Die Koalition will das Elterngeld flexibler machen. Diskutiert wird auch eine Teilzeitlösung. SPD-Chef Sigmar Gabriel gerade in Elternzeit

Berlin. SPD-Chef Sigmar Gabriel ist dieser Tage wohl einer der prominentesten Väter in Babyzeit. Seit Anfang Juli, dem Beginn der parlamentarischen Sommerpause, ist der 52-Jährige nämlich zu Hause, um für zwei bis drei Monate Töchterchen Marie zu hüten, die im April geboren wurde. Unter der Woche ist er jetzt daheim, um das private Glück zu genießen. Nur am Wochenende will Gabriel lang zugesagte Termine wahrnehmen, wie er kurz vor seiner Auszeit verriet.

Klassische Elternzeit ist die Pause des SPD-Vorsitzenden allerdings nicht. Als Abgeordneter steht ihm das Elterngeld nicht zu, das unter der Großen Koalition im Januar 2007 eingeführt wurde. Trotzdem entspricht Gabriel einem gesellschaftlichen Trend: Immer mehr Väter nehmen sich zur Betreuung ihres Nachwuchses eine Auszeit, so das Statistische Bundesamt. Demnach macht jeder vierte Vater mindestens zwei Monate Pause und bezieht während dieser Zeit Elterngeld - ein neuer Höchststand in der Bundesrepublik.

Ob das Elterngeld aber insgesamt als Erfolgsgeschichte gelten darf, ist umstritten. "In der nächsten Legislaturperiode werden wir uns das Elterngeld und seine Wirkung noch mal anschauen müssen", hatte Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) vorvergangene Woche angesichts weiter sinkender Geburtenzahlen angekündigt - und einen Proteststurm geerntet. Sein Parteifreund, CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe stellte gestern im Abendblatt-Interview klar, dass es ein Aus der Leistung nicht geben könne: "Das Elterngeld ist eine ganz wichtige Unterstützung junger Mütter und Väter, an der wir festhalten." Vor allem die sogenannten Vätermonate hält Gröhe für wichtig: Durch sie sei es zunehmend zur Normalität geworden, dass beide Elternteile für ihre Familie vorübergehend den Job aufgeben. Er könne sich zudem sogar vorstellen, "dass wir die Möglichkeiten insgesamt erweitern, darüber zu entscheiden, wann Eltern ihre Babypause machen".

In seiner Partei stößt er damit auf Zustimmung. Der Wandsbeker CDU-Bundestagsabgeordnete Jürgen Klimke plädiert ebenfalls für mehr Flexibilität statt einer Abschaffung des Elterngeldes und spricht sich für die Einführung eines Teilelterngeldes aus. Union und FDP haben diese Möglichkeit in ihrem Koalitionsvertrag explizit vorgesehen - allerdings liegt diese Maßnahme wie auch die Ausweitung der Vätermonate wegen der angestrebten Haushaltskonsolidierung auf Eis.

Er halte die Einführung eines Teilelterngeldes "für das Gebot der Stunde", sagte Klimke dem Abendblatt. "Der Gedanke dabei ist, dass bei Teilzeiterwerbstätigkeit und ergänzendem Elterngeldbezug auch nur ein halber Monatsanspruch des Elterngeldes verbraucht würde und sich die Bezugszeit des Elterngeldes entsprechend verlängern würde." Statt der festgeschriebenen 14 Monate für das komplette Elterngeld könnte das Teilelterngeld also bis zu 28 Monate gezahlt werden. Eine Mutter oder ein Vater kann derzeit zwei bis zwölf Monate Elterngeld beziehen, zwei weitere Monate gibt es, wenn sich der Partner an der Betreuung des Kindes beteiligt. Den Zeitraum von 14 Monaten können dann beide frei unter sich aufteilen. Die Höhe des Elterngeldes orientiert sich am zuvor erzielten Einkommen und beträgt mindestens 300 und höchstens 1800 Euro.

Für Klimke vergrößert sich mit einem Teilelterngeld die Gestaltungsfreiheit von Elternpaaren. Und auch finanzielle Probleme sieht er kaum: "Den Mehrkosten stünden höhere Einnahmen durch die Steigerung der Berufstätigkeit entgegen". Bei der Ausweitung der Vätermonate müsse man hingegen mit einem erheblichen finanziellen Mehraufwand rechnen.

Die familienpolitische Sprecherin der Unionsfraktion im Bundestag, Dorothee Bär (CSU), stellte klar, "aufgehoben sind unsere Pläne nicht". Wegen der angespannten Haushaltslage habe man dieses Vorhaben aber "leider noch nicht umsetzen" können, sagte sie dem Abendblatt. Sowohl mit einer Ausweitung der Vätermonate und das Teilelterngeld wäre die partnerschaftliche Aufteilung von Erwerbs- und Erziehungsaufgaben zwischen den Elternteilen noch besser möglich. Ursprünglich war angedacht, die salopp als "Vätermonate" bezeichneten Partnermonate von zwei auf vier zu erhöhen.

Insgesamt gibt es derzeit 160 ehe- und familienbezogene Leistungen, für die die öffentliche Hand im Jahr 2009 insgesamt 195 Milliarden Euro ausgegeben hat. In dieser Summe sind auch die Steuereinnahmeverluste durch das Ehegattensplitting enthalten, Kindergeld und Kinderfreibeträge, ebenso die Kosten für die betragsfreie Mitversicherung von Kindern in der gesetzlichen Krankenkasse oder die Witwenrenten enthalten. Die Ausgaben für das Elterngeld belaufen sich auf 4,5 Milliarden Euro im Jahr. Bis 2013 soll eine "umfassende wissenschaftliche Evaluation der familienpolitischen Leistungen" erfolgen, wie es im Koalitionsvertrag heißt. "Dann müssen wir eine Gesamtstrategie erarbeiten. Die Familienförderung muss insgesamt zielgenauer werden", sagte die familienpolitische Sprecherin der FDP, Miriam Gruß, dem Abendblatt. Mit der Haltung des Koalitionspartners ist sie in dieser Frage nicht zufrieden: "In der Union scheint es intern noch viel Klärungsbedarf zu geben, was die familienpolitische Marschrichtung betrifft."

Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) hatte nach Kauders Einlassungen ausrichten lassen, es sei derzeit keine Überprüfung des Elterngeldes geplant. Es gebe kaum ein Gesetz in Deutschland, das so regelmäßig überprüft werde wie das Elterngeld, betonte sie. Dass immer weniger Kinder geboren würden, liege an der sinkenden Zahl der Frauen im gebärfähigen Alter - und klar sei auch, "dass das Elterngeld keine Gebärprämie ist." Im Gegenteil: Es würde den Eltern die Situation erleichtern. "Ohne das Elterngeld müssten viele Mütter schon acht Wochen nach der Geburt des Kindes wieder arbeiten." Die Leistung wird also noch für Diskussionsstoff sorgen. Immerhin: Vergangene Woche hat der Bundesrat in seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause die Antragsstellung erleichtert. Die aufwendige Ermittlung des Einkommens der Eltern vor der Geburt des Kindes wird künftig durch ein pauschaliertes Verfahren ersetzt.