Nach Akten-Affäre beim Verfassungsschutz sieht Union Partei-Verbotsverfahren in weite Ferne rücken. Uhl: “Beweise sind nun angreifbarer“.

Berlin. Nachdem Ende Juni bekannt geworden war, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz Akten zum Fall der Neonazi-Mordserie vernichtet hatte, war die Kritik von allen Seiten groß. Die Verfassungsschützer hätten mit ihrem Vorgehen die Klärung der von der Terrorzelle NSU begangenen Morde aufs Spiel gesetzt, wurde beklagt. Nun sieht die Union durch den Vorfall offenbar auch die Chancen für ein neues NPD-Verbotsverfahren in weite Ferne rücken. CSU-Innenexperte Hans-Peter Uhl sagte der "Berliner Zeitung", dass das Material des Geheimdienstes, welches dem Verfassungsgericht in einem NPD-Verbotsverfahren vorgelegt werden müsse, "natürlich angreifbarer als früher" sei. Damit habe sich ein solches Verfahren "so gut wie erledigt", so Uhl. Der CSU-Mann fügte hinzu, dass sich die Anwälte der NPD die Affäre zunutze machen würden, um die Glaubwürdigkeit des Verfassungsschutzes und seiner Quellen in Zweifel zu ziehen. Dem sei nur schwer zu begegnen, sagte Uhl.

+++ NPD verbieten +++

Aus den Reihen der Opposition erhielt Uhl scharfe Kritik. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sagte dem Abendblatt, dass die NPD verboten werden müsse und die Voraussetzungen für ein erfolgreiches NPD-Verbot geschaffen werden müssten. "Wenn der Pfusch beim Verfassungsschutz das Vorhaben gefährdet, dann ist dies eine schallende Ohrfeige für die Koalition und insbesondere die Union. Das Innenministerium wird schließlich seit 2005 von CDU und CSU verwaltet", sagte Trittin. Er brachte zudem Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) in die Schusslinie: "Sollte ein Verbotsverfahren wegen der Aktenvernichtung scheitern, würde der Innenminister dafür eine schwere Verantwortung tragen."

Auch im Norden stieß der Vorstoß von Uhl auf Unverständnis. Schleswig-Holsteins Innenminister Andreas Breitner (SPD) sagte dem Abendblatt: "Wer als verantwortlicher Politiker so agiert, erweckt den Eindruck, dass er es mit einem Verbotsverfahren womöglich nicht ernst meint. Je häufiger wir über ein Verbot diskutieren, ohne dass es praktische Folgen hat, desto interessanter machen wir die NPD." Und auch Hamburgs Innensenator Michael Neumann (SPD) betont die für ein erfolgreiches Verbotsverfahren nötige Zurückhaltung: "Wir müssen die Gründe für ein Verbot sauber zusammentragen und nicht Ausreden suchen, weshalb das alles schwierig ist. Das sind nur Ausflüchte, weil man kein Verbot will. Hamburg jedenfalls steht zum Verbot der NPD und trägt nach Kräften dazu bei."

Derzeit prüfen die Innenminister von Bund und Ländern eine Neuauflage des Verbotsverfahrens gegen die NPD. Ein Sprecher des Innenministeriums sagte, man sich befinde nach wie vor in der "Sammelphase". Die Innenminister von Bund und Ländern hatten im Frühjahr beschlossen, neues belastendes Material zu sichten. Ziel ist es, die Verfassungsfeindlichkeit der NPD nachzuweisen. Im Herbst soll über das weitere Vorgehen beraten werden.

Vor dem Verfassungsgericht in Karlsruhe war 2003 ein erster Versuch gescheitert, die NPD zu verbieten, da einige V-Leute des Verfassungsschutzes in den Spitzengremien der Partei zu finden waren. Inzwischen hat die Innenministerkonferenz beschlossen, die V-Leute abzuziehen.