In Berlin soll es einen bislang unbekannten Hinweis auf den möglichen Aufenthaltsort gegeben haben. Geheime MAD-Akte wirft weiter Fragen auf.

Berlin. Die Serie der Pannen im Rahmen der NSU-Ermittlungen reißt nicht ab: Der Untersuchungsausschuss im Bundestag beklagt nun eine weitere Aktenpanne. Erst jetzt habe der Ausschuss erfahren, dass im Land Berlin bereits 2002 ein Hinweis auf den möglichen Aufenthaltsort der untergetauchten rechtsextremen Terrorzelle vorgelegen habe, sagte der Unionsobmann, Clemens Binninger (CDU), am Donnerstag am Rande einer Ausschusssitzung in Berlin. Das Land habe diese Information aber nicht an die parlamentarischen Aufklärer weitergeleitet. Details zu dem Hinweis und seiner Quelle nannte Binninger nicht.

Der Grünenobmann Wolfgang Wieland sagte, der Vorgang müsse dringend aufgeklärt werden. Entweder habe die Berliner Innenverwaltung nichts von dem Hinweis gewusst oder aber ihn bewusst verschwiegen. „Es ist ein weiterer Schock“, sagte Wieland. Die Ausschussmitglieder seien inzwischen gewöhnt, einen Schlag in die Magengrube zu bekommen.

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Am Dienstag war bekannt geworden, dass der Militärische Abschirmdienst (MAD) eine Akte über ein Gespräch mit dem späteren NSU-Terroristen Uwe Mundlos aus den neunziger Jahren verschwiegen hatte. Während seiner Grundwehrdienstzeit bei der Bundeswehr sei er aufgefallen, durch "Hören von Skin-Musik mit teilweise rechtsextremistisch zu wertendem Verhalten", wie es in einer Antwort des Verteidigungsministeriums auf die gezielt gestellte Anfrage des Grünen-Abgeordneten Christian Ströbele heißt. Der Fall sei aufgenommen und an den Bundesverfassungsschutz und drei Landesverfassungsschutzämter übermittelt worden. Auch das Verteidigungsministerium – und Ressortchef Thomas de Maizière (CDU) - wussten seit Monaten von der Existenz der Unterlagen. An die Öffentlichkeit und den Untersuchungsausschuss gelangte die Information aber erst am Dienstag.

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Die Linke-Obfrau Petra Pau sagte, sie sei nicht länger bereit hinzunehmen, dass Akten erst dann übermittelt würden, wenn der Ausschuss sie identifiziert habe. Pau appellierte an die Bundesregierung und die Landesregierungen, ihre Aktenbestände noch einmal zu durchforsten.

Auch der Ausschussvorsitzende Sebastian Edathy (SPD) forderte weitere Aufklärung von der Bundesregierung zur MAD-Akte Mundlos. „Das Thema ist für uns noch nicht erledigt.“ Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe zugesagt, dass die Regierung den Untersuchungsausschuss uneingeschränkt in seiner Arbeit unterstütze. Darauf verlasse sich das Gremium.

Im Oktober will sich der Ausschuss in einer Sondersitzung mit den Ungereimtheiten rund um die Geheimdienstakte beschäftigen. Die Abgeordneten wollen dazu Vertreter des MAD und des Verteidigungsministeriums befragen.

Die SPD-Obfrau Eva Högl sagte, sie erwarte schon vor dieser Sitzung eine Klarstellung von de Maizière. Eine Befragung des CDU-Politikers ist vorerst zwar nicht geplant. Högl betonte aber: „Natürlich behalten wir uns vor, auch den Minister im Untersuchungsausschuss zu hören.“

Der CDU-Politiker Binninger rief zur Fairness auf. Der Ausschuss habe bereits im April einen Vermerk zu der MAD-Akte erhalten - „allerdings in einem Aktenberg und ohne gesonderte Kennzeichnung“. Deshalb hätten ihn die Abgeordneten nicht entdeckt. Ein Hinweis aus dem Verteidigungsministerium wäre hilfreich gewesen. Die Panne werde hoffentlich allen eine Lehre sein, mahnte er. „Wir sollten den Vorfall aber nicht weiter skandalisieren.“

Der Untersuchungsausschuss des Bundestages befasst sich seit Januar mit der Mordserie der rechtsextremen Terrorzelle NSU. Mindestens zehn Morde sollen auf das Konto des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ gehen. Am Donnerstag stand in dem Gremium der Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter 2007 in Heilbronn im Mittelpunkt.