Ex-Regierungschef Mappus hat vor seinem Auszug aus der Regierungszentrale jegliche elektronischen Spuren getilgt. Die Säuberungsaktion holt ihn jetzt ein. Doch auch für Ministerpräsident Kretschmann ist die Sache unerquicklich.

Stuttgart. Man stelle sich vor: Beamte, die auf Veranlassung eines scheidenden Ministerpräsidenten die Festplatte von dessen Computer mit dem Bunsenbrenner anschmoren oder mit dem Hammer zertrümmern. So mag es im vergangenen Frühjahr in Stuttgart zugegangen sein. Der abgewählte Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) wollte im wahrsten Wortsinn Tabula rasa machen und keinerlei elektronische Spuren im Netzwerk des Ministeriums beim Machtwechsel zu Grün-Rot hinterlassen. Zum Zeitpunkt der Datenvernichtung war Mappus schon länger im Kreuzfeuer von SPD und Grünen gestanden, weil er den milliardenschweren Rückkauf der EnBW-Aktien am Parlament vorbei eingefädelt hatte.

Mappus' Anwälte finden die Festplatten-Aktion eine „völlig normale Vorgehensweise“. Auf dem Datenspeicher seien zahlreiche CDU-Dateien und private Daten gewesen. Die Festplattenvernichtung ist nicht unbedingt Usus in Ministerien. Denn etwa Mappus' Amtsvorgänger, EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU), erinnert sich nicht an ein ähnlich rabiates Abnabeln: „Ich habe vor meinem Auszug aus der Villa Reitzenstein nichts an den Computern in meinem Büro vornehmen lassen.“ Er habe auf ihnen auch nichts Privates erledigt.

Für den stellvertretende Landesdatenschutzbeauftragten Peter Diekmann dürfte das vorbildlich sein. Denn er meint, die staatlichen sowie die privaten und politischen Tätigkeiten sollten sauber voneinander getrennt werden, nach Möglichkeit durch zwei PCs. Ein Rat, den Mappus offensichtlich nicht beherzigt hat.

CDU-Landeschef Thomas Strobl hat dagegen Verständnis für den schon länger in Ungnade gefallenen Parteifreund: „Ich halte es nicht für ungewöhnlich, dass ein scheidender Mitarbeiter seine ganz persönlichen Notizen nicht im Büro liegen lässt. Dazu gehören heutzutage natürlich auch digitale Notizen und elektronische Nachrichten.“ Das sieht die grün-rote Koalition ganz anders. Für sie ist die Aktion weiterer Beleg für die Vertuschungs- und Täuschversuche des Christdemokraten. Der SPD-Abgeordnete Andreas Stoch meint: „Nur wer ein schlechtes Gewissen hat, lässt seine Festplatte ausbauen und vernichten. Wer etwas vernichtet, hat auch was zu verbergen.“ Normal wäre gewesen, private Korrespondenz lediglich zu löschen.

„Dass es Stefan Mappus nicht reichte, die Daten einfach zu löschen, sondern er gleich die ganze Festplatte zerstören lässt, schürt den Verdacht, dass uns immer noch Korrespondenz vorenthalten wird“, meint der Grünen-Obmann im EnBW-Untersuchungsausschuss, Uli Sckerl. Der Ausschuss des Landtags untersucht unter anderem die Frage, ob das Land mit 4,7 Milliarden Euro zu viel für das 45-Prozent-Aktienpaket bezahlt hat.

Mappus hatte vor dem Gremium beteuert, der Deal sei zum Wohl des Landes gewesen. „In ökonomischer und politischer Hinsicht halte ich den Aktienrückkauf nach wie vor für richtig“, betonte er im März dieses Jahres. Aus Sicht der Regierungskoalition zeigt sein Verhalten, dass er sich seiner Sache wohl doch nicht so sicher gewesen ist, wie er später angab.

Für die Staatsanwaltschaft, die gegen Mappus wegen Untreue ermittelt, ergeben sich neue Anhaltspunkte. Mit sogenannter forensischer Software könnten möglicherweise Spuren der gelöschten Daten gefunden werden. Die Staatsanwälte haben das Staatsministerium nach eigenen Angaben bislang nicht durchsucht, weil den Arbeitsplatz von Mappus ja jetzt jemand anders einnehme. Spannend dürfte auch sein, wie es um den Computer von Ex-Staatsminister Helmut Rau (CDU) bestellt ist, gegen den ebenfalls in der EnBW-Affäre ermittelt wird.

Für Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat der Vorfall eine unerfreuliche interne Komponente: Denn dass Beamte Mappus beim Zerstören des landeseigenen Gerätes geholfen haben, kann der Hausherr wohl nicht einfach durchgehen lassen. Noch schwerer wiegt, dass jeder im Ministerium von der fieberhaften Suche von Grün-Rot nach Informationen zum EnBW-Deal wusste und keiner der Beteiligten Laut gab. Die Regierungsfraktionen fordern Aufklärung und gegebenenfalls Konsequenzen für die Staatsdiener, die in diesem Fall nicht das Wohl des Landes im Blick gehabt hätten. Stoch unterstreicht: „Der Vorgang zeigt die falsche Loyalität im System Mappus.“