Der Bundestag will neue Regeln für Nebenverdienste festlegen. Vermittler von Politikervorträgen warnt vor zu viel Transparenz bei Honoraren.

Berlin. 7960 Euro verdient ein einfacher Abgeordneter des Deutschen Bundestags. Dazu erhält er 4029 Euro als steuerfreie Kostenpauschale für Miet- und Bürokosten. Von dieser Summe lebt die große Mehrheit der 620 Mandatsträger, und im Vergleich zum deutschen Durchschnittsverdienst von rund 3300 Euro scheint es den Abgeordneten damit recht gut zu gehen.

Eine Minderheit von 192 Abgeordneten verfügt dennoch über Nebeneinkünfte. Manche verdienen sich ab und zu durch Redeauftritte etwas hinzu, andere wie die Hamburger CDU-Abgeordneten Rüdiger Kruse und Jürgen Klimke verfügen über feste monatliche Zusatzeinkommen durch Chefposten in Unternehmen.

Dann gibt es da noch einen Großverdiener wie den SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück, dessen Vortragsverpflichtungen ihm seit dem Regierungswechsel mindestens 560 000 Euro eingebracht haben. Seit 2009 hielt der Ex-Finanzminister mehr als 80 Vorträge. Wie viel er allerdings genau dafür erhalten hat, und welche Zusatzgehälter sich andere Abgeordnete genehmigen, ist nach der jetzigen Regelung kaum nachvollziehbar. Nach Berechnungen der Organisation abgeordnetenwatch sind in der jetzigen Legislaturperiode so mindestens 22,5 Millionen Euro von Abgeordneten nebenher verdient worden. Tatsächlich liege die Summe aber noch viel höher. Derzeit müssen Abgeordnete Nebeneinkünfte lediglich drei Stufen preisgeben: Stufe 1 reicht bis 3500 Euro, Stufe 2 bis 7000 Euro, Stufe 3 gilt für alle Einkünfte von mehr als 7000 Euro. Die Abgeordneten sind außerdem verpflichtet, ihre einzelnen Einkünfte als monatlich oder jährlich zu kennzeichnen.

Inzwischen sind sich die führenden Vertreter der Bundestagsfraktionen einig, dass die Regeln nichts taugen, weil sie dem demokratischen Transparenzversprechen nur ungenügend gerecht werden. Schließlich will man auch dem Vorwurf vorbeugen, ein Abgeordneter könne durch eine gut bezahlte Nebentätigkeit in einen Interessenkonflikt geraten. Der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Brömer, kündigte baldige Änderungen an. Der "Süddeutschen Zeitung" sagte der CDU-Politiker, über Details werde noch verhandelt. Dem Harburger Abgeordneten zufolge schlägt die Union vor, dass es statt bisher drei Stufen für die Höhe von Nebeneinkünften in Zukunft mindestens sechs Stufen geben soll. Laut Grosse-Brömer soll die höchste Stufe künftig im sechsstelligen Bereich liegen. Am 18.Oktober will sich die Rechtsstellungskommission des Ältestenrats treffen, um über die neuen Regeln zu verhandeln. Die SPD zeigt sich gesprächsbereit. Bisher habe man Union und FDP bei dem Thema immer vor sich hertreiben müssen, sagte Ältestenrat-Mitglied Johannes Kahrs (SPD) dem Abendblatt. "Jetzt sind wir sogar ganz froh, die Aufregung der CDU zu nutzen, um eine kluge Regelung auszuarbeiten.

Aufseiten der FDP geht man mit der geplanten Transparenzoffensive noch vorsichtig um. "Wir werden wahrscheinlich diese Konsequenz miteinander gehen müssen", sagte zwar der Vorsitzende der FDP-Fraktion, Rainer Brüderle, am Freitag im ZDF-"Morgenmagazin". Zugleich wies Brüderle darauf hin, dass Abgeordnete die Möglichkeit haben müssten, nebenher andere Jobs wahrzunehmen. "Wir brauchen schon ein Parlament, das auch die Bevölkerungsstruktur widerspiegelt und das nicht nur aus abgesicherten Funktionären von Gewerkschaften, Beamten, Beurlaubten besteht", sagte er.

Der ehemalige Bundestags-Vizepräsident Burkhard Hirsch (FDP) schlug noch drastischere Maßnahmen vor. Selbst über die Veröffentlichung von Steuererklärungen könne man diskutieren, sagte er im Deutschlandradio-Interview. "Ich bin nur dagegen, das an einem konkreten Einzelfall zu fordern und die anderen halten sich in der Frage vornehm zurück. Wenn schon, dann bitte alle." Der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Bundestagsfraktion, Volker Beck, schlug vor, die Veröffentlichung der Nebeneinkünfte künftig in zehn Stufen zu regeln, "damit gerade die großen Honorare ersichtlich werden". Die Anti-Korruptions-Organisation Transparency International hält dagegen die "Offenlegung der Nebeneinkünfte auf Heller und Pfennig - und zwar für alle Abgeordnete" vonnöten, wie Geschäftsführer Christian Humborg "Spiegel Online" sagte.

Davon halten die Auftraggeber von Politikervorträgen nicht viel. "Sollten Politiker gezwungen werden, ihre Rednerhonorare auf den Cent genau zu veröffentlichen, würde dies die Honorare nur künstlich in die Höhe treiben", warnt Siegfried Haider, Geschäftsführer der Agentur experts4events, die auch Steinbrück mehrfach für Vorträge vermittelt hat. "Die totale Transparenz würde dazu führen, dass Politiker ihre Honorare miteinander vergleichen und sich viele entsprechend nach oben orientieren würden. Eine Offenlegung hätte also ähnlich wie bei Vorstandsgehältern keinerlei positiven Effekt." Haider, auch Ehrenpräsident der German Speakers Association, sagt, es gebe nur wenige Politiker wie Steinbrück, die sehr gut reden können und gerade deswegen gebucht werden. Er hätte ihn an weitaus mehr Kunden vermitteln können, "aber Herr Steinbrück musste mehrere Angebote ablehnen". Meist sei dies aus terminlichen Gründen geschehen, "weil das Veranstaltungskonzept des Kunden oder die gewünschten Redeinhalte nicht zu seinem Profil passten".

Der Auslöser der Debatte hat nun genug von dem Gerede um seine Zusatzverdienste. Er habe bereits eine Düsseldorfer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft damit beauftragt, alle Unterlagen dazu noch einmal zu prüfen, sagte Steinbrück der "Bild"-Zeitung. "Wenn die Arbeit in zwei bis drei Wochen abgeschlossen ist, werden Auftraggeber, Ort und Thema jedes einzelnen Vortrages veröffentlicht." Außerdem werde er das durchschnittliche Honorar der bezahlten Vorträge vor und nach Steuern in den Jahren 2009 bis 2012 publik machen. Dass es dennoch neue Regeln geben soll, konnte er nicht verhindern.