Jurist bezeichnet in Gutachten die Pläne von Familienministerin Schröder als nicht mit dem Grundgesetz vereinbar - in vierfacher Hinsicht.

Berlin. Mit Geschenken ist es bekanntlich so eine Sache. Jedes Kind lernt, dass man dem sprichwörtlichen Gaul eben nicht ins Maul schaut, also nicht herummäkelt, wenn einem ein Präsent nicht so zusagt. Im Fall des Betreuungsgeldes aber, ein milliardenschweres Geldgeschenk für Eltern, ist es anders. Die Oppositionsparteien - und ein nicht unerheblicher Teil der Bürger - lehnen es mit eiserner Vehemenz ab. Und fahren schwere Geschütze auf, um die für 2013 geplante Zahlung zu verhindern.

Schon Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) hatte im Juni angekündigt, eine Verfassungsklage gegen das Betreuungsgeld zu prüfen. Jetzt zieht die SPD-Fraktion im Bundestag nach. Sie hat den Verwaltungsrechtler Joachim Wieland von der Universität Speyer mit einem Rechtsgutachten beauftragt, das gestern vorgestellt wurde. Der Jurist kommt zu dem Schluss: Das Betreuungsgeld ist so, wie es von Union und FDP geplant wurde, nicht mit dem Grundgesetz vereinbar - und das gleich in vierfacher Hinsicht. Ein Dämpfer für die zuständige Familienministerin Kristina Schröder (CDU) - und Grund zum Frohlocken für die Opposition: Sollten die ebenfalls sehr kritischen Grünen mit der SPD mitziehen, kommt die nötige Mehrheit von einem Viertel der Parlamentarier zusammen und eine entsprechende Klage kann in Karlsruhe eingebracht werden.

Laut Wieland verstößt der Gesetzentwurf zum einen gegen den Schutz von Ehe und Familie. "Die Familien dürfen allein entscheiden, wie sie ihre Kinder aufziehen. Der Staat darf sich nicht einmischen", betonte der Jurist. Genau das geschehe jedoch beim Betreuungsgeld. Es sei ein Anreiz, eine bestimmte Betreuungsform, nämlich die Kita, nicht in Anspruch zu nehmen.

Zum anderen widerspreche das Betreuungsgeld in zweifacher Weise dem Gleichheitssatz: Wer für sein Kind eine Kita in Anspruch nehme, sei dadurch finanziell benachteiligt. Immerhin bekämen ja auch nicht jene Bürger eine Ausgleichszahlung, die nicht das Angebot staatlicher Büchereien oder Theater nutzten. Ungleichheit sei ebenfalls gegeben, wenn Mütter und Väter parallel zum Betreuungsgeld das Elterngeld beziehen. Es wird bis zu 14 Monate gezahlt, das Betreuungsgeld ist ab dem 13. Lebensmonat eines Kindes geplant. Im 13. und 14. Lebensmonat des Kindes könnten Eltern also doppelt kassieren - ein Nachteil also für alle Eltern ohne Betreuungsgeld.

Auf Drängen der CSU hatte sich Schwarz-Gelb im Koalitionsvertrag darauf verständigt, allen Eltern, die keinen Kita-Platz in Anspruch nehmen, ein Betreuungsgeld zu zahlen. 2013 sollen Eltern von Einjährigen 100 Euro monatlich bekommen, ab 2014 will der Staat 150 Euro an Eltern von Ein- und Zweijährigen zahlen. Kostenpunkt für die kommenden zwei Jahre: rund 1,4 Milliarden Euro. Eine Summe, die SPD und Grüne lieber in den schleppenden Kita-Ausbau investiert wissen wollen und deshalb gegen die als "Herdprämie" titulierte Zahlung trommeln.

Auch die FDP und Teile der CDU lehnen den Plan im Grunde ab, haben aber aus Koalitionsräson zugestimmt. SPD-Fraktionsvize Dagmar Ziegler nannte das Betreuungsgeld "eine Lex Seehofer, das die Landtagswahl in Bayern vorbereiten soll". Der bayerische Ministerpräsident stellt sich in rund einem Jahr zur Wiederwahl.

Als vierten Grund für eine Verfassungswidrigkeit nannte Wieland den Verstoß gegen das Gebot der Gleichstellung von Frau und Mann. Mit dem Betreuungsgeld würde "die überkommene Rollenverteilung zwischen den Geschlechtern verfestigt", da nach wie vor vor allem Frauen für die Kindererziehung zuständig seien. Es würde vor allem für Frauen ein Anreiz geschaffen, den Beruf zu unterbrechen. Sowohl seinen Argumenten als auch dem Ansatz Hamburgs räumt Wieland gute Chancen ein. Der Senat prüft, ob der Bund überhaupt die Gesetzgebungskompetenz für das Betreuungsgeld hat.

Wieland und andere Juristen werden Mitte September im Haushaltsausschuss angehört. Wieland sagte, er lasse sich überraschen, welche Gegenargumente Union und FDP vorbringen werden. Bislang habe er jedenfalls keine Auseinandersetzung mit diesen Fragen erkennen können. Ende September folgt dann die Verabschiedung im Bundestag, die auch ohne Stimmen der Opposition möglich ist. Klar ist deshalb, dass das Betreuungsgeld wohl zunächst kommen wird. Eine Klage kann erst eingebracht werden, wenn das Gesetz die Unterschrift des Bundespräsidenten trägt. Bis zu zwei Jahre dauert es dann bis zu einem Urteil. Das Milliardengeschenk wird wenigstens für einige Monate verteilt werden - und noch genauso lange für Unruhe sorgen.