Die Regierung sollte sprudelnde Steuereinnahmen zum seriösen Haushalten nutzen

Der VW Golf ist ein Erfolgsmodell. Der Bundeshaushalt nicht. Scheinbar haben beide nichts miteinander zu tun. Doch am Erfolg sollten sich Autobauer und Politiker messen lassen. Und hier zeigt sich, wer verstanden hat und wer noch nicht. Der Golf wiegt in seiner neuen Variante 100 Kilogramm weniger als der Vorgänger. Die Ingenieure haben an Gewicht gespart und das Auto buchstäblich Gramm um Gramm leichter gemacht. Dafür waren neue Materialien, aber vor allem Ideenreichtum nötig. Jede Ersparnis senkt den Verbrauch und macht Volkswagens Dauerbrenner fit für den Markt.

Man kann das Auto auch aufmotzen, Sonderausstattungen einbauen, tiefer, breiter, schneller machen. Aber das kostet. Vor allem auf dem Weltmarkt, wo die größten Absatzchancen der Wolfsburger sind, bleibt der schlanker gebaute Golf ein deutsches Vorzeigeprodukt. Was wäre das für ein Vorbild für deutsche Haushaltspolitiker!

Auch sie müssten sich endlich auf das Sparen konzentrieren. Die Steuereinnahmen sprudeln wie verrückt, die Rentenkasse läuft über, trotz Euro-Krise leben die Deutschen auf einer Insel der zwei Wunder: Arbeitsmarkt und Preisstabilität entwickeln sich gut. Der zweithöchste Überschuss bei den gesamten Staatseinnahmen in einem Halbjahr seit der Wiedervereinigung - das ist nicht irre, das ist der Fleiß der Bürger. Möglicherweise fließt bei einer weniger positiven Entwicklung im Laufe dieses Jahres ein wenig Wasser in den Freudenwein. Aber verglichen mit Europas Schuldenstaaten herrschen hier allemal paradiesische Zustände.

Dabei sorgen Steuern und Sozialabgaben für satte Überschüsse. Sie kommen von Arbeitnehmern und Unternehmen. Für sich betrachtet sind die Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden dennoch im Minus. Obwohl angesichts ansehnlicher Lohnsteigerungen, der Extraprämien, die Firmen wie VW in vierstelliger Höhe an alle Beschäftigten gezahlt haben, jedes Mal die Staatskasse klingelt, die Sozialversicherung krisenfester wird. Es bedeutet aber auch, dass die öffentlichen Ausgaben endlich den Einnahmen angepasst werden müssen.

Das mag schmerzlich sein für Politiker, die ihre Steckenpferde - etwa das Betreuungsgeld - pflegen. Eigentlich müsste jede Neuausgabe an anderer Stelle eingespart werden. Das gilt für Subventionen zugunsten der Unternehmen, die von der Ökosteuer befreit sind, ebenso wie für die heimische Solaranlage und die Einspeisevergütung, und das gilt für die Zuschussrente, die Ministerin Ursula von der Leyen plant.

Es ist offensichtlich, dass aus der Mitte der Gesellschaft die größte Leistungsfähigkeit kommt. Also darf diese Mitte nicht über Gebühr geschwächt werden. Die Normalbürger stehen schon für die Euro-Rettung gerade, sie schultern den größten Brocken der Investitionskosten für die Energiewende - nicht etwa Unternehmen. Zusätzlich finanzieren Arbeitnehmer und Firmen gemeinsam die Menschen, die alt, krank und arm sind. Das Ganze ist ein Markenzeichen der Sozialen Marktwirtschaft. Sie hat eine umsichtigere Schuldenpolitik verdient.

Die Bürger machen vor, wie das funktioniert. Trotz Euro-Krise gibt es kein "Angstsparen" bei denen, die noch ein paar Euro zu verteilen haben. Geldausgeben und Haushalten, Konsumgenuss und Altersvorsorge halten sich in den meisten Familien die Waage. Jetzt müsste nur noch die Politik beweisen, dass sie ebenso diszipliniert ist wie ihr Volk.

Dazu ist noch Gelegenheit, selbst in der knapp bemessenen Zeit bis zur Bundestagswahl im Herbst nächsten Jahres. Mit dem Verzicht auf persönliche Prestigeprojekte lassen sich für die Koalitionäre Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Philipp Rösler (FDP) mehr Wählerstimmen gewinnen, als sie meinen.