STEUERREFORM. Regierung und Union vor Einigung. Mehrheit der Deutschen sagt in Umfrage Ja zur Verschiebung bis 2004.

Berlin. Bundesregierung und CDU/CSU-Opposition stehen unmittelbar vor einer Einigung über die Finanzierung der Folgen der Hochwasserkatastrophe in Süd- und Ostdeutschland. Das Bundesfinanzministerium hat die Ankündigung von Unions-Fraktionschef Friedrich Merz (CDU) begrüßt, der von der Regierung vorgeschlagenen Verschiebung der Steuerreform zuzustimmen. "Wenn wir gemeinsam, schnell, sozial verträglich und mit klarer Finanzierung sofort ein Paket beschließen können, wird dies von unserer Seite keinen Widerstand erfahren", sagte ein Sprecher des Ministeriums gestern in Berlin. Die Union sei willkommen, dem von der Bundesregierung vorgeschlagenen Maßnahmenkatalog zuzustimmen. Aus Kreisen der Union hatte es zuvor geheißen, man werde dem Verschieben der zweiten Stufe der Steuerreform um ein Jahr sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat zustimmen. Auch würden keine Forderungen nach einer Belastung von Kapitalgesellschaften erhoben, weil dies nicht in die konjunkturelle Landschaft passe. Dies hatte die Union bislang immer wieder gefordert, weil sonst nur Bürger und der Mittelstand durch die Flut-Kosten belastet würden. Falls die CDU/CSU jedoch die Bundestagswahl gewinne, werde sie die Verschiebung der Reform wieder rückgängig machen und die Schäden der Hochwasserkatastrophe durch den Bundesbank-Gewinn finanzieren, hieß es weiter. Die Union will ihre Pläne zur Finanzierung des Wiederaufbaus heute vorstellen. Zwei Drittel der Deutschen befürworten einer Forsa-Umfrage zufolge die Verschiebung der Steuerreform für den Wiederaufbau nach der Jahrhundertflut. Drei Viertel wären sogar bereit, für die Hochwasseropfer eine einmalige Abgabe zu leisten. Heute will Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) über die Hochwasserhilfe mit den Ministerpräsidenten beraten. Zudem trifft er sich mit Vertretern der Wirtschaft. Schröder rechnet damit, dass das Hilfspaket bei den Etatberatungen des Bundestages am 12. und 13. September endgültig verabschiedet wird. Anschließend werde der Bundesrat um eine Sondersitzung zur endgültigen Billigung gebeten. Schröder wies den Vorwurf der Opposition zurück, die von der Koalition angekündigte Verschiebung der zweiten Stufe der Steuerreform um ein Jahr auf 2004 sei sozial unausgewogen. Allein durch die aufgeschobene Senkung des Spitzensteuersatzes würden 1,2 Milliarden Euro mobilisiert. Finanzminister Hans Eichel (SPD) lehnte im InfoRadio Berlin eine höhere Neuverschuldung ab. Beim Aufschub der Steuerreform sei gewährleistet, dass alle zahlen müssten. Auch die Grünen-Finanzexpertin Christine Scheel sprach sich gegen höhere Körperschaftsteuern aus. Mit Blick auf Klagen, viele Großunternehmen hätten zuletzt überhaupt keine Steuern bezahlt, sagte sie, eine Erhöhung für Kapital-Gesellschaften von 25 auf 26,5 Prozent, wie zunächst von der Union vorgeschlagen, sei keine Lösung. Die FDP lehnt grundsätzlich alle Pläne zu Steuererhöhungen ab, sagte der FDP-Haushaltspolitiker Günter Rexrodt. Parteichef Guido Westerwelle machte sich für Steuersenkungen und einen Sonderfonds aus Haushaltsumschichtungen stark. FDP-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt verlangte zur Finanzierung der Schäden eine Kürzung der Subventionen um zehn bis 15 Prozent. Die sächsische Landesregierung rechnet inzwischen mit Hochwasserschäden von rund 15 Milliarden Euro. Dies würde etwa dem Jahreshaushalt 2003 des Landes entsprechen.