Unter den Opfern des Amokläufers Tim K. ist auch die Frau eines Polizeibeamten, der mit seiner Streife zur Albertville-Realschule gerufen wurde. Sie war dort Lehrerin, 26 Jahre alt. Erst vor zwei Monaten haben die beiden standesamtlich geheiratet, für Mai die kirchliche Trauung geplant. Das berichtet “Spiegel Online“.

Winnenden. Unter den Opfern des Amokläufers von Winnenden, Tim K., befindet sich auch die Frau eines Polizeibeamten. Sie unterrichtete an der Realschule Physik, war 26 Jahre alt. Erst vor zwei Monaten haben die beiden standesamtlich geheiratet, für Mai ihre kirchliche Trauung geplant. Die Einladungen waren verschickt. Das berichtet "Spiegel Online".

Kollegen überbrachten dem Polizeibeamten, der kurz nach der Tat vor Ort war - er wurde an einer der Absperrungen vor dem Schulgebäude eingesetzt - die Todesnachricht. Die Identität der erschossenen Lehrerinnen war relativ schnell geklärt. Andreas K. wurde sofort aus dem Einsatz genommen. Der Mann wird psychologisch betreut. Es gehe ihm sehr schlecht, heißt es.

Unterdessen hat die baden-württembergische SPD hat Landesinnenminister Heribert Rech (CDU) eine voreilige Informationspolitik nach dem Amoklauf von Winnenden vorgeworfen. "In solchen Fällen geht Gründlichkeit vor Schnelligkeit", sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Claus Schmiedel nach Angaben eines Sprechers in Stuttgart. Rech hatte gestern auf einer Pressekonferenz gesagt, der Amokläufer habe die Bluttat im Internet einem Chat-Partner angedeutet. Dies stellen die Ermittler aber nun infrage.

Nun soll geklärt werden, ob Tim K. tatsächlich in einem Chat angekündigt hat, den Massenmord zu begehen. Polizeisprecher Klaus Hinderer sagte am Freitagvormittag, nur der Betreiber des Servers in den USA könne sagen, wer, was und ob etwas ins Netz eingestellt worden sei.

Gestern noch wurde von der Staatsanwaltschaft die Echtheit eines Chat-Protokolls bestätigt - doch die Realität sieht scheinbar anders aus. Angeblich soll Tim K. nur wenige Stunden vor der Tat erklärt haben, er werde an seine frühere Realschule gehen und "mal so richtig gepflegt grillen". Auch der baden-württembergische Innenminister Heribert Rech hatte den Eintrag auf einer Pressekonferenz präsentiert. Er zitierte die Aussage: "Scheiße Bernd, es reicht mir. Ich habe dieses Lotterleben satt - Sie sehen es aber etwas undeutlich auf der Leinwand - immer dasselbe, alle lachen mich aus. Niemand erkennt mein Potenzial. Ich meine es ernst, Bernd. Ich habe Waffen hier, und ich werde morgen früh an meine frühere Schule gehen und mal so richtig gepflegt grillen. Vielleicht komme ich ja auch davon. Haltet die Ohren offen, Bernd. Ihr werdet morgen von mir hören. Merkt euch nur den Namen des Orts:Winnenden. Und jetzt keine Meldung an die Polizei. Keine Angst ich trolle nur." "Trollen" bedeutet in den Internetsprache soviel wie einen Spaß zu machen.

Es deutet mittlerweile alles auf einen makaberen Scherz hin. Konnte nur jemand gut mit Photoshop umgehen und hat den Eintrag kurzerhand nach dem Attentat produziert? Das zumindest steht auf der Internetseite krautchan.net. Hier soll Tim K. angeblich sein Vorhaben gegenüber einem Chatpartner angekündigt haben. Zurzeit ist die Seite offline. Sie sei dem momentanen Ansturm nicht gewachsen. Der User sieht lediglich folgenden Hinweis, wenn er das Portal betritt: "Was man übrigens auf dem PC des Täters gefunden haben will, wissen wir nicht. Vielleicht hat er die Site mal besucht, den durch die Presse gegangenen Beitrag hat er jedenfalls nicht verfasst, denn der hat nie existiert."

In Stuttgart sagte Innenminister Rech noch, die Internet-Ankündigung des Amoklaufs stamme eindeutig von dem Täter. Die Ermittler hätten entsprechende Daten auf dem PC des 17-Jährigen gefunden. Doch Polizeisprecher Hinderer räumt nun ein: "Es ist möglich, dass noch nicht alles hundertprozentig durchermittelt war."

Gegenüber der "Süddeutschen Zeitung" sagt Innenminister Heribert Rech nun: "Irgendein Verrückter hat wohl eine schlimme Falschmeldung in die Welt gesetzt." Kritik wies er dennoch zurück: "Ich habe stets deutlich gemacht, dass es sich um den vorläufigen Stand der Ermittlungen handelt", sagte er weiter. Es müsse "nun geklärt werden, wie der Vater eines 17-Jährigen behaupten konnte, er habe den Eintrag vor der Tat gesehen".

Die Auswertung des Computers, der im Zimmer von Tim K. gefunden wurde, habe keinen Hinweis auf die Echtheit des Chats ergeben. Es sei aber nicht auszuschließen, dass der 17-Jährige einen anderen Computer benutzt habe, zum Beispiel einen Laptop. Hinderer erklärte, es gebe drei Hinweise auf den Chat. So hätten zwei Zeugen unabhängig voneinander den Eintrag vor der Tat gelesen.

Die Eltern des Amokläufers wurden dem Polizeisprecher zufolge an einen unbekannten Ort gebracht. Eine Vernehmung des Vaters habe wegen einer psychischen Beeinträchtigung abgebrochen werden müssen.

Hinderer schloss nicht aus, dass gegen den Mann ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird, etwa wegen fahrlässiger Tötung. Das hänge davon ab, wie die Tatwaffe aufbewahrt worden sei. Zudem halten mutmaßliche Nachahmungstäter die Polizei weiter in Atem.