Jahr gerechnet werden. Der jetzt festgestellte Schaden sei also nicht ungewöhnlich.

In der Politik dagegen wachsen die Zweifel an der Sicherheit des Meilers. Hamburgs Erster Bürgermeister Ole von Beust (CDU) sagte dem Abendblatt, das Vertrauen in eine sichere Versorgung sei durch den jüngsten Vorfall am Kernkraftwerk Krümmel "stark erschüttert" worden. "Gelingt es Vattenfall nicht, dieses Vertrauen wiederherzustellen, bin auch ich der Überzeugung, dass das Kraftwerk endgültig vom Netz gehen muss."

Die grundsätzliche Position der CDU Hamburg sei davon unberührt: "Nur sichere und moderne Kraftwerke sollen die Möglichkeit der Laufzeitverlängerung erhalten. Schon aufgrund der bisherigen Umstände trifft dies für Krümmel nicht zu."

SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier forderte, den Reaktor in Krümmel sofort abzuschalten. Nach den früheren Pannen in dem Atommeiler habe Vattenfall die Bewährungsprobe offensichtlich nicht bestanden. Vattenfall dagegen will trotz der Pannenserien an dem Meiler bei Geesthacht festhalten.



"Mein Fazit ist klar und deutlich: Krümmel ist sicher", sagte Tuomo Hattaka. Auch seien die Vorfälle "kein Grund, unsere Kompetenz infrage zu stellen". Die Abschaltung nach der Trafo-Panne sei vielmehr "genau so gelaufen, wie sie sollte". Zugleich entschuldigte er sich für die Verunsicherung, die bei den Kunden entstanden sei. Der Reaktor soll erst in mehreren Monaten wieder angefahren werden.

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) hält eine Schließung des Atomkraftwerks Krümmel nach den jüngsten Störungen für realistisch. „Wir werden Krümmel auf Herz und Nieren prüfen“, sagte Gabriel in Berlin. Das Kraftwerk sei nicht auf dem Stand von Wissenschaft und Technik. Notfalls werde der Bund das Wiederanfahren per atomrechtlicher Weisung unterbinden. Gabriel forderte, die Sicherheitsüberprüfungen generell zu verschärfen. Er bekräftigte die Forderung nach einem rascheren Aus für ältere Meiler. Diese seien auch nicht genug gegen Flugzeugabstürze geschützt. Gabriel hält auch eine Atomsteuer für die Industrie für nötig.