Studentenverbindungen forderten den - wegen Äußerungen zur NS-Vergangenheit umstrittenen - Chefredakteur der Verbandszeitung abzuwählen.

Stuttgart. Eine Spaltung der Deutschen Burschenschaft scheint vorerst abgewendet. Bei dem außerordentlichen Burschentag in Stuttgart wurden am Sonnabend die bislang an Deutschstämmigkeit orientierten Aufnahmeregelungen gelockert, wie Michael Schmidt von der liberalen Initiative Burschenschaftliche Zukunft (IBZ) sagte. Außerdem setzte sich der liberale Flügel des Dachverbands von Studentenverbindungen mit der Forderung durch, den wegen Äußerungen zur NS-Vergangenheit umstrittenen Chefredakteur der Verbandszeitung abzuwählen. Die sehr konservative Ausrichtung des Verbands habe sich aber grundsätzlich nicht verändert. Rund 100 Demonstranten hatten gegen den Burschentag protestiert und die Polizei beworfen. Es kam zu Festnahmen.

Der bisherige Verbands-Chefredakteur Norbert Weidner hatte für Streit gesorgt, da er den NS-Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer als Landesverräter und dessen Hinrichtung als „juristisch gerechtfertigt“ bezeichnet hatte. Dafür muss er sich inzwischen vor Gericht verantworten. Ein anderer Verbandsbruder habe seine Aufgabe übertragen bekommen, teilte der Verband mit.

Mit der Forderung nach Weidners Ablösung war der liberale Flügel auf dem Burschentag im Juni im thüringischen Eisenach noch gescheitert. Im Streit war das damalige Treffen abgebrochen worden, die liberalen Burschen-Initiative, die 25 der 100 angeschlossenen Verbindungen vertritt, hatte mit Austritt aus dem Dachverband gedroht.

Die Aufnahmeregelungen seien nun zwar so liberal wie seit langem nicht mehr, sagte Schmidt von der IBZ. Aber: „Die Aufnahmeregelung ist das eine, aber die Frage der Akzeptanz der Mitglieder ist wichtiger. Ich möchte auch wissen, dass die, die ich aufnehme, gut behandelt werden.“ Nach Mitteilung des Dachverbands ist künftig auch die Mitgliedschaft in Burschenschaften ausgeschlossen, wenn jemand Mitglied in Organisationen mit nationalsozialistischen Zielen ist.

Die Vertreter der rund 100 Burschenschaften mit geschätzt 10.000 Mitgliedern wollten eigentlich noch bis Sonntag in Stuttgart über strittige Themen debattieren. Der Burschentag sei jedoch am Sonnabend zu Ende gegangen, nachdem man in wichtigen Punkten für alle Seiten vertretbare Lösungen gefunden habe, hieß es in der Mitteilung.

Der Burschentag, der bereits am Freitag begonnen hatte, war von Beginn an mit Protesten begleitet worden. Bereits am Freitag waren Scheiben des Veranstaltungslokals eingeworfen worden. Am Samstag demonstrierten rund 100 Menschen mit Kundgebungen gegen das Treffen des Verbands. Sie waren nach Polizeiangaben vor dem Tagungsort gestoppt worden, einige Demonstranten hätten dort Eier und Farbbeutel in Richtung der Beamten geworfen. Mehrere Demonstranten wurden von den Beamten vorläufig festgenommen.

In der Nacht zum Samstag war zudem ein 25-Jähriger vor dem Haus einer Burschenschaft in Stuttgart einem Überfall entkommen. Wie die Polizei mitteilte, war der Mann beim Verlassen des Hauses von vier Vermummten an Arm und Rücken festgehalten worden. Ihm gelang es jedoch, sich zu befreien.