Der NSU-Auschuss des Bundestages wirft dem MAD unter anderem vor, eine Befragung des Neonazi-Terroristen verschwiegen zu haben.

Berlin. Der Präsident des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) hat Vorwürfe zurückgewiesen, seine Behörde habe die Aufklärung der NSU-Affäre verschleppt. „Das MAD-Amt bemüht sich immer, die Akten umfassend und so schnell wie möglich dem Untersuchungsausschuss zukommen zu lassen“, sagte Ulrich Birkenheier am Dienstag nach einer Sitzung des Bundestagsgremiums in Berlin. Die Obleute aller Fraktionen hatten dem MAD zuvor vorgeworfen, die Befragung des früheren Bundeswehrsoldaten und späteren Neonazi-Terroristen Uwe Mundlos ein halbes Jahr verschwiegen zu haben.

Bei dem Gespräch im März 1995 war Mundlos vom MAD gefragt worden, ob er sich vorstellen könne, Informationen aus der rechten Szene an Geheimdienste weiterzugeben. Mundlos verneinte das. Birkenheier wollte das ausdrücklich nicht als Versuch verstanden wissen, den späteren Terroristen als bezahlten V-Mann anzuwerben. „Der MAD hat zu keinem Zeitpunkt die Absicht gehabt, Herrn Mundlos als Quelle anzuwerben“, sagte er. Es habe lediglich festgestellt werden sollen, inwieweit sich der damalige Bundeswehrsoldat von der rechten Szene gelöst habe.

+++ Untersuchungsausschuss erhebt Vorwürfe gegen MAD +++

+++ Ex-Verfassungsschutz-Chef verteidigt sich vor Ausschuss +++

Mundlos hatte in den Jahren 1994 und 1995 seinen Grundwehrdienst in einer Thüringer Kaserne geleistet. Fraglich war bisher jedoch, was der MAD an Informationen über Mundlos gesammelt haben könnte. Mindestens zehn Morde sollen auf das Konto des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ gehen. Der Bundestagsausschuss befasst sich seit Januar mit der Serie von Verbrechen, bei deren Aufklärung es Fehler und Pannen gab.

Eine Anfrage des Grünen-Abgeordneten Hans-Christian Ströbele an die Bundesregierung brachte nun Brisantes ans Licht. Demnach soll der MAD in den 1990er Jahren eine Akte über Mundlos angelegt haben. Er war während des Wehrdienstes wegen seiner rechten Gesinnung aufgefallen. Der MAD habe ihn damals befragt und Informationen an das Bundesamt für Verfassungsschutz und die Landesämter in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen weitergeleitet. Die MAD-Akte wurde laut Verteidigungsministerium bereits geschreddert. Damit sei die vorgeschriebene Löschfrist eingehalten worden. Die weitergegebenen Unterlagen sind aber noch im Umlauf und liegen den Ausschussmitgliedern inzwischen vor.

Der Ausschussvorsitzende Sebastian Edathy (SPD) sagte, das Material lege nahe, dass der MAD Mundlos als V-Mann habe anwerben wollen. Die Ausschussmitglieder reagierten empört darauf, dass der MAD die Unterlagen nicht von sich aus offengelegt hat. „Ich bin entsetzt“, sagte Edathy. „Das wird Folgen haben müssen.“ Der Unions-Obmann Clemens Binninger (CDU) sagte, der Vorfall habe das Vertrauen der Ausschussmitglieder erschüttert.

Die SPD-Obfrau Eva Högl sprach von einem echten Skandal. Die Linke-Obfrau Petra Pau sagte, sie fühle sich vom MAD belogen. Der Geheimdienst habe versichert, dass es keine Unterlagen zu Mundlos gebe. Auch der Grünen-Obmann Wolfgang Wieland beklagte, dass der MAD die Unterlagen bei Anfragen verschwiegen habe. „Unsere Empörung wächst von Stunde zu Stunde, je mehr wir erfahren, was da losgewesen ist.“ Der Grünen-Abgeordnete Ströbele mutmaßte, dass der MAD die Akte zurückgehalten habe, um den Anwerbeversuch zu verbergen. Das würde erklären, warum die Akte nirgendwo aufgetaucht sei, sagte er. „Eine solche Frechheit habe ich noch nicht erlebt.“

Die Türkische Gemeinde in Deutschland forderte von Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) Aufklärung über die Rolle des MAD in der NSU-Affäre. „Das ist eine immer größer werdende Staatsaffäre“, sagte der Vorsitzende Kenan Kolat. De Maizière müsse auch in den Ausschuss kommen. „Ich habe mehr und mehr das Gefühl, dass immer neue Dinge entdeckt werden“, sagte Kolat. „Es ist der größte Sicherheitsskandal in der Geschichte der Bundesrepublik. Nun muss auch die Kanzlerin eingreifen.“

Die übrigen Zeugenvernehmungen im Untersuchungsausschuss rückten durch die neue Entwicklung in den Hintergrund. Ursprünglich hatte der Mord an einem türkischen Internetcafébesitzer 2006 in Kassel im Mittelpunkt stehen sollen.