Neben dem Untersuchungsausschuss soll auch ein Sonderermittler für Aufklärung sorgen. Anhörung von Fromm begonnen.

Berlin. Was geschah während und nach der Neonazi-Mordserie beim Verfassungsschutz? Warum wurden Akten vernichtet? Neben dem Untersuchungsausschuss des Bundestags soll nun auch ein Sonderermittler für Aufklärung sorgen.

Ein Sonderermittler soll die Aktenvernichtung im Bundesamt für Verfassungsschutz und den Einsatz von V-Leuten in der rechten Szene aufklären. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) beauftragte seinen Unterabteilungsleiter für Verfassungsschutz, Hans-Georg Engelke, mit den Untersuchungen. Der Neonazi-Untersuchungsausschuss des Bundestags befragte am Donnerstag, den für die Aktenvernichtung verantwortlichen Referatsleiter. Die Vernehmung dauerte rund drei Stunden, länger als erwartet.

Die Anhörung von Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm hat nun begonnen. Der 63-Jährige hatte Anfang der Woche seinen Rücktritt zum 31. Juli erklärt. Zu seinen genauen Beweggründen hat er sich aber noch nicht öffentlich geäußert.

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Im November 2011 waren unmittelbar nach Auffliegen der Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) sieben Akten zur „Operation Rennsteig“ geschreddert worden. Bei der Aktion waren zwischen 1997 und 2003 V-Leute des Verfassungsschutzes in der Thüringer Neonazi-Szene im Einsatz. Ein Teil der vernichteten Akten wurde inzwischen wieder rekonstruiert. Die Einsicht von Mitgliedern des Untersuchungsausschusses in insgesamt 45 Ordner mit Geheimakten ergab am Mittwoch keine Hinweise darauf, das V-Leute der NSU angehörten oder zu ihrem Umfeld zählten.

Die Terrorgruppe wird für zehn Morde verantwortlich gemacht. Sie hatte bei den Thüringer Neonazis ihren Ursprung.

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Der Sonderbeauftragte im Verfassungsschutzamt soll in der nächsten Woche seine Arbeit aufnehmen und „alle Sachverhalte im Zusammenhang mit der „Operation Rennsteig“ umfassend aufklären“, teilte das Ministerium mit und bestätigte damit einen Bericht des Internetportals bild.de.

Die Vernehmung Fromms war schon vor Bekanntwerden der Aktenvernichtung anberaumt. Grünen-Chef Cem Özdemir forderte den scheidenden Verfassungsschutzpräsidenten auf, bei seiner Befragung all sein Wissen über die Rolle seiner Behörde auf den Tisch zu legen. „Herr Fromm ist einer der Hauptverantwortlichen, die das Versagen der deutschen Sicherheitsbehörden und die tiefe Vertrauenskrise in die deutsche Sicherheitsstruktur zu verantworten haben“, sagte Özdemir der „Rheinischen Post“ (Donnerstag).

Auch die Debatte über eine Reform des Verfassungsschutzes hielt an. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier forderte: „Die Bundesbehörde muss Vorschläge entwickeln, wie die Beobachtung von Rechtsextremisten in Zukunft zielgenau und ohne Informationsverluste organisiert werden kann.“ Zudem sei „neben der Professionalisierung der Arbeit auch eine Professionalisierung der parlamentarischen Kontrolle des Verfassungsschutzes“ nötig, sagte er der „Passauer Neuen Presse“ (Donnerstag).

Der Ausschuss kam am Donnerstag zu seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause zusammen. Danach soll nach Informationen der „Stuttgarter Nachrichten“ am 28. September Hessens Ministerpräsident und ehemaliger Innenminister Volker Bouffier (CDU) aussagen. Auch Ex-Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) könnte nach Angaben von Ausschussmitgliedern vorgeladen werden.

( dpa/abendblatt.de )