Der Präsident des Steuerzahlerbundes, Reiner Holznagel, über Staatseinnahmen, die Euro-Krise und Pensionen von Spitzenpolitikern.

Hamburg/Berlin. Es ist in Mode gekommen, während der europäischen Schuldenkrise nach höheren Steuern zu rufen und die Staatserträge mit allen Mitteln steigern zu wollen. In Deutschland, das belegen die neuen Zahlen des Statistischen Bundesamtes, mangelt es aber nicht an den Einnahmen der öffentlichen Hand. So hat die Sozialversicherung (Renten- und Krankenkassen, Arbeitslosenversicherung) in den ersten sechs Monaten dieses Jahres einen Überschuss von 11,6 Milliarden Euro erzielt. Die Steuereinnahmen wuchsen um 3,8 Prozent im Vergleich zu 2011 auf 308,7 Milliarden Euro. Demgegenüber stand ein Defizit der Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden von 3,3 Milliarden Euro.

Deshalb ist für den Bund der Steuerzahler klar, dass Deutschland kein Einnahme-, sondern ein Ausgabenproblem hat. Im Abendblatt-Gespräch lehnte Präsident Reiner Holznagel deshalb eine höhere Spitzensteuer ebenso ab wie den weiteren Ankauf von Steuer-CDs aus der Schweiz. Holznagel warf der Politik außerdem Scheinheiligkeit vor.

"Neben den Einkommenssteuern werden noch der Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls die Kirchensteuer erhoben. Deswegen liegt der Spitzensteuersatz nicht bei 45, sondern bei über 50 Prozent", so Holznagel. "Und was die Krise angeht, so versprechen uns die Politiker, dass die Haftungsrisiken in der Euro-Rettung keine direkte Bedrohung für den deutschen Steuerzahler sind. Wir wissen aber alle, dass das nur eine Beruhigungspille ist."

Das Bündnis aus Gewerkschaften und Verbänden für die Erhöhung der Spitzensteuer ("Umfairteilen") sieht Holznagel skeptisch: "Die Diskussion um die Spitzensteuern ist populistisch: Nehmt den Reichen das Geld ab. Die Krise wird so aber nicht gelöst."

Der Steuerzahlerbund-Präsident mahnt zum Sparen und führt die Energiewende als Beispiel dafür an, dass sich Politik noch gestalten lässt: "Man hat innerhalb weniger Monate den Ausstieg aus der Atomkraft beschlossen und die Energiewende proklamiert. Dennoch werden weiterhin üppige Kohlesubventionen gezahlt. Das ist aber nur ein Beispiel von einem wahren Subventionssumpf, an den wir heranmüssen. Sparen geht, man muss nur wollen!"

Auch der Haushaltsexperte der CDU, Norbert Barthle, warnte: "Die Zahlen dürfen uns nicht dazu verleiten, bei den Konsolidierungsanstrengungen nachzulassen. Vielmehr müssen wir die Gunst der Stunde zum weiteren Abbau der Neuverschuldung nutzen."

+++ Warum in Deutschland die Kassen trotzdem klingeln +++

Holznagels Verband setzt sich zudem für ein Durchforsten des Paragrafen-Dickichts ein. Die Steuererklärung, die ein Bürger unterschreibe, müsse er auch verstehen können. Die undurchschaubare Einteilung von ermäßigter (sieben Prozent) und voller Mehrwertsteuer (19 Prozent) gehöre spätestens in der nächsten Legislaturperiode auf den Prüfstand - auch die Vergünstigungen für die Hoteliers.

Holznagel macht sich für das Steuerabkommen der Bundesregierung mit der Schweiz stark. "Man muss Steuerhinterziehung hart bekämpfen, denn wir füllen mit unseren Steuern das auf, was dem Fiskus an Einnahmen durch Steuerhinterziehung entgeht. Der Staat darf sich aber nicht auf eine Stufe stellen mit denen, die er bekämpft." Die Schweizer Banken würden dem deutschen Fiskus fast zwei Milliarden Euro bezahlen. "Dieses Geld haben einige Bundesländer bereits in ihren Haushalten eingeplant. Deshalb ist die Blockade im Bundesrat scheinheilig."

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Auch die Spitzenpolitiker will der Steuerzahlerbund nicht aus ihrer persönlichen Verpflichtung entlassen. So hatte sich zum Beispiel Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) seine Privilegien im Pensionsalter verlängert. Für deutlich länger als nach bisherigen Regeln hat er Anspruch auf Personal und Büroausstattung.

Zuletzt hatte der frühere Bundespräsident Christian Wulff Kritik erregt, weil auch er von einer Erhöhung des Ehrensoldes profitiert. Steuerzahlerbundchef Holznagel findet, dass der Bundestag das überprüfen sollte: "Hier stehen der Haushaltsausschuss und die früheren Amtsträger in der Verpflichtung. Sie müssen belegen, dass diese Ausstattungen sinnvoll sind und dass der Steuerzahler etwas davon hat." Wer auch im Ruhestand Aufgaben wahrnehme, solle dafür angemessen unterstützt werden. Holznagel nannte als positive Beispiele die Altkanzler Helmut Schmidt und Helmut Kohl sowie Altbundespräsident Richard von Weizsäcker. "Aber diejenigen, die eine üppige Ausstattung nach dem Ausscheiden aus dem Amt nicht brauchen, sollten die Kraft haben, das einzugestehen."

Das ganze Interview mit Reiner Holznagel unter www.abendblatt.de/steuern