Grüne orientieren sich an Hamburger Vorlage. Vorgesehen ist eine feste Quote für Frauen in den Aufsichtsräten von Unternehmen.

Berlin. Einen Monat ist es her, als der Bundesrat eine kleine Revolution erlebte: Mit Stimmen zweier CDU-Ministerpräsidenten hat die Länderkammer den Gesetzentwurf des SPD-geführten Hamburger Senats für eine verbindliche Frauenquote in Unternehmen beschlossen. Saarlands Regierungschefin Annegret Kramp-Karrenbauer und der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff, hatten mit den von Sozialdemokraten und Grünen geführten Ländern für die Vorlage von Justizsenatorin Jana Schiedek gestimmt - sehr zum Ärger von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die eine feste Quote klar ablehnt.

Mit dem Bundesratsentschluss wurde der Gesetzentwurf zwar an den Bundestag überwiesen - wurde dort jedoch noch nicht von der Bundesregierung eingebracht. Deswegen gehen die Grünen jetzt in die Offensive, um das Verfahren zu beschleunigen. In ihrer heutigen Fraktionssitzung will die Partei einen Gesetzentwurf abstimmen, der mit der Hamburger Vorlage deckungsgleich ist. Vorgesehen ist demnach eine feste Quote für Frauen in den Aufsichtsräten börsennotierter und mitbestimmter Unternehmen, wobei im zweiten Fall Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter die Vorgabe getrennt erfüllen müssen. Ab 2018 soll der Frauenanteil mindestens 20 Prozent betragen, ab 2023 dann 40 Prozent. Zwar lehnen CDU/CSU und FDP eine feste Quote weitestgehend ab, jedoch gibt es vor allem in Reihen weiblicher Unionsabgeordneter Unterstützung für das Projekt. Schon für diesen Freitag ist die erste Beratung des Gesetzentwurfs im Bundestagsplenum angesetzt.

"Jetzt müssen all die Farbe bekennen, die sich in der Regierungskoalition immer wieder für eine gesetzliche Quote ausgesprochen haben", sagte Grünen-Fraktionschefin Renate Künast dem Abendblatt. "Lippenbekenntnisse reichen nicht - wir brauchen endlich Entscheidungen." Deutschland hänge Europa längst hinterher, betonte sie. "Frankreich, Belgien, Norwegen - eine Vielzahl von Ländern hat die Quote und kommt damit gut voran. Qualifizierte Frauen bringen ihr Leistungspotenzial ein, sie verändern die Unternehmenskultur und stärken den Wirtschaftsstandort."

Nach aktuellen Zahlen ist der Frauenanteil in den Aufsichtsräten und Vorständen der bedeutenden börsennotierten Unternehmen seit Januar 2011 lediglich von 6,5 auf 9,5 Prozent gestiegen. In den Aufsichtsräten liegt er laut einer Übersicht der Initiative Frauen in die Aufsichtsräte (Fidar) aktuell bei 15 Prozent gegenüber zehn Prozent im Januar 2011. In den Vorständen stieg der Frauenanteil im gleichen Zeitraum von drei auf vier Prozent. In der Gesetzesvorlage der Grünen, die dem Abendblatt vorliegt und heute abgestimmt wird, heißt es, 2013 gelte als "Superwahljahr" der Aufsichtsräte, da viele Posten neu besetzt würden. Und weiter: "In den DAX-30-Konzernen werden rund 80 Aufsichtsratsmitglieder von den Hauptversammlungen neu bestellt. Darüber hinaus stehen auch in zahlreichen MDAX, SDAX und TecDAX-Unternehmen ebenfalls Neuwahlen an. Daher ist es wichtig, jetzt ein Zeichen für die Quote zu setzen."

Der Hamburger Gesetzentwurf war den Grünen ursprünglich nicht weit genug gegangen, vor allem hinsichtlich der geplanten Sanktionen. Das ist jetzt anders, offenbar wegen der Chance auf Stimmen aus der Union, die bei härteren Strafen für Quotensünder schwinden würde. Vorgesehen ist jetzt, dass die Aufsichtsratsvergütungen nicht mehr steuerlich geltend gemacht werden können, wenn die Zusammensetzung des Gremiums nicht den Vorgaben entspricht. Zum anderen sollen "Quotenmuffel" öffentlich gemacht werden. Vorgesehen sind aber auch Ausnahmeregelungen, etwa wenn die Arbeitnehmerschaft in einem Unternehmen zu 90 Prozent demselben Geschlecht angehört. Wenn ernsthafte Bemühungen für die Quote erfolglos bleiben, soll zudem eine Härtefallklausel greifen. "Unser Ziel war es, einen ausgewogenen und klugen Gesetzentwurf vorzulegen", sagte Schiedek dem Abendblatt. "Ich freue mich, dass er so schnell im Bundestag aufgegriffen wird. Wir sollten jetzt parteiübergreifend die Chance nutzen, endlich eine verbindliche Quote zu beschließen."

Mit ihrer Offensive setzen die Grünen nun vor allem die CDU unter Druck, die in der Frage Frauenquote gespalten ist. Auch Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen befürwortet eine gesetzliche Regelung. Bundesfamilienministerin Kristina Schröder plädiert hingegen für eine flexible Regelung, die sogenannte Flexi-Quote. Sie sieht vor, dass sich Unternehmen selbst eine individuelle Frauenquote geben, die sie veröffentlichen und dann auch einhalten müssen - ihnen drohen sonst Sanktionen. Auch die Bundeskanzlerin unterstützt diese Linie. Die FDP lehnt eine Quote mit Verweis auf unternehmerische Freiheiten komplett ab.

Nach dem Bundesratsbeschluss Ende September hatte die Vorsitzende der Frauengruppe in der Unionsfraktion, Rita Pawelski (CDU), allerdings dafür plädiert, die Abstimmung im Bundestag über die Frauenquote zur Gewissensfrage zu machen und den Fraktionszwang aufzuheben. Eine Forderung, die auch Grünen-Fraktionschefin Künast erhebt. "Wir brauchen endlich eine Entscheidung in dieser grundsätzlichen Frage, einen Fraktionszwang darf es nicht geben", sagte sie und betonte: "Die Zeit ist reif: Der Hamburger Vorstoß kann als Kompromiss der Durchbruch sein." Vor allem der Entscheid in der Länderkammer macht Künast Hoffnung, dass es eine Mehrheit im Bundestag geben könnte: "Ein Teil der Unionsländer hat im Bundesrat bei dem Quoten-Beschluss der Bundesregierung die Gefolgschaft verweigert. Mit der Zustimmung vom Saarland und von Sachsen-Anhalt wurde Bundeskanzlerin Merkel von ihren eigenen Parteifreunden vorgeführt."