Der Senat beschließt Nachtragshaushalt ohne neue Schulden. Berlins Regierender Bürgermeister Wowereit gibt Regierungserklärung ab.

Berlin. Der künftige Hauptstadtflughafen in Schönefeld kostet das Land Berlin 444 Millionen Euro mehr als zuletzt geplant. Der Senat beschloss dazu am Dienstag einen Nachtragshaushalt. Nach Darstellung von Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) soll die Summe ohne zusätzliche Schulden oder Sparmaßnahmen aufgebracht werden. Zur aktuellen Lage beim Airport, der nach mehreren Verschiebungen nun am 27. Oktober 2013 eröffnet werden soll, will Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) am Donnerstag eine Regierungserklärung abgeben.

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Insgesamt wird der Flughafen laut letzter Annahme 1,2 Milliarden Euro teurer. 300 Millionen Euro sind laut Nußbaum Kosten für die Verschiebung, der Rest für zusätzlichen Lärmschutz, den Ausgleich von Mindereinnahmen und weitere Bauten. Den Betrag teilen sich die drei Gesellschafter – neben Berlin sind das Brandenburg und der Bund - gemäß ihren Anteilen.

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Die Gesamtkosten des Flughafens belaufen sich inzwischen auf 4,3 Milliarden Euro. Das ist etwa doppelt so viel wie beim Baustart im Jahr 2006 angenommen. Allein die Hauptstadt steckte bisher 180 Millionen Euro in das Projekt.

Rücklage im Etat 2012

Die zusätzlichen Mittel können laut Nußbaum durch Steuermehreinnahmen (250 Millionen Euro), sonstige Mehreinnahmen (109 Millionen) und einen niedrigeren Zinsaufwand (85 Millionen) aufgebracht werden. Für die komplette Summe soll im Etat 2012 eine Rücklage gebildet werden. Das Geld fließe aber erst, wenn es gebraucht werde, sagte Nußbaum.

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Aus Sicht Berlins sollten die Mittel für die Terminverschiebung, die der Flughafen zu verantworten habe, als Darlehen vergeben werden, sagte der Politiker. Dieses Geld muss später zurückgezahlt werden. Der größte Teil des Betrages gehe als Eigenkapitalerhöhung an den Airport und fließe nicht zurück.

Der Senat bringt den Nachtragshaushalt am Donnerstag ins Abgeordnetenhaus ein, wie Senatssprecher Richard Meng ankündigte. Das Parlament muss dem Etat zustimmen. Wann die Entscheidung fällt, ist noch offen.

Kritik der Opposition

Grünen-Fraktionschefin Ramona Pop kritisierte, dass die SPD/CDU-Koalition Wowereit für das „unternehmerische Versagen der Regierung“ einen Blankoscheck ausstelle. Linke-Fraktionschef Udo Wolf stellte Nußbaums Angaben infrage, weil dieser vor nicht einmal sechs Wochen dem Parlament einen Statusbericht vorgelegt habe, der von einem Spielraum in Höhe von 444 Millionen Euro weit entfernt sei.

Dagegen sieht CDU-Fraktionschef Florian Graf in dem Nachtragsetat ohne Neuverschuldung ein Zeichen für die Handlungsfähigkeit der Koalition. Die Industrie- und Handelskammer (IHK) lobte, dass die Mehrkosten über zusätzliche Steuereinnahmen finanziert werden sollen und die Investitionsausgaben des Landes nicht abgesenkt würden.

Am Donnerstag wird Wowereit mit einer Regierungserklärung im Parlament zur Lage beim künftigen Hauptstadtflughafen Stellung nehmen. Nachdem der neue Eröffnungstermin und die Finanzierung beschlossen seien, könne der Regierungschef jetzt den aktuellen Stand erläutern, sagte der Senatssprecher.

Unterdessen wollen die Mitglieder des Bundestagsverkehrsausschusses am Mittwoch (12. September, 15.00 Uhr) die Baustelle in Schönefeld besichtigen. „Die Erwartungen sind nach dem erneuten Desaster nicht so hoch“, sagte Ausschussvorsitzender Anton Hofreiter (Grüne) dapd. Dennoch hoffe er, dass die Planer einen Überblick über die konkreten Probleme geben werden. Der Termin ist nicht öffentlich.

Der steinige Weg zum Hauptstadtflughafen

Dezember 1991: Gründung der Berlin Brandenburg Flughafen Holding (BBF). Gesellschafter sind die Länder Berlin und Brandenburg.

Januar 1992: Beginn der Planungen für den Flughafen mit dem Projektnamen Berlin Brandenburg International, BBI.

Juni 1996: Der Ausbau des Flughafens Schönefeld sowie die Schließung der Flughäfen Tegel und Tempelhof werden beschlossen.

August 2004: Das Genehmigungsverfahren für den BBI wird mit dem Planfeststellungsbeschluss abgeschlossen.

April 2005: Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig verhängt im Eilverfahren einen weitgehenden Baustopp. Bis zum Urteil sind nur Bauvorbereitungen gestattet.

März 2006: Das Gericht genehmigt in letzter Instanz den Bau des BBI unter verschärften Lärmschutzauflagen.

Juli 2008: Erster Spatenstich für das Flughafen-Terminal.

Oktober 2008: Nach 85 Jahren schließt der Flughafen Tempelhof.

Oktober 2009: Das Brandenburger Verkehrsministerium erlässt eine neue Nachtflugregelung: Keine Starts und Landungen von Mitternacht bis 5.00 Uhr, Ausnahme Post- und Regierungsmaschinen, Notfälle. In den Randzeiten davor und danach ist die Zahl begrenzt.

Juni 2010: Unter anderem wegen der Pleite einer Planungsfirma wird die Eröffnung von Ende Oktober 2011 auf den 3. Juni 2012 verschoben.

September 2010: Die Deutsche Flugsicherung legt einen ersten Flugrouten-Vorschlag vor. Tausende Betroffene gehen dagegen auf die Straße. Es gibt neue Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss.

Oktober 2011: Das Bundesverwaltungsgericht gibt grünes Licht für nächtliche Flüge in den Randzeiten. Der Airport kann ohne weitere Einschränkungen an den Start gehen.

Januar 2012: Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung legt die Flugrouten fest und folgt im wesentlichen einem Vorschlag der Fluglärmkommission aus Gemeinde- und Airline-Vertretern.

Mai 2012: Vier Wochen vor dem Termin wird wegen Problemen mit der Brandschutzanlage die Eröffnung des Flughafens erneut abgesagt. Später wird Chef-Planer Manfred Körtgen entlassen.

Juni 2012: Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg spricht den Anwohnern das Recht auf besseren Schallschutz zu.

22. Juni 2012: Der Aufsichtsrat entscheidet, den neuen Starttermin 17. März erneut zu überprüfen und am 16. August darüber zu entscheiden.

31. Juli 2012: Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig weist die Klage von Anwohnern ab, das Genehmigungsverfahren für den neuen Hauptstadtflughafen neu aufzurollen. Jetzt steht der Eröffnung des Airports zumindest juristisch nichts mehr im Weg.

16. August 2012: Der Aufsichtsrat lässt – anders als geplant – weiter offen, ob der BER wirklich am 17. März 2013 eröffnet werden kann, und verschiebt die Entscheidung auf den 14. September. Eine Finanzspritze soll den Flughafen vor der Zahlungsunfähigkeit retten.

7. September 2012: Auf Vorschlag von Technikchef Horst Amann wird der Aufsichtsrat in einer vorgezogenen Sitzung voraussichtlich entscheiden, die derzeit für März 2013 geplante Eröffnung noch einmal zu verschieben. Im Gespräch ist nun ein Termin Ende Oktober 2013.

Mit Material von dpa