Was die außenpolitischen Auftritte des neuen Außenministers Westerwelle und der routinierten Kanzlerin Merkel kennzeichnet.

Berlin/Hamburg. In diesen Tagen werden die Positionen der deutsche Außenpolitik von einer Berliner Doppelspitze bei Freunden und Verbündeten vorgetragen. Der neue Außenminister läuft sich bei den direkten Nachbarn Deutschlands in Ost und West warm, die Kanzlerin zieht es derweil über den Atlantik zum großen Alliierten USA. Vor dem US-Kongress hält sie heute eine Grundsatzrede - so viel Ehre hat es seit Adenauer für einen deutschen Regierungschef nicht mehr gegeben.

War einst der Sprung für Merkel aus der Uckermark auf die Weltbühne gewöhnungsbedürftig, so steht sie inzwischen schon als Veteranin da, während Guido Westerwelle das außenpolitische Greenhorn geben muss.

Die Pariser Tageszeitung "Le Figaro" hat ihn einen "Anfänger auf dem diplomatischen Parkett" genannt. Das war nicht eben charmant, aber vielleicht auch nur eine kleine Retourkutsche dafür, dass Westerwelle nicht Frankreich mit seinem ersten Auslandsbesuch beehrt hatte, sondern den östlichen Nachbarn Polen. Jenseits von Oder und Neiße war man dafür umso mehr geschmeichelt. Sowohl Polens Ministerpräsident Donald Tusk als auch Außenminister Radek Sikorski interpretierten die Geste exakt in dem Sinne, wie sie gemeint war: als "hervorragendes Symbol".

Ob es allerdings diplomatisch war, den Polen quasi zu versprechen, dass die in Polen verhasste Vertriebenen-Präsidentin Erika Steinbach (CDU) keinen Sitz im Stiftungsrat der Vertreibungs-Gedenkstätte in Berlin einnehmen wird - "Wir wollen, dass das ein Projekt ist, das unsere Länder zueinanderbringt, wir werden alles unterlassen, was diesem Gedanken entgegensteht" -, wird sich noch erweisen. Sollte Westerwelle das "Wir" nicht vorher mit Merkel abgesprochen haben, dann wäre dies möglicherweise sein erster Fehler auf dem diplomatischen Parkett gewesen, das für Deutsche in Polen geschichtsbedingt und erfahrungsgemäß besonders glatt ist.

Gestern, in Den Haag, hat es sich Westerwelle deutlich einfacher gemacht. Ein "wunderbares Land mit wunderbaren Menschen" seien die Niederlande, hat er gesagt. Mit solchen Plattitüden kann man nichts falsch machen, die kommen bei den jeweiligen Gastgebern immer gut an. Ebenso wie die Bemerkung, die Kleinen seien in Europa genauso wichtig wie die Großen. Auch das hat sich der niederländische Ministerpräsident Jan Peter Balkenende gerne angehört.

Für die Franzosen hatte der neue Mann im Berliner Außenamt noch mehr Nettigkeiten im Gepäck. Er habe Frankreich "immer bewundert und geliebt", hat Westerwelle nachmittags in Paris gesagt. Und hinzugefügt, dass seine Generation die deutsch-französische Freundschaft "in den Genen" habe.

Man konnte Westerwelle die Aufgeregtheit in seiner ersten Amtswoche mühelos anmerken. An dem Zuviel an Freundlichkeiten, die er verteilte, an dem Dauerlächeln, das wahnsinnig anstrengend gewesen sein muss. Dass man ihm die Aufgeregtheit anmerkte, war allerdings sehr sympathisch. So stromlinienförmig, wie ihn die meisten in Berlin finden, ist er offenbar gar nicht. Vielleicht kann es ihm im lange und ehrgeizig angestrebten Staatsamt ja sogar gelingen, lässiger zu werden. Mehr bei sich zu sein. An diesem Amt sind ja bislang alle gewachsen.

Merkel hat es nie ausgeübt, sie musste außenpolitisch gleich in der Kanzlerschaft reifen. Als Frau kann sie kumpelige Männerfreundschaften in der Sauna oder auf der Ranch zur Beförderung der Beziehungen nicht pflegen. Ihr Stil ist ohnehin die freundliche Distanz, ihre Maxime die kritische Unabhängigkeit.

Sie verwehrte dem Präsidentschaftskandidaten Barack Obama kühl einen Auftritt am Brandenburger Tor, lehnte seinen Wunsch nach Aufnahme von Guantánamo-Häftlingen ebenso ab wie das Anwerfen der Notenpresse in der Finanzkrise oder einen Nato-Beitritt Georgiens und der Ukraine. Und sie dürfte ihm nun mit unbequemen Klima-Forderungen auf die Nerven gehen.

Auch die Einladung des Dalai Lama ins Kanzleramt, die chinesische Wutanfälle auslöste, und die für deutsche Katholiken unerhörte Forderung an Papst Benedikt XVI., die Haltung des Vatikans zum britischen Bischof und Holocaust-Leugner Richard Williamson klarzustellen, demonstrierten, dass Merkel in der Außenpolitik bereit ist, moralische Positionen über taktische Erwägungen zu stellen. Das macht sie gelegentlich höchst unbequem, aber auch zu einer verlässlichen Instanz. Und Verlässlichkeit ist das wertvollste Kapital Deutschlands in der Außenpolitik.