Das System der Organspende hat offenbar seine Schwächen: Erst soll ein Göttinger Arzt seine Patienten „kranker“ gemacht haben, als sie tatsächlich waren, um sie auf der Warteliste vorrücken zu lassen, und jetzt wird bekannt, dass zahlreiche Spenderorgane an der Warteliste vorbei vergeben werden. Dabei gibt es strenge Vorgaben für die Vermittlung von Herz, Leber und Niere. Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Reglung der Vergabe von Organen in Deutschland.

Berlin. Welche Organisationen sind an der Organvermittlung beteiligt?

1997 wurde ein Gesetz verabschiedet, das die Transplantationsmedizin in drei finanziell und organisatorisch unabhängige Bereiche aufteilt: Für die Organisation der Organspende ist die Deutsche Stiftung für Organtransplantation (DSO) zuständig. Die Vermittlung des Organs übernimmt die Stiftung Eurotransplant. Die eigentliche Übertragung des Organs auf den Empfänger findet in den bundesweit rund 50 Transplantationszentren statt.

Und wie läuft die Zusammenarbeit?

Besteht bei einem Patienten der Verdacht auf Hirntod, vermittelt ein regionales DSO-Zentrum bei Bedarf unabhängige Neurologen für die Abklärung. Die Stiftung unterstützt die Ärzte außerdem bei der Klärung der Frage, ob der Patient einer Organspende zugestimmt hat oder ob seine Angehörigen dies tun. Dann werden die Daten des gespendeten Organs von der DSO an die Stiftung Eurotransplant übermittelt.

Und wofür braucht man jetzt Eurotransplant?

Die Stiftung vermittelt die gespendeten Organe in sieben europäische Länder mit insgesamt 124 Millionen Einwohnern: Belgien, Deutschland, Kroatien, Luxemburg, Niederlande, Österreich und Slowenien. Eurotransplant sitzt in Leiden (Südholland) und führt in ihren Wartelisten rund 15.000 Menschen. Zum Vergleich: 2010 wurden in Zuständigkeitsbereich von Eurotransplant knapp 7.000 Lebern, Herzen, Lungen, Nieren und Bauspeicheldrüsen gespendet und eingepflanzt.

Woher bekommen die Niederländer ihre Informationen?

Bei Eurotransplant läuft alles zusammen: die Daten der Menschen, die auf eine Transplantation warten, und die Daten der gespendeten Organe. Die Informationen über die Wartenden kommen von den Transplantationszentren, die Daten über die Organe von der DSO.

Es hängt also vom behandelten Arzt ab, welche Informationen zu Eurotransplant gelangen?

Die Ärzte sind an die „Richtlinien für die Wartelistenführung“ der Bundesärztekammer gebunden. Danach ist eine Organtransplantation medizinisch geboten, wenn Erkrankungen „nicht rückbildungsfähig fortschreiten oder durch einen genetischen Defekt bedingt sind und das Leben gefährden oder die Lebensqualität hochgradig einschränken“. Weiter heißt es in den Richtlinien: „Die Gründe für oder gegen die Aufnahme in die Warteliste sind von dem darüber zu entscheidenden Arzt zu dokumentieren.“

Und was hat das mit Eurotransplant zu tun?

Entscheidend bei der Auswahl des geeigneten Empfängers ist die Dringlichkeit der Transplantation. Dafür wird aus – im Prinzip – objektiven Laborwerten der sogenannte MELD-Score berechnet. Er ist ein Maß für die Wahrscheinlichkeit des erkrankten Menschen, ohne Transplantation innerhalb der nächsten drei Monate zu sterben.

Und wie ist es möglich, dass dabei geschummelt wird?

Dazu sagte der Präsident von Eurotransplant, Bruno Meiser, die Zuordnung der Organe sei jederzeit komplett nachvollziehbar. „Werden die Daten aber gefälscht übermittelt, ist auch Eurotransplant hilflos.“ Aus seiner Sicht kann aber ein Mensch allein nicht betrügen. „Irgendeinem Kollegen muss zumindest aufgefallen seien, dass Laborwerte unrealistische Schwankungen aufwiesen oder Werte nicht zueinanderpassten.“

( dapd/abendblatt.de )