Knapp hat sich die FDP-Spitze beim Entscheid über den Euro-Kurs gegen die Skeptiker durchgesetzt und stärkt so Rösler den Rücken.

Berlin. Aufatmen in der FDP, bei Parteichef Philipp Rösler und Koalitionspartner CDU/CSU: Die FDP-Spitze hat sich beim Mitgliederentscheid über den Euro-Kurs der Liberalen knapp durchgesetzt. Mit 44 Prozent Zustimmung verfehlten die Euro-Skeptiker ihr Ziel, die Partei auf ein Nein zum Euro-Rettungsschirm ESM und damit auf einen Gegenkurs zur Kanzlerin Angela Merkel festzulegen. Die Parteispitze erreichte rund 54 Prozent. Nach der Abstimmung rief Parteichef Philipp Rösler zusammen mit seinem Kritiker Frank Schäffler die Partei zur Geschlossenheit auf. Weiter sagte Rössler, die FDP werde mit dem Dreikönigstreffen durchstarten. Die Führungsmannschaft stellte sich demonstrativ hinter Rösler, dessen Rücktritt für den Fall einer Niederlage erwartet worden war. Während der Koalitionspartner CDU sich erleichtert zeigte, sagten SPD und Grüne den Liberalen indes weiteres Chaos voraus.

Nach Beratungen von Präsidium und Vorstand trat Rösler gemeinsam mit Schäffler vor die Presse, der den Entscheid gegen den Willen der Parteiführung auf den Weg gebracht hatte. Schäffler sagte, er wolle nun "dazu beitragen, dass die Gräben in der Partei wieder zugeschüttet werden“. Zuvor hatte er bereits seine Niederlage eingeräumt und klargemacht, dass er die Rechtmäßigkeit der Abstimmung nicht infrage stellen wird.

Rösler sprach von einem starken Votum der Parteibasis für den Kurs der Bundespartei. Zugleich entschuldigte er sich indirekt für Äußerungen vom Wochenende, in denen er vorausgesagt hatte, der Mitgliederentscheid und damit Schäffler würden scheitern, weil sich zu wenige FDP-Mitglieder beteiligten. Es sei "bedauerlich“, dass der falsche Eindruck entstand sei, er habe "dieses großartige Ergebnis“ vorwegnehmen wollen.

++ Heftige Kritik an Rösler aus den eigenen Reihen +++

Für den Antrag der Euro-Skeptiker stimmten laut Rösler 44,2 Prozent, für die Position der FDP-Spitze die Mehrheit von 54,4 Prozent. Formal ist der Mitgliederentscheid nicht gültig, weil die Mindestbeteiligung von 21.500 FDP-Mitgliedern verfehlt wurde. Der Entscheid wird daher als Basisbefragung gewertet.

"Damit wird die bisherige Linie (...) einmal mehr bestätigt“, betonte Rösler. "Die FDP ist und bleibt als Partei klar ausgerichtet – pro-europäisch mit der notwendigen ordnungspolitischen Vernunft.“ Das Mitgliedervotum war zuletzt auch als Entscheidung über Röslers Zukunft mit Spannung erwartet worden, nachdem am Mittwoch völlig unerwartet Generalsekretär Christian Lindner seinen Rücktritt erklärt hatte.

Formal kann die Parteispitze das Votum als Sieg verbuchen. Die Parteiführung erhielt eine Mehrheit für ihren Kurs, und die Fraktion im Bundestag behält freie Hand in der Euro-Politik. Der Bundesvorstand setzte sich durch mit der Linie, dass es Rettungsmaßnahmen für strauchelnde Euro-Krisenländer geben kann, diese aber an klare Bedingungen geknüpft werden. Deshalb will die FDP beim Anfang 2012 erwarteten Bundestagsvotum für den dauerhaften Rettungsmechanismus ESM stimmen. Dabei soll Deutschland Haftungsrisiken von 190 Milliarden Euro übernehmen.

Damit der Mitgliederentscheid gültig wäre, hätte sich ein Drittel der Mitglieder beteiligen müssen. Das wären mindestens 21.503 gewesen. In der Parteizentrale gingen laut Rösler nur 20.364 Stimmzettel ein. Davon seien 20.178 "bewertet“ worden und 19.930 gültig gewesen. Die Euro-Skeptiker kamen demnach auf 8809 Stimmen, der FDP-Bundesvorstandsantrag auf 10.841 Befürworter. Auf Enthaltung lauteten 1,4 Prozent der Stimmzettel.

Fraktionschef Rainer Brüderle wertete das Ergebnis als Rückendeckung für Rösler: "Er ist gestärkt worden.“ Indirekt wies Brüderle auch Spekulationen um einen Rücktritt Röslers zurück: "Auf jeden Fall ist die Personalstruktur bestätigt worden.“ Der frühere Parteichef, Außenminister Guido Westerwelle, erklärte: "Die FDP bleibt auf einem Kurs der europäischen Integration.“ Gesundheitsminister Daniel Bahr, Chef des mächtigen FDP-Landesverbandes Nordhrein-Westfalen, sagte, Rösler sei der Rücken gestärkt worden. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion, Peter Altmaier (CDU), sagte der "Saarbrücker Zeitung": "Ich bin sehr erleichtert, dass die FDP eine pro-europäische Partei bleibt.“

Die SPD und die Grünen reagierten dagegen kritisch. Die FDP-Führung stehe vor einem Scherbenhaufen, sagte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. "Wenn knapp die Hälfte der Mitglieder den Kurs von Parteiführung und Regierung ablehnt, ist das kein Vertrauensbeweis.“ Rösler bleibe ein Parteichef auf Abruf. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sagte, es sei "blamabel, wenn Rösler und Co. gerade einmal ein Sechstel der Partei für ihre Position mobilisieren konnten“. (abendblatt.de/rtr)